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Aroma- und Phytotherapie: Ätherische Öle und Krebs

Der Titel der 4. Aromatherapie-Konferenz in San Francisco im November vergangenen Jahres ließ aufhorchen: Was haben Aromatherapie und Krebs miteinander zu tun? Viele Ätherisch-Öl-Komponenten können - zumindest in vitro - das Wachstum sogar schwerst zu behandelnder Tumoren aufhalten. Neben anderen Themen zeigten die in San Francisco vorgestellten Forschungsergebnisse auf, in welch vielfältiger und bisher unvorhergesehener Art Terpenoide in den Zellmetabolismus eingreifen können. Diese Kenntnisse erweitern die rationale Anwendung von ätherischen Ölen in der Therapie.

Gesunde Ernährung

Mittlerweile gilt als gesichert, dass sich die Inzidenz vieler Tumorentitäten durch eine entsprechende Ernährung reduzieren lässt. Zu den besonders gut untersuchten Nahrungsbestandteilen mit chemopräventiver Wirkung zählen die dem Mevalonmetabolismus entstammenden Isoprenoide. Man kennt heute ungefähr 23000 Strukturen dieser sekundären Pflanzeninhaltsstoffe, die sich vom Isopren (C5H8) ableiten und die man in

  • reine, nur aus Isopreneinheiten bestehende Isoprenoide (auch Terpenoide genannt, z.B. die als Ätherisch-Öl-Hauptbestandteile bekannten Mono-, Sesqui- und Diterpene sowie Carotinoide, Tokopherole u.a.) und
  • zusammengesetzte Isoprenoide (prenylierte Flavone und Isoflavone, Chalkone, Cumarine, Chinone u.a.) gliedert.

In den 80er-Jahren hatte man den Einfluss von Tokotrienol aus Gerste auf den Cholesterolstoffwechsel untersucht und dabei auch eine Wachstumshemmung von implantierten Tumoren beobachtet. Weitere Untersuchungen an den leichter zugänglichen Isoprenoiden d-Limonen und Perillylalkohol zeigten ebenfalls eine Tumorregressionswirkung.

Systematische Untersuchungen an zyklischen und azyklischen Mono- und Sesquiterpenen (z.B. Ionon, Pinen, Terpineol, Carvacrol, Eugenol, Verbenon bzw. Citral, Geraniol, Nerolidol, Linalool, Farnesol u.v.a.) und deren Abwandlungsprodukten bestätigten diese Eigenschaften in vielen Tumormodellen. Die wirksamen Konzentrationen (IC50) lagen zwischen 100 und 600 mM.

Mechanismen der Tumorregression

Die Wirkmechanismen von Isoprenoiden - am besten untersucht von d-Limonen und Perillylalkohol - sind vielfältig:

  • Durch Inhibierung zellinterner Mevalonatsyntheseschritte wird die Signaltransduktion unterbrochen. So kann z.B. d-Limonen die Farnesylierung von p21-Ras-Proteinen und somit eine Onkogenaktivierung hemmen.
  • Isoprenoide inhibieren die Zellproliferation, indem sie modulierend oder hemmend in den Mevalonat-Cholesterol-Metabolismus eingreifen und den Zellzyklus in der G1-Phase aufhalten können. Hauptangriffspunkt ist dabei das Enzym Hydroxymethylglutaryl-Coenzym-A(HMG-CoA)-Reductase, das eine Schlüsselstellung in der zelleigenen Mevalonatbiosynthese und bei der Erhaltung der Cholesterol-Homöostase einnimmt. Bei gestörter Homöostase können sich Sterolgenese-Intermediatoren wie lipophile Anker verhalten, die der Zellwandanlagerung und der biologischen Aktivität von Wachstumsfaktoren, Kern-Laminen und des onkogenen Ras-Proteins dienen.
  • Die Unterdrückung der Mevalonatsynthese durch pflanzliche Isoprenoide reduziert Ras und Lamin B, setzt Zellen im G1-Stadium fest und induziert bzw. fördert die Apoptose.
  • Isoprenoide können sowohl Zelldifferenzierung wie Apoptose induzieren.

Azyklische Isoprenoide wirken dabei direkt auf die posttranskriptionalen Vorgänge ein, zyklische indirekt. Die höchste Zellwachstumshemmung konnte in vitro jedoch bei Gemischen von zyklischen und azyklischen Isoprenoiden beobachtet werden. Man führt dies auf Synergieeffekte zurück, denn die Hemmrate übertraf die der errechneten additiven Wirkung.

Limonen in Phase-3-Studie

Diese einmalige Tumorzell-spezifische Aktivität von Isoprenoiden könnte, so C. C. Elson von der University of Wisconsin und D. M. Peffley von der University of Health Science in Kansas City, Missouri, bald ihren Einsatz in der Tumortherapie erlauben, ein Einsatz, der mit dem von Zytostatika wetteifern kann, allerdings ohne deren Nebenwirkungen zu haben. In den USA befindet sich Limonen in der Phase3 einer groß angelegten Tumorstudie.

Natürliche Idealmischungen

Elson wies darauf hin, dass einzelne Isoprenoide, wie etwa das Paclitaxel oder Betulinsäure, starke Antitumor-Aktivitäten besitzen. In einer pflanzenreichen Diät könne aber erst die Summe aller isoprenoiden Verbindungen den gewünschten chemopräventiven Effekt bewirken.

Inwieweit man diese Ergebnisse auf die Aromatherapie interpolieren könne, ließ K. Schnaubelt, San Francisco, der Organisator der Aromatherapie-Konferenz, offen, "immerhin sei sie eine erwägenswerte und viel versprechende Perspektive, stellen ätherische Öle doch eine konzentrierte Idealmischung solcher wirksamen Terpenoide dar".

Behandlung von Bestrahlungsschäden

Auch die komplementäre Behandlung von Krebspatienten mit Isoprenoiden kam auf der Tagung nicht zu kurz. Bei der Behandlung von Hautschäden infolge Bestrahlung und von Narben bewähren sich statt der üblichen topischen Cortisonbehandlung Chamazulen-haltige Öle, verdünntes Lavendelöl oder Aloe-vera-Suspensionen. (Von ähnlich positiven Erfahrungen mit Lavendelöl pur oder einer Mischung von 80 ml Johanniskrautöl, 20 ml Aloe vera, 20 Tr. Sanddornöl, 35 Tr. Lavendelöl, 25 Tr. Niaouliöl war in der letzten Ausgabe von Forum Essenzia berichtet worden.)

Die starke Müdigkeit, die häufig nach Bestrahlungen auftritt, wurde teils mit anregenden Ölen zur Wachzeit, teils mit beruhigenden Ölen zur Vertiefung des Schlafs aufgefangen. Reaktive Depressionen, oft eine Folge nicht akzeptierter Müdigkeit, konnten so besser vermieden werden.

Aromen zur Stärkung des Immunsystems

In einer Krankenhausatmosphäre, wo der Krebs mit "starken Geschützen bekämpft" wird, tut es den Patienten besonders gut, mit einschmeichelnden und die Psyche erhellenden Düften gepflegt zu werden. Gleichzeitig kann mit entsprechenden Aromen auch das Immunsystem stimuliert werden.

Ängste, Hoffnungslosigkeit, mentaler Stress, Hilflosigkeit und Isolation im Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt kennt man heute als Faktoren, die eine Immunantwort im Körper mindern können. Nur im psycho-emotionalen Gleichgewicht kann der Körper dem Krebs entgegenwirken und die onkologischen Therapien unterstützen. Hier können ätherische Öle, vor allem wenn sie im Rahmen einer persönlichen Zuwendung angewendet werden, große Effekte erzielen (s. Kasten).

Bei Übelkeit und Appetitlosigkeit - häufige Begleitsymptome der Chemotherapie - werden gern Ingweröl, Pfefferminz- oder Fenchelöl inhalativ oder auch als Massage appliziert. Mundspülungen mit Aloe-vera-Gel mit einigen Tropfen kanadischem Gelbwurzelöl (Hydrastis canadensis) bewähren sich bei Mundschleimhautentzündungen, und auch innerlich bei von der Chemotherapie angegriffenen Magen-Darm-Schleimhäuten.

Die Aromatherapie gehört heute schon in vielen Krankenhäusern und Hospizen in den USA, in England, Australien und Neuseeland zum festen Bestandteil der integrativen Pflege von Krebskranken und Sterbenden.

Weniger Analgetika, mehr Entspannung

Hospiztherapeuten berichteten, dass die Patienten im terminalen Stadium meistens wünschen, möglichst viel bei Bewusstsein zu sein. Sehr oft erlauben aber die hohen Analgetikadosen nur ein Dahindämmern des schmerzgeplagten Patienten. Auch hier zeigt die Erfahrung, dass geeignete Öle - im Diffuser oder in zuwendender Massage appliziert - den Analgetikaverbrauch senken können und eine bessere Balance zwischen Wachbewusstsein und Dahindämmern schaffen.

Ätherische Öle vermögen "Licht" in das Dunkel und die Verzweiflung der Krankheit zu bringen, war vielen Erfahrungsberichten entnehmen: Die Öle von Eucalyptus citriodora (=E.radiata) und Grapefruit (Citrus paradisi) wurden als ganz besondere "Lichtträger" empfohlen, daneben auch vor allem Blütenöle wie Neroli, Lavendel, Rose, Jasmin oder Ylang-Ylang (Cananga odorata). Viele der so genannten "alten" Gerüche, wie Weihrauch, Helichrysum (H. italicum), Elemi (Canarium commune), Galbanum (Ferula galbaniflua) oder Speiknarde (Nardostachys jatamansi), können in Verbindung mit Tiefenatmung die Entspannung, eine bessere Sauerstoffversorgung und eine Konzentration auf das Wesentliche unterstützen.

Kastentext: Ätherische Öle in der Behandlung von Krebspatienten

Bewährte Öle zur topischen Narben- und Strahlenbehandlung: Helichrysum (H. italicum), Artemisia arborescens, Blue Tansy (Tanacetum annuum), Kamille (Chamomilla recutita)

Stimulierende Öle bei Müdigkeit: Rosmarin (R. officinalis), Pfefferminze (Mentha piperita), Basilikum (Ocimum basilicum)

Öle zur Entspannung und Stressminderung: Römische Kamille (Anthemis nobilis), Weihrauch (Boswellia carteri), Neroli (Citrus aurantium), Lavendel (Lavandula angustifolia), Majoran (Origanum majorana), Rose (Rosa damascena), Geranium (Pelargonium graveolens), Sandelholz (Santalum album)

Antiinfektiöse und immunstimulierende Öle (um Antibiotika zu umgehen): Teebaum (Melaleuca alternifolia), Speiklavendel (L. spica), Eucalyptus (E. globulus, E. radiata, E. dives), Niaouli (Melaleuca viridiflora), Cajeput (Melaleuca leucadendra), Ravensara (R. aromatica), Rosmarin (Chemotyp Verbenon)

Öle gegen den Brechreiz: Ingwer (Zingiber officinalis), Pfefferminze, Fenchel (Foeniculum vulgare)

Bei durch opioide Analgetika bedingter Obstipation: Ingwer, Pfefferminze, Zitrone (Citrus limon), Pfeffer (Piper nigrum) zur Massage, Inhalation oder auf angewärmte Ricinusölkompressen auf den Bauch träufeln

Angst- und atmungserleichternde Öle (besonders bei Patienten im terminalen Stadium): Weihrauch, Tanne (Abies alba), Lavendel, Zypresse (Cupressus sempervirens), Ravensara, Speiknarde (Nardostachys jatamansi)

Schmerzlindernde Öle: Pfefferminze, Lavendel, Majoran, Römische Kamille

Literatur C. E. Elson, D. M. Peffley, P. Hentosh, H. Mo: Proc. Soc. Exp. Biol. Med. 221, 294-311 (1999). D. Bigga: Mit ätherischen Ölen gegen Nachwirkungen der Bestrahlungs- therapie. Forum Essenzia, Heft 18: Kamille (2000).

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