Arzneimittel und Therapie

Onkologie: Neue Therapieoptionen beim Mamma-, Prostata- und Lungenkarzinom

Die Therapie eines Mammakarzinoms hängt von vielen Faktoren ab wie z. B. dem Alter, Rezeptor- und Hormonstatus, Histologie, Malignitätsgrad, Tumorgröße und Lymphknotenbefall. Je nach Prognose wird nach der Operation eine Strahlen-, Chemo- oder Hormontherapie durchgeführt. Bei günstiger und intramediärer Prognose wird bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren therapeutisch versucht, Östrogenproduktion und Östrogenaktion zu unterbinden.

Die Östrogenbildung kann durch Antiöstrogene, Aromatasehemmer, GnRH-Analoga und Gestagene unterbunden werden. Zur Zeit wird in der Postmenopause zuerst Tamoxifen und dann (d. h. bei Nichtanprechen der Therapie) ein Aromataseinhibitor eingesetzt. Möglicherweise ändert sich nun dieses therapeutische Vorgehen, und man wird zuerst den Aromataseinhibitor und dann im Bedarfsfall Tamoxifen einsetzen. Dies hat mehrere Gründe: Aromataseinhibitoren haben keine Wirkung auf die Gebärmutterschleimhaut, verfügen über weniger endokrine Effekte (Schwitzen, Übelkeit, Hitzegefühl) und verursachen seltener Thrombosen. Die Wirksamkeit von Aromateseinhibitoren wurde mehrfach nachgewiesen; in neueren Studien wird ihre Anwendung in der First-Line-Therapie untersucht.

Anastrozol in der First-Line-Therapie

Anastrozol ist ein selektiver Aromatasehemmer, der bereits in der Second-Line-Behandlung des Mammakarzinoms Anwendung findet. Neu ist sein Einsatz in der First-Line-Therapie. Dieser Zulassung gingen u. a. Studien voraus, in denen gezeigt werden konnte, dass im Vergleich zu Tamoxifen unter einer Anastrozoltherapie das Fortschreiten der Erkrankung (Time to Progression; TTP) um vier Monate verzögert werden konnte. Ferner wurde in einer weiteren Studie unter einer First-Line-Behandlung mit Anastrozol im Vergleich zu Tamoxifen ein signifikanter Überlebensvorteil festgestellt.

Mammakarzinom - Zeit für neue Standards?

Der Stellenwert von Anastrozol in der adjuvanten Therapie wird in Kürze genauer definiert werden können, da dann die Ergebnisse der ATAC-(Arimidex, Tamoxifen Alone or in Combination) Studie vorliegen (siehe nachfolgenden Artikel). In dieser Studie werden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Anastrozol bei postmenopausalen Patientinnen mit invasivem Brustkrebs geprüft. Für diese Untersuchung wurden 9335 Teilnehmerinnen ausgewählt, die randomisiert Anastrozol, Tamoxifen oder eine Kombination aus beiden Anti-östrogenen erhalten hatten. Die Therapiedauer beträgt fünf Jahre; Studienziele sind die rezidivfreie Überlebenszeit, Verträglichkeit und die Gesamtüberlebenszeit. Sollten sich auch hier Vorteile für Anastrozol zeigen, könnte sich der jetzige Therapiestandard (Tamoxifen als Mittel der Wahl und dann erst ein Aromatasehemmer) ändern, und Aromatasehemmer werden bevorzugt eingesetzt werden.

Prostatakarzinom - frühe adjuvante Hormontherapie sinnvoll

Lokal begrenzte Prostatakarzinome können zu einem hohen Prozentsatz durch eine Operation geheilt werden. Bei einem Teil der Patienten kommt es allerdings nach vermeintlicher kurativer Therapie wieder zu einem erneuten Tumorwachstum, das sich zuerst in einem Anstieg des PSA-Wertes äußert. Besteht ein erhöhtes Progressionsrisiko oder lehnt der Patient ein Watchful Waiting ab und wünscht eine aktive Therapie, ist ein adjuvanter Einsatz von Hormon- und Strahlentherapien zu erwägen. Durch die Hormontherapie mit Antiandrogenen soll das hormonabhängige Tumorzellwachstum gehemmt werden. Der Nutzen einer solchen Therapie bei lokal begrenztem und lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom konnte in einer umfangreichen Studie bestätigt werden.

EPC-Studie bestätigt den Nutzen einer adjuvanten Hormontherapie

Bei der EPC-Studie (Early Prostate Cancer Studie) erhielten 8113 Patienten mit lokal begrenztem oder lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom zusätzlich zur Standardtherapie (Watchful Waiting, radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie) einmal täglich 150 mg Bicalutamid (Casodex). Der Beobachtungszeitraum betrug drei Jahre. Im Vergleich zur Standardtherapie konnte unter Bicalutamid das Risiko einer Tumorprogression um 42% gesenkt werden. Darüber hinaus reduzierte Bicalutamid das Risiko der Entstehung von Knochenmetastasen um 33% und das Risiko einer PSA-Progression um 59%. Wie zu erwarten war, traten relativ häufig Brustschmerzen und Gynäkomastien auf. In Anbetracht dieser Studienergebnisse zeigt eine adjuvante Therapie mit Bicalutamid deutliche Vorteile. Eine vorherige Bestrahlung der Brustdrüse könnte sinnvoll sein, um die Häufigkeit von Gynäkomastien zu verringern.

Bronchialkarzinom - molekularbiologischer Therapieansatz

Die Überlebensraten bei einem nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) sind nach wie vor äußerst gering, sodass nach neuen Therapiemöglichkeiten gesucht wird. Ein tiefergehendes Verständnis der zugrunde liegenden pathophysiologischen Vorgänge ermöglicht die Entwicklung selektiv wirksamer Therapeutika. Dazu gehören unter anderem EGF-R-Tyrosin-Kinase- Hemmer, da insbesondere beim Bronchialkarzinom eine hohe EGF-R-Expression besteht (EGF-R = epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor). Wird die Weiterleitung von Wachstumssignalen durch diesen Rezeptor nun selektiv durch eine Blockade der mit ihm assoziierten Tyrosin-Kinase gehemmt, wird auch der Kreislauf von Proliferation und Metastasierung unterbrochen und eine Apoptose der Tumorzellen induziert. Nach diesem Prinzip funktioniert auch ZD 1839 (geplanter Handelsname: Iressa), ein oral verfügbarer, selektiver EGF-R-Tyrosin-Kinase-Inhibitor (EGF-R-TKI.) Er schaltet spezifisch die Tyrosin-Kinase des EGF-Rezeptors aus. Dadurch wird die intrazelluläre Signaltransduktionskaskade gestört, die zum Tumorzellwachstum und Tumorzellüberleben führt. Da Rezeptoren für EGF bei vielen soliden Tumoren wie z. B. Bronchial-, Lungen-, Mamma-, Ovarial- und Kolonrektumkarzinom vorkommen, bietet sich für EGF-R-Tyrosin-Kinase-Hemmer möglicherweise ein breites Anwendungsgebiet.

Erste Studien mit Iressa

Für den EGF-R-TKI Iressa liegen bereits einige klinische Daten vor. Nachdem in Phase-I-Studien eine Wirksamkeit beim NSCLC festgestellt wurde, wird die Substanz in Phase-II- und Phase-III-Studien weiter untersucht. Für die Phase-II-Studie IDEAL (Iressa Dose Evaluation in Advanced Lung Cancer) mit 208 Patienten liegen bereits Ergebnisse vor: Dabei zeigte sich, dass bereits vortherapierte Patienten, die nun aber therapierefraktär waren, auf Iressa ansprachen, was in über 50% zu einer Krankheitsstabilisierung führte. Die Gesamtansprechrate betrug 18,7%; die Zeit bis zur Symptomverbesserung lag bei acht Tagen, das mediane progressionsfreie Überleben betrug 84 Tage. Die unerwünschten Wirkungen wurden als mild bis moderat eingestuft; dies ist besonders beachtenswert, da die üblichen Therapiestandards beim NSCLC gravierende Nebenwirkungen verursachen. Gegenwärtig laufen zwei große plazebokontrollierte Phase-III-Studien zur First-Line-Behandlung des fortgeschrittenen NSCLC mit Iressa in zwei Dosierungen plus Gemcitabin/Cisplatin bzw. Paclitaxel/Carboplatin. Der primäre Endpunkt dieser Studien ist die Überlebenszeit.

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Hormon-Therapie des Mammakarzinoms (bei positivem Rezeptorstatus)

1. Antiöstrogene Tamoxifen SERM (Raloxifen: für diese Indikation allerdings noch keine Zulassung) 2. Aromataseinhibitoren steroidal: Formestan und Exemestan nicht steroidal: Aminoglutethimid (nicht selektiv), Letrozol, Anastrozol 3. GnRH-Analoga 4. Gestagene

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Aromatasehemmer der 3. Generation

Charakterisierung:

  • moderates Nebenwirkungsspektrum
  • ausgeprägte periphere Senkung des Östrogenspiegels
  • Wirkung auf intratumorale Aromatase
  • Überlegenheit gegenüber Gestagenen in der Second-Line Therapie bewiesen

Beispiele:

  • Exemestan (Aromasin)
  • Letrozol (Femara)
  • Anastrozol (Arimidex)
  • Fadrozol (in Deutschland nicht im Handel)
  • Vorozol (in Deutschland nicht im Handel)

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Ein Erfolg der Früherkennung:

1985 70% 1997 36% 2000 24% 2010 1% (?) Die Zahl der primär metastasierenden Prostatakarzinome nimmt ab.

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Fakten und Zahlen zum Lungenkarzinom

Die Inzidenz des Lungenkarzinoms steigt weltweit an.

  • Das Lungenkarzinom zählt bei Frauen und Männern zu den häufigsten Ursachen tumorbedingter Todesfälle.
  • Histologisch unterscheidet man vier Arten von Lungenkrebs: das großzellige Karzinom (10%), das squamöse Karzinom (25%) und das Adenokarzinom (30%) - diese werden unter dem Begriff nicht kleinzelliges Karzinom zusammengefasst - und das kleinzellige Karzinom (20%).
  • Nicht kleinzellige Karzinome wachsen etwas langsamer als kleinzellige Karzinome, die rasch wachsen und schnell metastasieren.
  • Prognose: kleinzelliges Lungenkarzinom unbehandelt zwei bis vier Monate; mit Behandlung bei limitierter Erkrankung sechs bis 12 Monate. Ist die Krankheit ausgedehnt, liegen die Überlebensraten bei 5 bis 10%.
  • Das 5-Jahres-Überleben für das Lungenkarzinom in allen Stadien beträgt rund 15%.
  • Gegenwärtig besteht wenig Grund zur Annahme, dass ein Screening für Lungenkrebs die Mortalitätsrate reduzieren könnte.
  • Zwischen 78% und 90% aller Lungenkarzinome sind auf das Rauchen zurückzuführen.

Ouelle Prof. Dr. Walter Jonat, Kiel, Prof. Dr. Kurt Miller, Berlin, und Dr. Ulrich Gatzemeier, Großhansdorf, TopKolleg Medien "Neue Hoffnung für Patienten mit Krebs", 13. November 2001, Wedel, veranstaltet von AstraZeneca.

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