Arzneimittel und Therapie

Östrogene: Knochendichte alter Frauen erhöhen

Die Östrogen-Substitution ist eine Form der Osteoporoseprävention bei postmenopausalen Frauen. Über eine mögliche knochenschützende Wirkung der Östrogene im hohen Alter ist noch wenig bekannt. In einer Studie führte eine neunmonatige Östrogen-Gabe an gebrechliche Frauen ab 75 Jahre zu einem Anstieg der Knochendichte in der Lendenwirbelsäule und der Hüfte.

Frauen über 75 Jahre erleiden am häufigsten osteoporosebedingte Knochenbrüche. Mit zunehmendem Alter sinkt die Knochendichte nicht nur, die Abnahme scheint sich im hohen Alter sogar zu beschleunigen. Für ohnehin gebrechliche alte Menschen kann ein Knochenbruch, insbesondere ein Oberschenkelhalsbruch, zur dauerhaften Pflegebedürftigkeit führen.

Östrogene auch im hohen Alter?

Eine bewährte Form der Osteoporoseprävention bei postmenopausalen Frauen ist die Östrogen-Substitution. Im hohen Alter wird eine solche Hormongabe jedoch nur selten begonnen. In dieser Altersgruppe ist noch wenig über eine mögliche knochenschützende Wirkung der Östrogene bekannt.

Daher wurde an einer amerikanischen Universität untersucht, ob eine Hormonsubstitution die Knochendichte gebrechlicher alter Frauen erhöht. Die randomisierte, plazebokontrollierte Doppelblindstudie fand von September 1995 bis August 2000 statt. Teilnehmen konnten Frauen ab 75 Jahre mit leichter bis mäßiger körperlicher Gebrechlichkeit, die im Jahr zuvor keine Östrogene eingenommen hatten.

Randomisiert im Verhältnis 2 : 1

Von 67 Frauen bekamen 45 eine Hormonsubstitution und 22 Plazebo. Die neunmonatige Hormongabe bestand aus täglich 0,625 mg konjugierten Östrogenen. Alle drei Monate nahmen diejenigen Frauen, die ihre Gebärmutter noch hatten, an 13 aufeinander folgenden Tagen zusätzlich 5 mg des Gestagens Medroxyprogesteronacetat ein. Die Plazebo-Therapie bestand entsprechend aus einem bzw. bei Frauen mit Gebärmutter zwei Plazebos. Wurde die tägliche Östrogen- bzw. Plazebo-Einnahme nicht vertragen, konnte sie vorübergehend oder dauerhaft auf eine Einnahme an jedem zweiten Tag reduziert werden. Bei allen Frauen wurde der Calcium- und der Vitamin-D-Gehalt der Nahrung geschätzt und die tägliche Zufuhr wenn nötig mit einem Calcium- und Vitamin-D-Präparat auf 1200 mg und 800 I.E. erhöht.

Zielkriterium Knochendichte

Primäres Zielkriterium war die Veränderung der Knochendichte in der Lendenwirbelsäule und der Hüfte, die mittels Dual-Röntgen-Absorptiometrie bestimmt wurde. Sekundäre Zielkriterien waren Veränderungen der Knochenstoffwechsel-Marker knochenspezifische alkalische Phosphatase (ein Marker der Knochenneubildung) und quervernetztes Typ-I-Kollagen-Telo-peptid (ein Marker des Knochenabbaus).

Die Intention-to-treat-Analyse ergab: Die mittlere Knochendichte in der Lendenwirbelsäule stieg mit der Hormonsubstitution signifikant stärker als mit Plazebo: um 4,3% gegenüber 0,4%. Auch in der Hüfte nahm die mittlere Knochendichte unter der Hormoneinnahme signifikant mehr zu als unter Plazebo-Einnahme: um 1,7% gegenüber – 0,1%. In der Untergruppe der Frauen, die mehr als 80% der verordneten Hormondosen eingenommen hatten (n = 29), waren die Knochendichte-Anstiege noch ausgeprägter als in der gesamten Hormongruppe.

Hormonsubstitution erhöht die Knochendichte

Die Hormonsubstitution bewirkte außerdem signifikante Abnahmen bei Knochenstoffwechsel-Markern: Die Serumkonzentration der knochenspezifischen alkalischen Phosphatase sank mit der Hormoneinnahme im Durchschnitt um 24%, während sie mit der Plazebo-Einnahme um 6% zunahm. Die Urinkonzentration des quervernetzten Typ-I-Kollagen-Telopeptids sank mit der Hormonsubstitution um 48% und stieg mit Plazebo um 4%. Beide Unterschiede waren signifikant. Die Abnahme der Knochenstoffwechsel-Parameter unter der Hormongabe korrelierte mit der Zunahme der Knochendichte in verschiedenen Regionen (Gesamtkörper, Lendenwirbelsäule, Hüfte und Trochanter).

Elf Frauen in der Hormongruppe und zwei in der Plazebogruppe beendeten die Behandlung vorzeitig; in vier Fällen waren Nebenwirkungen der Hormongabe die Ursache. Demnach erhöht bereits eine neunmonatige Hormonsubstitution bei alten, gebrechlichen Frauen die Knochendichte in der Lendenwirbelsäule und in der Hüftregion. Mehrere Studien haben gezeigt, dass der Knochenstoffwechsel auch viele Jahre nach der Menopause noch erhöht ist. Die erhöhten Knochenstoffwechsel-Marker sanken in dieser Studie unter der Hormoneinnahme. Weitere Studien müssen zeigen, ob die Hormonsubstitution bei alten Frauen auch die Zahl der osteoporosebedingten Knochenbrüche verringern kann.

Kastentext: Postmenopausale Osteoporose

Zur Ausbildung einer postmenopausalen Osteoporose kommt es im Rahmen des natürlichen Östrogenabfalls bzw. Östrogendefizits bei Frauen jenseits des 50. Lebensjahres. Da Östrogene Osteoklasten-hemmend wirken, resultiert aus dem Östrogendefizits ein Missverhältnis zwischen den knochenaufbauenden Zellen, den Osteoblasten, und den knochenabbauenden Zellen, den Osteoklasten. Erste Wahl in der medikamentösen Osteoporose-Prävention ist die langzeitige peri- oder postmenopausale Hormonsubstitutionstherapie (HST). Die HST besteht entweder in der transdermalen oder oralen Östrogengabe mit zyklisch intermittierender Gestagen-Applikation. Als Nachweis dafür, dass HST den zuvor beschleunigten Knochenabbau normalisiert, gelten der Abfall biochemischer Marker des Knochenstoffwechsels und auch ein leichter Anstieg der Knochendichtewerte am zentralen und peripheren Skelett.

Literatur

Villareal, D. T., et al.: Bone mineral density response to estrogen replacement in frail elderly women. J. Am. Med. Assoc. 286, 815 – 820 (2001).

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