Berichte

Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft: Neurodermitis

Am 25. April 2002 sprach Prof. Dr. Petra Högger, Würzburg, im Rahmen des Vortragsprogramms der DPhG-Landesgruppe Berlin-Brandenburg zum Thema "Neurodermitis Ų alte Rezepte und neue Hoffnungen" in Berlin.

Bei der Neurodermitis, die auch unter den Synonymen Endogene Dermatitis, Atopisches oder Endogenes Ekzem bekannt ist, handelt es sich um eine chronische oder chronisch rezidivierende Hauterkrankung, die mit den heutigen Mitteln nicht heilbar ist.

In Deutschland gibt es etwa 2,5 Millionen Betroffene, die Tendenz ist steigend. Unter den Erwachsenen sind 3%, unter den Kindern immerhin 12% betroffen. Um die Diagnose Neurodermitis stellen zu können, müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein. Hauptsächlich sind dies eine genetische Disposition, eine atopische Eigenanamnese, atopische Minimalformen wie beispielsweise Ohr- und Mundwinkelrhagaden und atopische Stigmata, zum Beispiel eine doppelte Unterlidfalte (Denny-Morgan-Falte).

Die Verteilung der Ekzeme ist altersabhängig. Bei Säuglingen und Kleinkindern im Alter von zwei bis 18 Monaten sind vor allem die Leistengegend und der Kopf befallen, wobei der Nasenbereich meist ausgespart bleibt. Bei Jugendlichen findet man die betroffenen Hautareale in den Beugen der großen Gelenke, im Hals-Nacken-Bereich und um Augen und Mund. Für erwachsene Neurodermitiker ist beispielsweise die Lichenifikation charakteristisch. Es handelt sich um ein lederartiges Hautbild, das im subakuten chronischen Stadium auftritt.

Triggerfaktoren verschlimmern das Hautbild

Triggerfaktoren können bei der Neurodermitis dazu führen, dass sich der Krankheitszustand verschlechtert. Dazu gehören beispielsweise das Klima, die Ernährung, Infekte, Allergien, Wärme, andere Hautkrankheiten, chemische Irritationen und nicht zuletzt das Kratzen als Antwort auf den Juckreiz.

Der Juckreiz ist für den Patienten ein besonders quälendes Merkmal seiner Erkrankung. Er kann zu regelrechten "Kratzattacken" führen. Am Zustandekommen dieses Symptoms sind neben Histamin auch andere Mediatoren wie Bradykinin, Neurotensin, Substanz P, Endorphine und Eicosanoide beteiligt. Früher nahm man an, dass Juckreiz eine Art unterschwellige Schmerzempfindung sei.

Heute dagegen geht man davon aus, dass Juckreiz und Schmerz zwei völlig verschiedene Phänomene sind, die über getrennte Nervenbahnen fortgeleitet werden und gleichzeitig empfunden werden können. Der Juck-Kratz-Teufelskreis kommt dadurch zustande, dass durch die mechanische Reizung der Haut beim Kratzen proinflammatorische Zytokine wie TNF-alpha sezerniert werden, die wiederum die Sekretion weiterer juckreizstimulierender Mediatoren auslösen.

Durch eine Infektion mir Bakterien, Viren und Pilzen treten bei Neurodermitikern häufig weitere Komplikationen auf. Ein Befall mit Herpes kann beispielsweise zu einer gefürchteten generalisierten Infektion führen. Besonders verbreitet ist bei Neurodermitikern der grampositive Keim Staphylococcus aureus. Er ist auch auf unbetroffenen Hautarealen der Patienten in höherer Keimzahl vorhanden als bei Hautgesunden.

Problematisch ist, dass Staphylococcus aureus Toxine sezerniert, die als Superantigene wirken und die Aktivierung von T-Lymphozyten und Makrophagen stimulieren. Damit werden Entzündungen initiiert, unterhalten oder verstärkt.

Konsequente Basispflege ist wichtig

Die Therapie der Neurodermitis umfasst eine konsequente Basispflege, die Pharmakotherapie sowie adjuvante Therapien. Außerdem sollten Triggerfaktoren, falls bekannt, gemieden werden. In der Basispflege der Haut kommen wirkstofffreie Salben und Cremes zum Einsatz, wobei W/O-Emulsionen wegen ihres längeranhaltenden hydratisierenden Effekts den O/W-Emulsionen überlegen sind. Durch Zusätze wie beispielsweise Harnstoff kann die Hydratation der extrem trockenen Neurodermitikerhaut weiter verbessert werden.

Bezüglich der adjuvanten Therapien und der Pharmakotherapie nahm die Referentin eine Bewertung auf Grundlage der Evidence Based Medicine (EBM) vor (siehe Tabelle). In der EBM wird auf Grundlage der Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien geprüft, ob eine bestimmte Therapie zu einem klinisch messbaren Vorteil für die Patienten geführt hat. Die Referentin wies ausdrücklich darauf hin, dass auch bei fehlender Evidenz eine Therapie im Einzelfall sehr hilfreich sein kann.

Hohe Evidenz für Glucocorticoide

Glucocorticoide werden im akuten Schub der Neurodermitis erfolgreich eingesetzt, da sie die stärkste antiinflammatorische Wirkung besitzen und ein schneller Wirkungseintritt erfolgt. Ein weiterer Vorteil ist, dass es Substanzen mit verschiedenen Wirkstärken gibt.

Bei sachgemäßer Anwendung sind die möglichen Nebenwirkungen wie Hautatrophie, Striae-Bildung oder Cushing-Syndrom klinisch praktisch nicht relevant. Werden Glucocorticoid-Salben entgegen der Anwendungsvorschrift bei Neurodermitis nicht ausschleichend dosiert, sondern plötzlich abgesetzt, kann es zu einem Wiederaufflammen des Ekzems kommen. Ein Problem in der Corticoid-Therapie ist auch die Tachyphylaxie, das heißt ein Sistieren des Therapieerfolges.

Immunsuppressives Makrolid jetzt auch in Deutschland zugelassen

Eine Alternative zu den klassischen Glucocorticoiden könnten die immunsuppressiven Makrolide werden. Im Februar diesen Jahres ist Tacrolimus als Protopic®-Salbe in Deutschland zur topischen Behandlung der Neurodermitis bei Erwachsenen und Kindern ab zwei Jahren zugelassen worden. Bei der Anwendung wurden bisher keine Atrophie-Erscheinungen beobachtet, der Rebound-Effekt ist allerdings auch hier vorhanden.

Im Gegensatz zur Corticoid-Therapie ist bei Tacrolimus der Wirkungseintritt recht langsam, unter Umständen vergehen drei bis sechs Tage bis zu einem deutlichen Effekt. Eine unangenehme Nebenwirkung ist ein Brennen oder eventuell ein Juckreiz beim Auftragen der Zubereitung, diese Symptome verschwinden jedoch nach einigen Behandlungstagen. Problematisch ist, dass noch keine Daten zur Langzeitsicherheit des Medikaments vorliegen. In naher Zukunft wird in Deutschland die Zulassung eines weiteren Makrolids (Pimecrolimus, Elidel®) erwartet.

Beratung in der Apotheke

Die Referentin betonte, dass der Apotheker eine wichtige Rolle bei der Betreuung von Neurodermitispatienten spielt. Er kann die Compliance stärken und den Betroffenen helfen, realistische Therapieziele zu finden. Bezüglich der Basispflege der Neurodermitikerhaut sollte der Apotheker wissen, dass eine Salbe, die bisher problemlos vertragen wurde, vom Patienten plötzlich abgelehnt werden könnte. Dies hängt damit zusammen, dass sich der Hautzustand der Patienten häufig verändert, die Basispflege muss also immer wieder neu auf die aktuellen Bedürfnis abgestimmt werden. Nach Ansicht der Referentin sind die drei wichtigsten Regeln im Umgang mit Neurodermitikern Verständnis, Zuwendung und Geduld.

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