Arzneimittel und Therapie

Erhöhtes Krebsrisiko unter Sartanen?

Einer soeben erschienen Metaanalyse zufolge scheinen Sartane das Krebsrisiko geringfügig zu erhöhen. Da die Patienten überwiegend mit Telmisartan (Micardis®, Kinzalmono®) behandelt worden waren, lastet der Verdacht in besonderem Maße auf diesem Angiotensin-II-Rezeptorblocker. Der Hersteller Boehringer Ingelheim sieht keine Gefahr. Eine interne Sicherheitsanalyse zeige kein erhöhtes Risiko für maligne Erkrankungen unter Telmisartan.

Der Einsatz von Angiotensin-II-Rezeptorblockern ist weit verbreitet. Sie sind indiziert zur Behandlung der Hypertonie, Herzinsuffizienz und diabetischen Nephropathie und sollen darüber hinaus kardiovaskuläre Risiken wie Herzinfarkt und Schlaganfall reduzieren.

Experimentellen Studien zufolge sind das Renin-Angiotensin-System und damit Angiotensin-I- und -II-Rezeptoren an der Regulation der Zellproliferation, Angiogenese und Tumorprogression beteiligt. Daher ist es naheliegend, ein Augenmerk auf Tumorerkrankungen unter einer Behandlung von Angiotensin-II-Rezeptorblocker zu legen.

Als im Jahr 2003 in der CHARM-Studie eine erhöhte Krebsmortalität unter Candesartan aufgefallen war, ging man noch von einem Zufallsergebnis aus. Nun liegen die Ergebnisse einer Metanalyse von neun randomisierten Studien vor, in denen Patienten mit Candesartan, Losartan, Valsartan und Telmisartan behandelt worden waren. Fünf Studien mit insgesamt 61.590 Patienten gaben Aufschluss über Krebsneuerkrankungen, in acht Studien mit insgesamt 93.515 Patienten waren Daten zu Krebstodesfällen aufgrund eines prädefinierten Endpunktes erfasst worden.

Neue Krebserkrankungen traten unter Sartanen bei 7,2% der Patienten auf, unter anderen Therapien bei 6%. Das relative Risiko betrug 1,08. Es war statistisch signifikant. Bei Betrachtung der einzelnen Tumorarten war nur das Risiko für ein Lungenkarzinom signifikant erhöht.

In den Studien war die überwiegende Zahl der Patienten (n = 30 014; 85,7%) mit Telmisartan behandelt worden waren, so dass Telmisartan unter besonderem Verdacht steht, für das geringfügig, aber signifikant erhöhte Risiko für Krebsneuerkrankungen verantwortlich zu sein. Allerdings weisen die Autoren darauf hin, dass die Daten keine Rückschlüsse auf die Risiken einzelner Angiotensin-II-Rezeptorblocker zulassen.

Ein signifikanter Anstieg der Krebstodesfälle konnte nicht festgestellt werden (1,8% vs. 1,6%). Doch scheint das Risiko mit zunehmender Behandlungsdauer zu steigen.

Ist die ACE-Hemmer-Kombination verantwortlich?

Der Telmisartan-Hersteller Boehringer Ingelheim ist trotz der Ergebnisse von der Sicherheit des Angiotensin-II-Rezeptorblockers überzeugt. Er sei in klinischen Studien mit mehr als 50.000 Patienten untersucht worden, man blicke auf eine Anwendungsdauer von 34,5 Millionen Patientenjahre. Telmisartan zähle zu den am besten erforschten Bluthochdruck-Medikamenten weltweit. In drei Langzeitstudien – ONTARGET; PRoFESS und TRANSCEND – seien Patienten über fünf Jahre beobachtet worden. Die eingehende Analyse der Studien habe keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen unter Telmisartan erbracht. Das in der Metaanalyse geringfügig erhöhte Risiko für Krebsneuerkrankungen sei zudem vor allem bei solchen Patienten aufgetreten, die neben Telmisartan Ramipril erhalten hätten. Ein leicht erhöhtes Risiko für maligne Erkrankungen habe man auch in dem ONTARGET-Studienarm gesehen, in dem Telmisartan plus Ramipril verabreicht worden war. In dieser Studie konnte zwar durch die Kombination von ACE-Hemmer plus Sartan der Blutdruck weiter gesenkt werden, bessere Ergebnisse in den Endpunkten wurden dadurch nicht erzielt. Dafür nahmen Nebenwirkungen wie Hypotonie und Nierenschäden zu. Der Hersteller betont, dass eine Kombination von Telmisartan mit einem ACE-Hemmer nicht empfohlen wird.

Überwachungsbehörden sind gefordert

Nachdem die FDA aufgrund der Ergebnisse zweier Langzeitstudien schon der Frage nachgeht, ob sich unter Olmesartan das kardiovaskuläre Risiko völlig unerwartet erhöht (s. DAZ 24/2010, S. 34), werden die Überwachungsbehörden nun auch prüfen müssen, ob Sartane tatsächlich ein mutagenes Potenzial haben.

Quelle Sipahi I et al.: Angiotensin-receptor blockade and risk of cancer; meta-analysis of randomised controlled trials. Lancet Oncology. Early Online Publication 14. Juni 2010, doi:10.1016/S1470-2045(10)70106-6 Pressemitteilung Boehringer Ingelheim, 14. Juni 2010.

 


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