Arzneimittel und Therapie

Kardiologie: Angiotensin-II-Antagonisten auf Standortsuche

In Stockholm tagten die europäischen Kardiologen - zum 23. Mal. Ein Schwerpunkt waren die Angiotensin-II-Antagonisten. Bislang vor allem Ausweichmedikamente für Hypertoniker bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit, suchen sie nun einen eigenständigen Platz im Therapieregime kardiovaskulärer Erkrankungen. Entsprechend interessant ist die Studienlage.

In der Kardiologie steht das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) nach wie vor im Mittelpunkt des Interesses. Und das aus gutem Grund. Konnten doch die ACE-Hemmer in zahlreichen Studien klar nachweisen, dass sie nicht nur einen erhöhten Blutdruck effektiv senken, sondern auch der gefährlichen linksventrikulären Hypertrophie (LVH) entgegenwirken.

Ramipril wirkt auch gegen Arteriosklerose

In der HOPE(Heart Outcomes Prevention Evaluation)-Studie schließlich konnte der ACE-Hemmer Ramipril auch seine antiarteriosklerotische Wirkung unter Beweis stellen. Er reduzierte die Häufigkeit von Myokardinfarkt, Schlaganfall und peripherer Verschlusskrankheit bei über 9000 arteriosklerotischen Hochrisikopatienten um 37 Prozent. Am meisten profitierten Hypertoniker mit einem deutlich erhöhten Blutdruck.

Mit der Blutdrucksenkung allein lässt sich der kardioprotektive Effekt jedoch kaum hinreichend erklären. Der ACE-Hemmer, so die naheliegende Vermutung, beeinflusst nicht nur das zirkulierende Renin-Angiotensin-System, sondern reichert sich zusätzlich in arteriosklerotischen Plaques an und inhibiert das plaqueständige Renin-Angiotensin-System. Die lokale Biosynthese von Angiotensin II, das entzündungsfördernd ist und das Risiko einer Plaqueruptur erhöht, wird eingebremst. Damit reduziert sich auch das Risiko tödlicher isch- ämischer Gefäßerkrankungen.

Angiotensin-II-Antagonisten beeinflussen Bradykininsystem nicht

Neben den ACE-Hemmern greifen auch die Angiotensin-II-Antagonisten in das RAAS ein. Sie setzen direkt am Angiotensin-II-Rezeptor an und haben dadurch keinen Einfluss auf das Bradykininsystem. Ihr großer Vorteil: Sie verursachen keinen Reizhusten. Zudem, so die Meinung vieler Experten, können auch im Hinblick auf die eher mäßigen Responderraten in der Monotherapie der Hypertonie zusätzliche Therapieoptionen nur von Vorteil sein.

Ob Angiotensin-II-Antagonisten mit den ACE-Hemmern in ihrer Wirksamkeit gleichziehen können, ob sich möglicherweise zusätzliche Therapieoptionen ergeben oder auch ob eventuell die Kombination von ACE-Hemmer plus Angiotensin-II-Antagonist Vorteile bringt, ist Gegenstand zahlreicher aktueller Studien.

ONTARGET: Was bringt die Kombination?

Ob ACE-Hemmer plus Angiotensin-II-Antagonist dem Patienten mehr Schutz vor kardiovaskulären Ereignissen bietet als der Angiotensin-II-Antagonist Telmisartan allein, untersucht die ONTARGET(Ongoing Telmisartan Alone and in combination with Ramipril Global Endpoint Trial)-Studie.

Bei manchen Patienten sind die Angiotensin-Spiegel auch unter ACE-Hemmer-Therapie noch hoch. Dafür verantwortlich gemacht wird ein negativer Feedback-Mechanismus: Sinkt die Produktion von Angiotensin II, steigen sozusagen gegenregulatorisch die Reninspiegel an. Die Kombination könnte hier Vorteile bringen. Von der ONTARGET-Studie wird aber auch noch mehr Aufschluss darüber erwartet, wie die Ergebnisse der HOPE-Studie (s. o.) zu interpretieren sind und ob Telmisartan allein ähnlich positive Effekte zeigt wie Ramipril.

Candesartan gegen linksventrikuläre Hypertrophie

Die CATCH(Candesartan Assessment in the treatment of cardiac Hypertrophie)-Studie ging der Frage nach, ob Candesartan die linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) ähnlich positiv beeinflusst wie Enalapril. Die LVH gilt als unabhängiger Risikofaktor nicht nur der Herzinsuffizienz, sondern auch der koronaren Herzkrankheit (KHK), des plötzlichen Herztods und sogar des Schlaganfalls.

Von einer Regression der Hypertrophie profitieren die Patienten enorm. Lässt sich medikamentös eine Normalisierung des Herzmuskels erreichen, geht das Risiko einer kardiovaskulären Erkrankung deutlich zurück. Metaanalysen zeigen, dass derzeit mit ACE-Hemmern die besten Ergebnisse erreicht werden. Dagegen ist über den Einfluss von Angiotensin-II-Antagonisten auf die linksventrikuläre Hypertrophie wenig bekannt.

Die CATCH(Candesartan Assessment in the treatment of cardiac Hypertrophie)-Studie prüfte nun an 239 Patienten mit essenzieller Hypertonie und linksventrikulärer Hypertrophie prospektiv den Effekt des ACE-Hemmers Enalapril (10 mg/d) und des Angiotensin-II-Antagonisten Candesartan (8 mg/d) auf Blutdruck und Herzmuskel über 48 Wochen. Beide Medikamente senkten den systolischen und den diastolischen Blutdruck vergleichbar gut. Beide Medikamente bekämpften aber auch die mit Echokardiographie bestimmte linksventrikuläre Hypertrophie ähnlich gut. So wurde unter Candesartan bei 36 Prozent, unter Enalapril bei 30 Prozent eine komplette Regression erreicht und damit letztlich auch das Risiko einer kardiovaskulären Erkrankung klar gesenkt. Der Angiotensin-II-Antagonist ist damit ebenso effektiv wie der ACE-Hemmer.

Kastentext: MITRA

Was ist nach einem akuten Myokardinfarkt zu tun? Die Empfehlungen von Europäische Gesellschaft für Kardiologie und American Heart Association sind eindeutig: Reperfusionstherapie (Thrombolyse oder akute PTCA), Acetylsalicylsäure, Betablocker und ACE-Inhibitoren. Doch die Realität in Deutschland sieht anders aus. Sehr zum Nachteil für die Patienten, denn dass eine optimale Therapie die Prognose für den Patienten bessert, macht die MITRA(Maximal Individual TheRapy in Acute myocardial infarction)-Studie deutlich: 54 Krankenhäuser erfassten zunächst das aktuelle Therapieregime beim akuten Herzinfarkt. In den zwei darauffolgenden Jahren musste die Behandlung bei Herzinfarkt, insbesondere die Medikation sowie eventuelle Kontraindikationen, genau dokumentiert werden.

Innerhalb der Studienzeit, in der 6067 Probanden erfasst wurden, erhöhte sich der Einsatz aller vier empfohlenen Medikamente, insbesondere der bis dato stiefmütterlich behandelten Betablocker (Anstieg von 33,2% auf 61,6%) und ACE-Hemmer (Anstieg von 16,3% auf 62,9%): Die bessere Versorgung schlug sich direkt auf die Mortalität nieder: Etwa 20 Prozent weniger Patienten starben im Krankenhaus. Die Gesamtmortalität (Beobachtungszeitraum 18 Monate) reduzierte sich um 17 Prozent. Fazit: Es lohnt sich, Richtlinien in die Praxis umzusetzen.

Quellen Enrico A. Rosei, Brescia, Heribert Schunkert, Regensburg; Satellitensymposium "Rethinking cardiovascular disease management targets", 23. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie, Stockholm, 1. bis 5. September 2001, veranstaltet von Takeda. Th. Unger, Berlin, H. Drexler, Hannover, R. Fagard, Leuven, M. A. Weber, New York; Satellitensymposium "Ontarget - a challenging target for an outcome trial", 23. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie, Stockholm, 1. bis 5. September 2001, veranstaltet von Boehringer Ingelheim und GlaxoSmithKline.

Ein Schwerpunkt der Tagung der europäischen Kardiologen in Stockholm waren die Angiotensin-II-Antagonisten. Bislang vor allem Ausweichmedikamente für Hypertoniker bei ACE-Hemmer-Unverträglichkeit, suchen sie nun einen eigenständigen Platz im Therapieregime kardiovaskulärer Erkrankungen. Entsprechend interessant ist die Studienlage.

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