Arzneimittel und Therapie

Hauterkrankungen: Der Juckreiz muss gelindert werden!

Hauterkrankungen wie Neurodermitis, allergisches Ekzem oder Dermatomykosen beruhen zwar auf unterschiedlichen Pathomechanismen, zeigen jedoch ein gemeinsames Leitsymptom: den quälenden, für den Patienten oft sehr belastenden Juckreiz. Neben einer kausalen Therapie der jeweiligen Grunderkrankung ist deshalb die schnelle und effektive Linderung des Pruritus wichtigstes Behandlungsziel.

Damit kann dem Patienten wieder ein ungestörter Schlaf ermöglicht und seine gesamte Lebensqualität verbessert werden. Außerdem lassen sich so Kratzanfälle und die Gefahr von Superinfektionen vermindern. Neben den nichtsedierenden Antihistaminika nehmen im Therapiekonzept juckender Dermatosen die modernen Glucocorticoide mit ihrem optimierten Nutzen-Risiko-Profil einen immer wichtigeren Stellenwert ein.

Atopisches Ekzem und allergische Kontaktreaktionen

Beim atopischen Ekzem und im Rahmen von allergischen Kontaktreaktionen kommt es häufig zu einem ausgeprägten entzündlichen Juckreiz. Dafür sind vor allem das aus Mastzellen freigesetzte Histamin sowie die verstärkte Expression zahlreicher Zytokine und Adhäsionsmoleküle (z. B. ICAM-1) verantwortlich.

Moderne Antihistaminika haben Vorteile

Moderne Antihistaminika wie Loratadin (Lisino®) besitzen neben einer klassischen H1-antagonistischen Wirkung zusätzlich auch antiinflammatorische Mechanismen, womit sie bereits in frühe Stadien der Entzündungskaskade wirksam eingreifen können. Dazu gehören beispielsweise die Mastzellstabilisierung und die antagonistische Wirkung auf das Adhäsionsmolekül ICAM-1.

Moderne Vertreter dieser Substanzklasse wirken antipruriginös, ohne dabei einen sedierenden Effekt zu entfalten. Studien haben gezeigt, dass entgegen früherer Ansicht die Sedierung keine Voraussetzung für eine juckreizlindernde Wirkung darstellt. Von Vorteil für den Patienten ist außerdem, dass die Juckreizlinderung mit den neueren Antihistaminika innerhalb kürzester Zeit einsetzt (bei Loratadin z.B. in 17 Minuten).

In Anbetracht der zu erwartenden Arzneimittelrichtlinien, nach denen Medikamente nur noch für den Einsatz bei einer zugelassenen Indikation erstattungsfähig bleiben sollen, wird es wichtig sein, welches Antihistaminikum neben spezifischen Indikationen wie "chronische Urtikaria" oder "atopisches Ekzem" auch die Zulassung für "Juckreiz anderer Genese" erhält. Für Loratadin wird mit einer entsprechenden Erweiterung der Zulassung noch in diesem Jahr gerechnet.

Topische Steroide gehören zu den wichtigsten juckreizlindernden Dermatika

Glucocorticoide stellen im Therapieregime der atopischen Dermatitis und des allergischen Kontaktekzems das wichtigste Element gegen Juckreiz und Entzündung dar. Inzwischen verfügt man über Substanzen mit verbesserter Nutzen-Risiko-Relation, die selbst an der Kinderhaut und in Langzeitstudien keine klinisch relevanten Atrophieerscheinungen mehr hervorrufen. So konnte mit Mometason (Ecural®), einem modernen Corticoid der Wirkklasse III, gezeigt werden, dass auch bei täglicher und unphysiologisch langer Anwendung (über ein Jahr) auf der Oberarminnenseite keine Atrophieanzeichen entstehen. Dennoch sollen Corticoide möglichst nur kurzfristig und in ausschleichender Intervalltherapie angewendet werden. Dies ist meistens ausreichend, um die Remission über einen langen Zeitraum aufrecht zu erhalten.

Cortisonangst ist nach wie vor verbreitet

Da man mit potenten Corticoiden auch bei Kindern mit Neurodermitis den quälenden Juckreiz innerhalb weniger Tage lindern kann, ist es aus Sicht von Dermatologen unethisch, mit einer Cortisontherapie zu lange zu warten.

Aus ärztlicher Sicht wird dagegen das für Neurodermitiker große Angebot an Alternativpräparaten eher kritisch bewertet und derzeit von "unwirksam bis gefährlich" eingestuft. Zudem wird dem Patienten damit eine effektive Cortisonbehandlung vorenthalten. Für Ärzte und Apotheker besteht deshalb eine wichtige Aufgabe darin, die in der Bevölkerung teilweise noch große Corticoidphobie durch sachliche Aufklärung zu entschärfen.

Cortison ist nicht gleich Cortison

Die Affinität zum Corticoidrezeptor und die daraus resultierende Wirkstärke ist bei den verfügbaren Corticoiden sehr verschieden und bedingt ihre unterschiedlichen Wirkpotenzen. Von Bedeutung ist auch das Ausmaß, in dem die Freisetzung inflammatorischer Zytokine wie IL-6, IL-8, TNF-α gehemmt und die Expression von Zytokinrezeptoren inhibiert wird.

Die potente Wirkung moderner Glucocorticoide ist nicht automatisch mit starken Nebenwirkungen verknüpft. Die Erklärung hierfür liegt wahrscheinlich darin, dass Epidermiszellen, Fibroblasten und Leukozyten unterschiedlich stark beeinflusst werden.

Paradox: Auch Glucocorticoide können Allergien auslösen

Die Cortison-Allergie ist in der Dermatologie seit einiger Zeit relevant. Beobachtet wurden Kontaktallergisierungen bei der topischen Anwendung von Glucocorticoiden, wobei das Risiko erwartungsgemäß mit Dauer und Häufigkeit der Applikation steigt. In der Hitliste der Kontaktallergene stehen die Corticoide jedoch noch weit unten.

Angeführt wird die Liste nach wie vor von Nickel, gefolgt von Kobaltchlorid, Colophonium, Duftstoffmix und Perubalsam. Unter den corticoiden Substanzen wurden bei Budesonid (75%) und Hydrocortison (41%) bislang die meisten allergischen Reaktionen beobachtet. Dagegen blieben manche Vertreter wie beispielsweise Mometason bisher unauffällig.

Dermatomykosen: Wann ist eine topische Therapie ausreichend?

Dermatomykosen sind nach Akne die zweithäufigsten Hauterkrankungen. Es handelt sich dabei um Pilzinfektionen der Haut, Haare und Nägel sowie der hautnahen (oralen oder genitalen) Schleimhäute. Bei oberflächlichen Dermatophytosen, unkomplizierten Candidosen oder bei Onychomykosen im Frühstadium ist in der Regel die topische Anwendung von Antimykotika suffizient. Tiefe Dermatophytosen wie Tinea capis oder ein massiver Nagelbefall machen dagegen den Einsatz systemischer Antimykotika unumgänglich.

Die meisten der heute verwendeten antimykotischen Wirkstoffe sind Ergosterol-Biosynthesehemmer (Azole, Allylamine). Sie stören die Bildung des für die Pilzmembran essenziellen Bausteins Ergosterol. Polyene (Nystatin, Natamycin, Amphotericin B) greifen dagegen direkt an der Pilzzellmembran an.

Corticoidhaltige Antimykotika - wann sind sie sinnvoll?

Auf die entzündlichen Begleiterscheinungen, die pathophysiologisch mit jeder Pilzbesiedelung verbunden sind, haben Antimykotika keinen direkten Einfluss. Die Erreger von Dermatomykosen können Haarfollikel befallen und dann in tieferen Hautschichten starke Entzündungen hervorrufen. Anthropophile Dermatomykosen sind besonders häufig mit starkem Juckreiz assoziiert. In diesen Fällen ist daher die Kombination eines Antimykotikums mit einem Glucocorticoid sinnvoll. Kombipräparate sind außerdem bei entzündlich-ekzematösen Mykosen indiziert.

Wahlkriterien für Antimykotika-Glucocorticoid-Kombipräparate

Um einerseits eine schnelle antiphlogistische und antipruriginöse Wirkung zu erzielen, andererseits aber Atrophieerscheinungen zu vermeiden, bietet sich die Kombination eines Antimykotikums mit einem effektiven Glucocorticoid als Kurzzeittherapie an. Am günstigsten sind nach Ansicht von Dermatologen dabei Steroide der Wirkstärke III wie Betamethason-Dipropionat. In Kombination mit dem Breitbandantimykotikum Clotrimazol kann auf diese Weise der entzündliche Juckreiz bei Dermatomykosen rasch gemildert werden.

Die erfolgreiche Abschwächung der juckenden Entzündung darf aber nicht dazu führen, dass die antimykotische Behandlung zu früh beendet wird. Der Patient sollte darauf hingewiesen werden, dass trotz nachlassenden Juckreizes die Therapie unbedingt noch 7 bis 10 Tage weitergeführt werden muss, um die Mykose dauerhaft zu eliminieren. Nach Therapieende dürfen Salbenreste dann jedoch keinesfalls als Hautpflegemittel weiter verwendet werden.

Neurodermitis: Staphylococcus aureus spielt eine zentrale Rolle

Nach aktuellen Erkenntnissen spielt beim aktiven atopischen Ekzem der grampositive Erreger Staphylococcus aureus eine besondere Rolle. So ist dieser Keim das mikrobiologische Agens einer häufigen Komplikation der Neurodermitis, dem impetigenisierten atopischen Ekzem, das gekennzeichnet ist durch honiggelbe Krustenbildungen.

Dieses erfordert eine systemische Antibiotikatherapie, wobei wegen zunehmender Resistenzen von Staphylococcus aureus gegen Penicillin und Erythromycin immer mehr auf penicillinasefeste Penicilline, orale Cephalosporine, Clindamycin oder Fusidinsäure ausgewichen werden muss.

Antibiotika lindern sekundär Juckreiz und Entzündung

Bei Neurodermitikern lässt sich Staphylococcus aureus in bis zu 76% der nicht ekzematösen und in fast 100% der ekzematösen Areale nachweisen. Bei Hautgesunden dagegen findet man den Keim nur bei 10 bis 15% der Personen. Die Ursache für die verstärkte Kolonisation liegt vermutlich in veränderten Hautlipiden und extrazellulären Matrixproteinen des Neurodermitikers. Mit seinen proinflammatorischen Superantigenen und Exotoxinen ist dieser aggressive Keim in der Lage, die chronische Entzündung beim atopischen Ekzem auszulösen und zu unterhalten.

Da eine systemische antibiotische Behandlung langfristig nicht durchführbar ist, muss dieser Erreger auf anderem Weg bekämpft werden: Der Farbstoff Pyoktanin kann die Keimzahl von Staphylococcus aureus im behandelten Areal reduzieren. Für die in der Praxis besser einsetzbaren farblosen Antiseptika Triclosan und Chlorhexidin ist die Wirksamkeit - in Kombination mit einer gewissenhaften Basispflege - ebenfalls belegt. Allein durch die Eradikation von Staphylococcus aureus lässt sich also eine deutliche klinische Besserung der Neurodermitis erzielen.

Topische Glucocorticoide sind Mittel der Wahl

Studien zeigen, dass topische Glucocorticoide parallel zur Ekzemverbesserung auch eine Reduktion von Staphylococcus aureus nach sich ziehen. (Wahrscheinlich verändern Steroide die Andockstellen für diesen Erreger.) Dieser Effekt ist jedoch abhängig von der Cortisonstärke: Erst ab Wirkstärke III mildert ein Glucocorticoid die exazerbierte Neurodermitis, ohne dass zusätzlich ein Antibiotikum notwendig ist.

Solange keine manifesten, nässenden, superinfizierten Läsionen vorliegen, setzen Kliniker die topischen Steroide auch bzw. gerade beim mikrobiell beladenen atopischen Ekzem mit Erfolg ein. Es besteht also kein allgemeingültiger Widerspruch zwischen mikrobieller Besiedlung und Steroideinsatz.

Infektionshypothese der Neurodermitis

Das atopische Ekzem (Neurodermitis) zeigt mit seiner in Industrieländern gegenüber Entwicklungsländern deutlich höheren Prävalenz Züge einer Zivilisationskrankheit, wobei auch genetische Faktoren eine Rolle spielen dürften. Eine in letzter Zeit vermehrt diskutierte Erklärungsvariante ist die Infektionshypothese:

Möglicherweise ist der Anstieg dieser atopischen Erkrankung darauf zurückzuführen, dass in den Industriestaaten bestimmte virale (Masern, Hepatitis) und bakterielle (Tbc) Infektionskrankheiten kaum mehr vorkommen. Dadurch ist die Th-1 getriebene Immunantwort (durch Th1-Zellen) unterfordert und es entsteht ein relatives Übergewicht von Th-2-Lymphozyten, die für den Ablauf dieser atopischen Erkrankungen kennzeichnend sind.

Die vier Wirkstärkeklassen der Glucocorticoide

  • schwach wirksame Corticosteroide (Klasse I), z. B. Hydrocortison
  • mittelstark wirksame Corticosteroide (Klasse II), z. B. Triamcinolon
  • stark wirksame Corticosteroide (Klasse III), z.B. Mometason
  • sehr stark wirksame Corticosteroide (Klasse IV), z. B. Diflucortolon
  • Neuropeptid alpha-MSH – neues antientzündliches Prinzip?

    Nerven- und Entzündungssystem stehen miteinander in Verbindung. Dies zeigt sich klinisch beispielsweise in der Verschlechterung eines atopischen Ekzems bei psychischer Belastung. Das Brückenglied für diese Kommunikation stellen möglicherweise Neuropeptide wie POMC (Proopiomelanocortin) dar.

    Durch enzymatische Spaltung entsteht aus diesem Neurohormon neben ACTH und Beta-Endorphin auch das α-MSH (Melanozytenstimulierendes Hormon). Sowohl im Tierversuch als auch an einer bisher allerdings geringen Probandenzahl konnte kürzlich gezeigt werden, dass intravenös wie auch topisch appliziertes α-MSH die Auslösung und Entstehung einer nickelinduzierten Kontaktallergie verhindern kann.

    Die Effekte des α-MSH werden über spezifische MC-Rezeptoren vermittelt. Diese sind nicht konstitutiv vorhanden, sondern werden nur in Entzündungssituationen exprimiert. Vermutlich zeigt α-MSH deshalb auch keine toxischen Begleiteffekte. MC-Rezeptoren vermitteln die Inhibition des inflammatorischen IL-1 und die Hochregulation von immunsuppressivem IL-10. Dies erklärt die beobachtete Toleranzentwicklung. Der antientzündliche Effekt von α-MSH beruht wahrscheinlich auf einer verminderten Expression von Adhäsionsmolekülen auf Endothelzellen.

    Ob α-MSH eine zukunftsweisende antientzündliche Therapiemöglichkeit darstellt oder gar eine Alternative zur Corticoidtherapie werden könnte, müssen die bereits laufenden klinischen Forschungen zeigen.

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