Berichte

Forum Essenzia: Aromatherapie, Aromapflege, Aromakultur

Ernsthaft und mit der nötigen Fachkenntnis betrieben, muss sich die Aromatherapie längst nicht mehr in die Esoterik-Ecke abdrängen lassen. Denn immer tiefer geht unser Verständnis um die Zusammenhänge von Duft, Riechen und physiologischen Wirkungen. Diese Wirkungen kann man sich auf vielfältige Weise nutzbar machen. Über neueste Forschungen, Entwicklungen und Erfahrungen auf diesem Gebiet berichteten Wissenschaftler und Fachleute aus dem In- und Ausland auf dem 3. Sommer-Symposium von Forum Essenzia, dem Verein für Förderung, Schutz und Verbreitung der Aromatherapie und Aromapflege, das am 8. und 9. Juni im Münchner Botanischen Institut stattfand.

Alle drei Jahre wieder weiß Prof. Dr. Hanns Hatt, Zellphysiologe an der Ruhr-Universität Bochum und Präsident der Internationalen Vereinigung der Riech- und Geschmacksforscher, von Neuheiten aus seinem Forschungsgebiet zu berichten. Der Geruchssinn als chemischer Sinn (das Übertragungsmedium sind chemische Moleküle) gehört phylogenetisch zu den ältesten Sinnessystemen.

Gerüche greifen auf vielfältige Weise in das Leben von Tieren und Menschen ein: Sie dienen der Nahrungssuche und dem Nahrungsgenuss – erst im Zusammenspiel von Schmecken und Riechen erleben wir vollen Genuss –, der Warnung, der Orientierung, sie steuern das Sexualverhalten, beeinflussen Stimmung und Emotionen und den Hormonhaushalt.

Riechrezeptoren: größte Genfamilie

Die Komplexität und extreme Spezifität des Geruchssinns – Hatt verglich ihn mit dem Immunsystem – war einer der Gründe für das lange Wissensdefizit. Aber durch die Fortschritte in der Molekularbiologie, Bio- und Gentechnologie und Elektrophysiologie gelang der entscheidende Durchbruch der Erkenntnis, wie es möglich ist, Tausende verschiedener Gerüche noch in kleinsten Mengen wahrzunehmen und zu unterscheiden.

Wesentlich trugen die Daten des nun analysierten menschlichen Genoms dazu bei. Dadurch konnten die entscheidenden molekularen Komponenten der Geruchswahrnehmung in der Nase, die Riechrezeptorproteine, komplett erfasst und erste Einblicke in die komplexe Welt der Duftwahrnehmung mit ihrer enormen Leistungsfähigkeit auf molekularer Ebene erhalten werden. Gene für Riechrezeptoren wurden beim Menschen auf vielen Chromosomen gefunden. Sie codieren für etwa 1000 Riechrezeptorproteine und sind die größte Genfamilie im menschlichen Genom überhaupt. Auch daran wird klar, wie wichtig der Geruchssinn für den Menschen ist.

Forschungsziel künstliche Nase

Heute kennt man die Wege und Transduktionskaskaden eines Duftreizes, den ein Molekül am Riechrezeptor und auf den anschließenden Riechnervenbahnen bis zum Gehirn auslöst. Kaskadenartige elektrische Verstärkungsmechanismen sind die Basis, dass Gerüche schon in geringsten Konzentrationen wahrgenommen werden können.

Die neueste Forschung befasst sich nun damit, wie und warum ein bestimmter Duft als angenehm oder unangenehm empfunden wird. Ferne Forschungsziele sind aber auch, mithilfe gentechnologisch hergestellter Riechzellen oder Cokulturen aus Riechepithel- und Riechhirnzellen einmal künstliche Nasen zu entwickeln. Duftempfindliche Mininasen aus nur kleinen Zellverbänden sind schon erste Etappenerfolge.

Aromapflege im Krankenhaus

Wenn in einer öffentlichen Einrichtung wie dem Landeskrankenhaus Bregenz nach einer gelungenen Pilotstudie auf einzelnen Stationen die Phyto-Aromapflege als offizieller Teil der Krankenpflege akzeptiert und eingeführt wird, wenn 170 Pflegepersonen dieses Krankenhauses mit öffentlichen Mitteln eine Ausbildung in Aromapflege absolvieren dürfen und der Pflegemitteletat für die Anschaffung naturreiner Öle entsprechend umgeschichtet wird, dann spricht dies nicht nur für eine aufgeschlossene Krankenhausleitung, sondern vor allem für die Aromapflege.

Die Aromapflege, die nicht mit der Aromatherapie im engeren Sinne zu verwechseln ist, umfasst z. B. die Dekubitusbehandlung mit heilungsfördernden Ätherisch-Öl-Mischungen, die Pneumonieprophylaxe mit atemanaleptischen Ölen oder die gezielte Zuwendung mit duftenden Waschungen und Wickeln. Zwischen Desinfektionsmitteln und Fäkaliengeruch eine Atmosphäre des Wohlbefindens zu schaffen, die oft heilungsfördernder sein kann als manch starkes Medikament, das hat man sich in Bregenz zum Ziel gesetzt. Mit Erfolg und hoffentlich Vorbildwirkung, wie man bereits hören konnte.

Übrigens wurde 1997 in einer Gesetzesnovelle in Österreich die Berufsbezeichnung auf "Gesundheits- und Krankenschwester" erweitert.

Aromapflege in der Hightech-Medizin

Auch am Uniklinikum Ulm wird seit mehreren Jahren Aromapflege erfolgreich betrieben und von der Klinikleitung gefördert. Martina Wölfl von der gynäkologischen Intensivstation (Onkologie und Problemschwangerschaften) betonte, dass es gerade in einer Atmosphäre von Hightech-Medizin immer wichtiger wird, den PatientInnen eine persönlich orientierte Pflege angedeihen zu lassen.

Richtig ausgewählte Öle im Rahmen einer Fußreflexzonenmassage oder einer atemstimulierenden Rückenmassage vermögen selbst beim verzagten Patienten das Wohlbefinden zu steigern und die angeschlagene Psyche und das Vertrauen zum Pflegepersonal zu stärken.

Wenn Abführmittel versagen oder nach schweren Operationen zu schmerzhaft wirken, führen feuchtwarme Kompressen oder eine Bauchmassage mit einigen Tropfen Angelika- und Ingweröl sanft zum gewünschten Erfolg. Gute Erfahrungen beim Wundliegen hat man in Ulm mit Ätherisch-Öl-Mischungen aus Zeder, Geranie oder Lavendel in einem Trägeröl gemacht. Eine Hand-, Fuß- oder Schultermassage mit Bergamotteöl tröstet manche Ängstlichen auf dem Weg zum Tomographen oder zur Operation, Zedernöl spendet Durchhaltekraft, Rosenölduft kann manchmal Sterbenden und ihren Angehörigen den Abschied erleichtern.

Die positive Resonanz der Patienten konnte in Ulm selbst hartnäckige Skeptiker in der Klinikleitung überzeugen. Heute bekommt das Personal die nötigen Schulungen zu diesem Themenbereich im Rahmen der offiziellen innerbetrieblichen Fortbildung.

Aromatogramme bei besonders hartnäckigen Infektionen

Von anderen, aber auch verblüffenden Erfahrungen berichtete Apothekerin Dorothea Hamm aus Karlsruhe. Anknüpfend an französische Forschungsergebnisse, in denen bestimmte ätherische Öle als besonders wirksam bei hartnäckigen und Antibiotika-resistenten Infektionen im Urogenital- und Vaginalbereich erkannt wurden, hat sie in den vergangenen Jahren mit Ärzten eines Karlsruher Untersuchungslabors ein spezielles Screeningsystem für ätherische Öle entwickelt.

Im Aromatogramm (ähnlich einem Antibiogramm) wird die Hemmwirkung von ätherischen Ölen auf pathologische Keime untersucht. In Aromabatterien werden ähnlich wirkende Öle gemeinsam getestet. Die Wirkung der verwendeten Öle beruht einerseits auf ihrer antibakteriellen und antimykotischen Aktivität, andererseits auf ihrer Fähigkeit, das Immunsystem zu stimulieren.

Die behandelnden Ärzte werden auch von der Apotheke über die Anwendungsmöglichkeiten beraten. Bei der kombinierten Anwendung werden die Öle lokal in (Vaginal-)Zäpfchen oder Salben und oral in Kapseln oder Tropfen appliziert. Besonders bewährt hat sich diese kombinierte Anwendung bei manchmal schon austherapierten Candida-Infektionen oder Harnwegsinfekten mit Escherichia oder Staphylokokken, aber auch bei Sinusitis, Pharyngitis oder Hauterkrankungen und vor allem in der Kinderpraxis. Potente Öle sind z. B. Cajeput, Ravensara, Thymian, Manuka, Lavendel, Syzygium, Eucalyptus oder Citrus. Zum Teil werden solche Behandlungen auch mit Antibiotika kombiniert.

Rentable Herstellung auch für heimische ätherische Öle

Ein Hauptthema des diesjährigen Symposiums waren "heimische ätherische Öle". In Deutschland hat sich der feldmäßige Heil- und Gewürzpflanzenanbau zu einer realen Marktnische mit einem Schwerpunkt in Bayern entwickelt. Als weitere landwirtschaftliche Erwerbsquelle bietet sich die Produktion ätherischer Öle aus Frischpflanzen mithilfe der Wasserdampfdestillation an.

Während der achtjährigen Laufzeit eines speziellen Forschungsprojektes zu dieser Thematik an der Bayerischen Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau (LBP) in Freising-Weihenstephan ist es gelungen, ein optimiertes, allgemein verfügbares Verfahren zur Wasserdampfdestillation heimischer Ätherisch-Öl-Pflanzen zu entwickeln. Prof. Dr. U. Bomme, Landwirtschaftsdirektor der LBP, berichtete von den qualitativ hochwertigen – da die Destillationszeiten wesentlich verkürzt werden konnten – und quantitativ stark verbesserten Ölausbeuten bei Pfefferminze, Zitronenmelisse, Angelika, Schafgarbe oder Baldrian mithilfe dieser neuen Technik (siehe folgenden Bericht).

Aromakultur notwendig

In der Kosmetikindustrie werden bekanntlich enorme Mengen an Duftölen für Kosmetika und Parfüms verbraucht. Wie weit wir aber, ohne es zu merken und zu wollen, laufend nicht unbeträchtlichen Mengen an ätherischen Ölen ausgesetzt sind, ist den wenigsten Menschen klar. So setzt die Nahrungsmittelindustrie dem Junk- oder Fastfood natürliche oder synthetische Duftstoffe zu unserer Täuschung zu. Auch zur Herstellung von Cola-Getränken werden jährlich weltweit viele Hunderte Tonnen ätherischer Öle verarbeitet.

Nicht zuletzt haben 1500 pharmazeutische Präparate in Deutschland Zusätze von ätherischen Ölen. Die Manipulation mit Aromen und Düften hat im Marketing einen hohen Stellenwert.

Über den versteckten, teils inflationären Umgang mit ätherischen Ölen klärte Dr. Erwin Häringer, niedergelassener Arzt in München, anhand von zahlreichen Beispielen auf. Gleichzeitig plädierte er dafür, dass eine selbstverordnete Beschränkung, eine "Aromakultur" notwendig sei, um die Wirksamkeit der Aromatherapie und Aromapflege bei medizinischen Indikationen nicht aufs Spiel zu setzen.

Mehr Information zu den Themen unter: www.forum-essenzia.com

R. Seitz

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