Selbstmedikation

Gute Hautpflege hilft symptomfreie Zeit zu verlängern

Da es nach wie vor keine Kausaltherapie gibt, steht im Mittelpunkt der Betreuung von Neurodermitispatienten die stadienbezogene Basispflege. Etwa 80% der Patienten haben leichte Verlaufsformen und sind damit der Selbstmedikation und sich selbst überlassen, wie Dr. Kathrin Büke vom Arbeitskreis "Pharmazeutische Hautberatung" im Rahmen der Scheele-Tagung ausführte. Da die chronische Erkrankung mit einem hohen Leidensdruck einhergeht, sollte versucht werden, die symptomfreie Zeit zu verlängern.
Dr. Kathrin Büke
Foto: DAZ/ck

Der Neurodermitis als ekzematöser Erkrankung des Hautorgans liegt ein multifaktorielles Geschehen zugrunde. Der Verlauf ist chronisch und es wechseln sich symptomfreie und akute Phasen ab. Wichtig ist es, dem Patienten zu sagen, dass es keine Kausaltherapie gibt, derzeit ist nur eine symptomorientierte Versorgung möglich. Darum müssen mit dem Patienten gemeinsam realistische Ziele beim Umgang mit der Erkrankung aus dem atopischen Formenkreis besprochen werden, die sich durch eine große Variabilität auszeichnet. Besonders bei Kindern sollte die Verschiedenartigkeit der Symptome beachtet werden: Symptome, die die Haut und die Atemwege (Heuschnupfen oder Bronchitis und Asthma bronchiale) betreffen, wechseln sich oft ab. Es kann zu einem Etagenwechsel kommen. So wechselt bei bis zu 60% der Kinder mit Neurodermitis die Symptomatik noch vor dem 5. Lebensjahr von der Haut auf die Atemwege. Darum sollten Eltern angehalten werden, hier besonders auf die Symptome zu achten und die Therapie und Betreuung entsprechend anzupassen.

Auch die Lokalisation der betroffenen Hautareale ändert sich mit dem Alter: Sind beim Säugling vor allem der Kopf und das seitliche Gesicht von nässend verkrustetem Ausschlag betroffen, so sind es beim Jugendlichen die großen Beugen wie Ellenbeugen und Kniekehlen, die flechtenartig betroffen sind. Bei Erwachsenen können dann die schuppigen Hautveränderungen wieder in den sichtbaren Bereich wandern: Kopf, Hände, Arme und Füße sind betroffen.

Juckreiz als ständiger Begleiter

Bei der Neurodermitis sind verschiedene Verlaufsformen bekannt:

 

  • In der symptomfreien Zeit liegen keine entzündlichen Hautirritationen vor, das Stratum corneum ist ohne erkennbare Schädigung. Das Hautbild kann eventuell trocken, schuppig, relief-flechtenartig erscheinen.

 

  • In der aktiv chronisch/subchronischen Phase kommt es durch das Kratzen zu entzündlichen Hautirritationen, das Stratum corneum ist geschädigt, bis hin zu Substanzdefekten.

Im aktiven akuten bzw. subakuten Stadium treten stark entzündliche Hautirritationen auf, das Stratum corneum ist stark geschädigt, neben nässenden verkrusteten Hautläsionen besteht auch das Risiko der Superinfektion. Als obligate Hautsymptome, die bei jedem Neurodermitiker auftreten, nannte Büke neben dem Kardinalsymptom Juckreiz typische Effloreszenzen an bestimmten Körperpartien mit chronisch- beziehungsweise chronisch-rezidivierendem Verlauf. Als fakultatives Merkmal gilt neben zusätzlich auftretenden Allergien und Asthma eine positive Familienanamnese.

Auswahl relevanter Zusätze für die atopische Basispflege
pharmakologisch 
erwünschter Effekt
Wirkstoffeempfohlene Wirkstoffkonzentration
hydratisierend

Gycerin 10%

Urea pura 5%

10%

5%

antiphlogistisch

Dexpanthenol: Zink

Gerbstoffe

5%: 1%
granulationsförderndUrea pura2%
regenerativDexpanthenol5%
keratolytischUrea pura10%
antiseptisch

Milchsäure

Urea pura

0,5%

5%

Gestörte Hautbarriere bei Neurodermitis

Pathophysiologisch betrachtet weist die Haut eines Neurodermitikers eine gestörte Wasserbindungsfähigkeit auf. So hat sie einen verminderten Anteil an Feuchthaltefaktoren und einen um 50% niedrigeren Harnstoffgehalt als gesunde Haut. Ihr Säureschutzmantel weist Lücken auf, die Schweiß- und Talgsekretion ist vermindert sowie der Infektionsschutz gestört. Es treten mehr Infektionen auf, die zudem schlechter abheilen. Die Haut ist dünner und reagiert empfindlicher auf exogene Reize. Und sie trocknet schneller aus und reagiert stark auf Temperaturschwankungen. Durch einen Enzymdefekt ist der Fettsäurestoffwechsel gestört: Die Delta-6-Desaturase liegt mit einer verminderten Aktivität vor. Dieses Enzym ist für die Umwandlung von Linolsäure in Gamma-Linolensäure verantwortlich. Aus der Gamma-Linolensäure wird durch die Elongase schließlich die Dihomo-gamma-Linolensäure gebildet. Diese ist das Ausgangsprodukt für entzündungshemmende Prostaglandine. Durch eine gezielte Ernährung bzw. Nahrungsergänzungsmittel kann versucht werden, einen gewissen Ausgleich des Mangels an mehrfach ungesättigten Fettsäuren zu erreichen. Empfohlen werden daher Öle, die reich an Gamma-Linolensäure sind wie Nachtkerzenöl oder Borretschsamenöl. Die Behandlung des Hautorgans ruht auf drei Säulen: der Prävention, der Basispflege und einer spezifischen Therapie. Ziel der präventiven Maßnahmen ist es, akute Krankheitsschübe zu vermeiden. Dabei gilt es, spezifische und unspezifische Provokationsfaktoren zu erkennen. Dazu zählen Irritationen durch das Klima, Körperhygiene oder die Kleidung ebenso, wie psychischer Stress oder Allergene, die in der Nahrung, Tierhaaren oder auch Arzneimitteln stecken können. Wobei Büke betonte, dass Stress oder Konflikte nicht mehr Einfluss auf die Neurodermitis haben, wie auch auf andere Erkrankungen. Auch rigide Diätvorschriften sind nicht unbedingt zu empfehlen, diese erzeugen in der Regel nur einen Mangelzustand.

Die Haut nicht zukleben

Zur atopischen Basispflege gehören konsequent die zweimal tägliche Reinigung und die Rückfettung der Haut. Leider werde die Basispflege oft sträflich vernachlässigt. Dabei hat die Hautpflege mit rückfettenden Salben, Cremes und Ölbädern auch in beschwerdefreien Zeiten eine herausragende Bedeutung. Das bedeutet: es sollte täglich gecremt werden, auch wenn die Haut in einem guten Zustand ist. Beim Waschen sollte die Wassertemperatur nicht über 32° C liegen und das Baden – eventuell unter Zusatz von Badesalzen – dem Duschen vorgezogen werden, da jede mechanische Beanspruchung, auch das Einseifen und der Wasserstrahl beim Duschen, zu Reizungen und Irritationen führen kann. Egal wie mild die Reinigungsprodukte ausgelobt werden: Durch den Einsatz von Tensiden werden der fett- und feuchtigkeitsarmen Haut wichtige physiologische Stoffe entzogen. Daher sollten möglichst seifenfreie Syndets angewendet werden. Und nach dem Reinigen sollte die Haut immer eingecremt werden. Je nach dem Stadium der Neurodermitis sollten dann topische Arzneiformen zur Hautpflege ausgewählt werden. Gut geeignet sind hydrophile oder amphiphile Grundlagen wie z. B. Basis DAC oder Ungt. emuslif. aq. Den Topika können wasserbindende bzw. hydratisierende Komponenten wie Glycerol oder Harnstoff oder antiphlogistische Stoffe zugesetzt werden. Als weniger geeignet haben sich lipophile Grundlagen wie z. B. Melkfett oder Linola Fett erwiesen.

Lassen Sie den Patienten mit entscheiden!

Um Neurodermitiker begleiten zu können und ihnen in allen Stadien zur Seite zu stehen, bedarf es einer großen Fach- und Produktkompetenz des Apothekers. Es müssen sowohl indikationsspezifische Besonderheiten der Dermatosen als auch die pharmakologische Wirksamkeit von Stoffen und galenischen Darreichungsformen bekannt sein. Wichtig sind hier auch Erfahrungen in der Bewertung klinischer Hautzustände als Voraussetzung für die stadiengerechte Basisversorgung. Bükes Appell: Spezialisieren Sie sich! Es lohne, sich stärker auf Neurodermitis oder auch weitergehend auf chronische Hauterkrankungen oder Allergieberatung zu spezialisieren. Die Patienten werden dies dankbar annehmen. Zumal eine einmal gefundene gut verträgliche Basispflege nicht für immer beibehalten werden kann. Je nach Jahreszeit oder körperlich-seelischer Verfassung muss die Haut anders gepflegt werden. Auch kann es vorkommen, dass die Basiscreme nicht mehr vertragen oder abgelehnt wird und deshalb nach einer Alternative gesucht werden muss. 

 

Quelle

Dr. Kathrin Büke: "Neurodermitis – Medizinische Pflege bei Hauterkrankungen", 15. November 2009, Rostock-Warnemünde, Tagung der Scheelegesellschaft. 

 

ck

Der Strand von Warnemünde bot den etwa 250 Teilnehmern der gemeinsamen Veranstaltung der Scheele-Tagung und des Apothekertages Mecklenburg-Vorpommern in den kurzen Pausen frische Luft zur Erholung. Die Berichte vom Apothekertag finden Sie hier: Warten auf Taten; Herausforderungen und gute Chancen für Apotheker; Neue Gefahren für die Arzneimittelversorgung; Wege aus der Krise?. Die Berichte von den wissenschaftlichen Veranstaltungen rund um das Thema "Haut" können Sie in der nächsten DAZ lesen.
Foto: DAZ/ck

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