Berichte

DPhG: Neue Behandlungsansätze der Neurodermitis

Vortrag von Prof. Dr. Petra Högger vom Institut für Pharmazie und Lebensmittelchemie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg anlässlich einer Veranstaltung der DPhG in Würzburg am 26. Juni 2001.

Neurodermitis ist nach wie vor eine weit verbreitete Erkrankung der Haut. Da sie mit einer starken physischen undpsychischen Belastung der Betroffenen einhergeht, wird verstärkt nach neuen Therapieansätzen gesucht, wobei Immunglobuline und Makrolide in den Mittelpunkt des Interesses rücken.

Neurodermitis, die auch unter den Synonymen Atopische Dermatitis, Atopisches oder Endogenes Ekzem bekannt ist, betrifft in Deutschland ungefähr 12% der Kinder im Vorschulalter und 3% der Erwachsenen. Es ist eine chronisch-rezidivierende entzündliche Hauterkrankung, für die lediglich symptomatische Therapieansätze zur Verfügung stehen. Die Betroffenen weisen neben einer atopischen Familien- und Eigenanamnese typischerweise eine erhöhte Hautirritabilität auf. Die klinische Ausprägung des Krankheitsbildes kann von Patient zu Patient stark variieren, die Verteilung der Ekzeme ist jedoch in der Regel altersabhängig. Bei Säuglingen und Kleinkindern von 2–18 Monaten sind typischerweise der Kopfbereich, insbesondere die Wangen und auch die Leistengegend involviert, bei älteren Kindern findet man die Ekzeme vorwiegend an den Beugeseiten der großen Gelenke, in der Augen-/Mundregion und am Hals und Nacken. Die Pathogenese der Neurodermitis kann am besten mit einem multifaktoriellen Modell beschreiben werden, dessen Kern die atopische Veranlagung bildet, die sich in einer erhöhten Reaktionsbereitschaft der Haut ausdrückt. Zahlreiche Einflussfaktoren können nunmehr einen akuten Krankheitsschub auslösen oder zur Chronifizierung der entzündlichen Hautreaktion beitragen, so zum Beispiel eine ausgeprägte Hauttrockenheit, Kratzen, Wärme und Schwitzen, Allergien, psychische Belastungen, Infekte oder chemische Irritationen. Nicht alle diese Faktoren sind für jeden Betroffenen wichtig, die Bedeutung kann von Patient zu Patient unterschiedlich sein und sich zudem im Laufe der Zeit ändern.

Hauptsymptom quälender Juckreiz

Die Lebensqualität des Neurodermitis-Patienten wird durch den quälenden Juckreiz, der die Erkrankung begleitet, stark beeinträchtigt. Der Juckreiz tritt in der Regel anfallsartig auf und führt zu Kratzexzessen, die willentlich nicht oder kaum mehr zu durchbrechen sind. Die Anfälle dauern oftmals so lange, bis der Patient die Haut völlig aufgekratzt hat. Der Schmerz, der durch diese massive Beschädigung der Haut hervorgerufen wird, wird als besser erträglich als der Juckreiz beschrieben.

Während man früher die Meinung vertrat, dass Juckreiz eine Art unterschwellige Schmerzempfindung ist, weiß man nun, dass Juckreiz und Schmerz ganz verschiedene Phänomene sind. Beide können gleichzeitig empfunden werden und werden offensichtlich jeweils über eigene Nervenbahnen weitergeleitet. Neben dem klassischen Mediator des Juckreizes, dem Histamin, vermögen auch andere (Entzündungs-) Mediatoren aus der Substanzgruppe der Peptide, wie Bradykinin, Substanz P, Neurotensin oder Endorphine, sowie aus der Gruppe der Eicosanoide, Juckreiz auszulösen.

Juckreiz, der durch Kratzen beantwortet wird, führt in einen sich aufschaukelnden Juck-Kratz-Teufelskreis. Die mechanische Reizung der Haut durch das Kratzen führt zur Sekretion von TNFa und anderen proinflammatorischen Zytokinen, die wiederum ihrerseits die Sekretion juckreizstimulierender Mediatoren auslösen. Die oft ausgedehnten entzündeten Hautflächen sind anfällig gegenüber kutanen Komplikationen, wie bakteriellen Superinfektionen. Es besteht zudem eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Pilz- und viralen Infektionen, wobei eine generalisierte Herpesinfektion besonders zu fürchten ist.

Aber auch die nichtinfizierte Haut des Neurodermitikers beherbergt einen Mikroorganismus in hoher Kolonienzahl: Staphylococcus aureus. Er ist insofern kritisch, als dass er eine Gruppe von Toxinen, so genannte Superantigene sekretiert, die die Aktivierung von T-Lymphozyten und Makrophagen stimulieren und somit eine Entzündung initiieren, unterhalten und verstärken können.

Möglichkeiten der Therapie

Therapeutische Ansätze umfassen ein Basisprogramm, das sowohl im akuten als auch im subakuten/chronischen Stadium der Erkrankung Anwendung finden sollte. Neben der Vermeidung bekannter Triggerfaktoren steht hier die Hautpflege mit geeigneten Salben oder Cremes im Vordergrund. Diese sollen eine Hydratisierung und Rückfettung der Haut sicherstellen.

Für weitere therapeutische Ansätze wie adjuvante und Pharmakotherapien wurde eine Bewertung nach dem Prinzip der Evidence based Medicine berücksichtigt. Dabei werden ausschließlich kontrollierte klinische Studien zu einer Therapierichtung ausgewertet und zusammengefasst. Im Falle der Neurodermitis waren dies randomisierte klinische Studien, meistens im Parallelgruppendesign.

Bei den adjuvanten Therapien gab es sowohl für die Phototherapie (Hochdosis UV-A1 oder UV-B) als auch für psychologische Ansätze (Erlernen von Entspannungstechniken) Evidenz für eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufes. Kein Zusammenhang konnte dagegen für diätetische Ansätze mit verschiedenen Ölen (Fischöl, Nachtkerzenöl), Vitamin E oder Zink gefunden werden.

Makrolide – Ersatz für Corticoide?

Bei den Pharmakotherapien gab es weder für Antihistaminika oder Mastzellenstabilisatoren noch für antimikrobielle oder antiseptische Agentien Evidenz für eine Verbesserung des Krankheitsbildes. Positiv zu bewerten waren demgegenüber systemische immunmodulatorische Ansätze mit Cyclosporin A, Interferon gamma und – eingeschränkt aufgrund erst geringer Erfahrungen – Immunglobulinen. Auch für topische antiinflammatorische bzw. immunmodulatorische Substanzen gab es eine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufes. Bei diesen topischen Therapeutika spielen neben den klassischen Glucocorticoiden zunehmend immunsuppressive Makrolide eine Rolle. Hier ist an erster Stelle Tacrolimus (FK506, Prograf) zu nennen. Die Substanz hat zurzeit in Deutschland eine Zulassung für Nieren- und Lebertransplantationen, jedoch noch keine Zulassung für eine Indikation in der Dermatologie.

Zahlreiche klinische Studien belegen die gute topische Wirksamkeit bei Neurodermitis. Ein anderes Makrolid, Sirolimus (Rapamycin, Rapamune) hat gerade die europäische Zulassung für Nierentransplantationen erhalten. Diese Substanz könnte potenziell auch für die topische Therapie entzündlicher Hautkrankheiten geeignet sein. Eine solche Eignung für die Therapie der Neurodermitis wurde bereits in mehreren klinischen Studien für das Makrolid Ascomycin (ASM981, Pimecrolimus) gezeigt. Die Substanz hat noch für keine Indikation eine Zulassung in Deutschland.

Alle drei genannten Makrolide beeinflussen die Genexpression von Zytokinen, insbesondere von IL-2. Dazu binden sie an ein intrazelluläres Protein, an FKBP-12 (FK506 bindendes Protein 12). Der Makrolid-Proteinkomplex hemmt die Aktivität der Calmodulin-abhängigen Phosphatase Calcineurin, die einen Kernfaktor (NF-AT) dephosphoryliert. Dieser Kernfaktor kann nur im dephosphorylierten Zustand in den Zellkern gelangen und die Genexpression von Zytokinen initiieren. Während der FKBP-12 Komplex mit Tacrolimus und Ascomycin direkt Calcineurin beeinflusst, hat man für Sirolimus einen etwas anderen Wirkmechanismus gefunden. Der Sirolimus-FKBP-12 Komplex interagiert mit einem Protein, das als "mammalian target of rapamycine (mTOR)" bezeichnet wird. Letztendlich wird durch diese Wechselwirkung der Zellzyklus der aktivierten T-Lymphozyten beeinflusst.

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