Arzneimittel und Therapie

Virusinfektionen: Neue Ansätze zur Therapie von AIDS

AIDS breitet sich weltweit immer mehr aus, vor allem in den unterentwickelten Ländern Afrikas und Asiens. Zwar gibt es Möglichkeiten, eine Infektion mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) zu therapieren, aber eine effektive Heilung kann nach wie vor nicht erreicht werden. In der Regel erfolgt eine Behandlung mit Medikamenten, die eine Vermehrung der Viren beeinträchtigen, nachdem diese eine Zielzelle infiziert haben. Forscher arbeiten neuerdings an Verbindungen, die das Eindringen des HIV in menschliche Immunzellen verhindern sollen. Eine Infektion könnte damit unterbunden werden.

Das Immunschwäche-Virus HIV besteht aus einer viralen Ribonukleinsäure (RNA), einem Mantel, in den verschiedene Strukturproteine und Enzyme eingelagert sind, sowie einer Virushülle. Es gehört zur Familie der Retroviren. Befindet sich das Virus erst einmal im Körper, sind hauptsächlich Zellen mit CD4-Molekülen an ihrer Oberfläche sein Ziel. Dabei handelt es sich um Rezeptoren, die bei den wechselwirkenden Zellen des menschlichen Immunsystems natürlicherweise vorkommen. Sie sind vor allem für die CD4-Lymphozyten charakteristisch, in geringerer Zahl aber auch auf Makrophagen, Monozyten sowie Untergruppen von B-Zellen und Hirnzellen vorhanden. Eine Zerstörung der CD4-Zellen durch HIV führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen, die sich als typische Symptome von AIDS äußern. Auch bestimmte Gehirnerkrankungen und verschiedene Formen von Krebs stehen mit der Immunschwächekrankheit im Zusammenhang.

Mehrere "Andockstellen" sind notwendig

Schon seit 1984 ist bekannt, dass das HIV mit Hilfe des CD4-Rezeptors an die CD4-Lymphozyten und Makrophagen andockt. Inzwischen weiß man, dass für den Eintritt des Virus in die Zielzellen noch mindestens eine weitere "Andockstelle" notwendig ist. Diese gehört zu einer Gruppe von Zelloberflächen-Korezeptoren, an die normalerweise so genannte Chemokine binden.

Chemokine sind spezielle Zytokine, also zelluläre Botenstoffe, welche bestimmte Immunzellen zu einer gerichteten Wanderung veranlassen, sofern diese einen entsprechenden Rezeptor an der Oberfläche ihrer Zellmembran aufweisen. So locken beispielsweise spezifische, von verschiedenen Zelltypen des Immunsystems ausgeschiedene Chemokine T-Zellen und Makrophagen an einen Entzündungsherd, damit diese die Entzündung bekämpfen können.

Veränderungen bei Chemokin-Rezeptoren

Als in den letzten Jahren HIV-Fälle bekannt wurden, bei denen die betroffenen Personen trotz einer Infektion mit HIV-1 gar nicht, viel später oder zumindest weniger stark als andere an AIDS erkrankten, wollten Forscher diesem Phänomen auf den Grund gehen. Sie analysierten das Erbmaterial der Infizierten und fanden tatsächlich Veränderungen im Genbereich von bestimmten Chemokin-Rezeptoren, sodass HIV nicht mehr an die Zellen binden konnte.

Zwei Virustypen

Andere Untersuchungen ergaben, dass zwei Typen von HI-Viren existieren: Bei Personen, die erst seit kurzer Zeit infiziert sind und die sich in einer zunächst symptomfreien Phase der Erkrankung befinden, herrscht der "Makrophagen-HIV-Typ" vor. Er benutzt neben CD4 den Chemokin-Rezeptor CCR-5 zum Eindringen in die Makrophagen. In der Spätphase der Infektion, wenn AIDS ausbricht, erscheint der "T-Zell-HIV-Typ". Er bindet an den Chemokin-Rezeptor CXCR4 der T-Zellen, die dadurch so verändert werden, dass sie ihrer Aufgabe im Immunsystem nicht mehr nachkommen können. Damit wird klar, dass das Virus mit den Chemokinen um dieselben Rezeptoren konkurriert. Derzeit sind beim Menschen etwa 30 verschiedene Chemokine und 10 Rezeptoren bekannt.

CCR-5-Rezeptoren blockieren

Mutationen im Erbgut von HIV-Infizierten, und zwar speziell im CCR-5-Gen, welches für die Bildung eines CCR-5-Chemokin-Rezeptors zuständig ist, führten die Forscher auf eine wichtige Spur. Wenn in beiden Kopien des Gens Veränderungen vorliegen, dann können keine funktionstüchtigen CCR-5-Rezeptoren mehr gebildet werden, und HIV hat auch keine Möglichkeit, in CD4-Zellen einzudringen.

Dies war für den Pharmakonzern Roche Anlass, nach Wegen zur "Feineinstellung" der menschlichen Immunabwehr zu suchen. Dr. Nick Cammack, Leiter der Abteilung für Virologie am englischen Roche Forschungszentrum in Welwyn Garden City, erklärt die Strategie wie folgt: "Eine Blockade der CD4-Rezeptoren zur Bekämpfung des HIV würde zu Funktionsstörungen des Immunsystems führen. Wir wollen einen Wirkstoff entwickeln, der sich gezielt an den CCR-5-Rezeptor anlagert und so dem Virus den Weg in die Zelle versperrt."

Fusion von Virushülle mit der Zellmembran stoppen

Eine andere Möglichkeit, den HIV-Eindringprozess zu verhindern, besteht in der gezielten Hemmung der Fusion von Virushülle und Zellmembran. Die äußere Hülle des HIV besteht aus einer Lipid-Doppelschicht, die von der äußeren Zellmembran der Wirtszelle abstammt. Sie ist mit Zucker-Eiweiß-Verbindungen, den viralen Mantel-Glykoproteinen bestückt. Die eine Komponente dieser pilzförmigen Hüllproteine ist das transmembrane Glykoprotein gp41, das innerhalb der Lipidmembran angesiedelt ist. Die zweite Komponente besteht aus dem helmartig aus der Membran hervorragenden Glykoprotein gp120, dem so genannten spike. Diese beiden Glykoprotein-Komponenten spielen eine wesentliche Rolle bei der Anbindung des HIV an die Wirtszellrezeptoren und bei der Fusion der viralen Membran mit der Wirtszellmembran.

Die Firma Trimeris Inc. in Durham, N.C., USA hat Peptide entwickelt, die eine Fusion zwischen HIV und Wirtszelle verhindern oder zumindest beeinträchtigen sollen. Werden die synthetischen Peptide T-20 und T-1249 in die Blutbahn injiziert, binden diese an die bestimmte strukturelle Formationen des gp41 und halten so dessen Bindungsstellen besetzt. Damit wird die Virusfusion gestört und der weitere Infektionsverlauf gestoppt. Für das fusionsinhibierende Peptid T-20 haben inzwischen klinische Tests der Phase III begonnen, während der Fusionsinhibitor T-1249 sich in der Testphase I befindet.

Quelle: Roche Roundtable "New weapons against viral diseases" in Welwyn Garden City, GB, Oktober 2000; Interviews und Diskussionen mit verschiedenen Wissenschaftlern und Mitgliedern der Firmenleitung des britischen Roche-Forschungszentrums in Welwyn Garden City.

AIDS breitet sich weltweit immer mehr aus, vor allem in den unterentwickelten Ländern Afrikas und Asiens. Zwar gibt es Möglichkeiten, eine Infektion mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) zu therapieren, aber eine effektive Heilung kann nach wie vor nicht erreicht werden. In der Regel erfolgt eine Behandlung mit Medikamenten, die eine Vermehrung der Viren beeinträchtigen, nachdem diese eine Zielzelle infiziert haben. Forscher arbeiten neuerdings an Verbindungen, die das Eindringen des HIV in menschliche Immunzellen verhindern sollen. Eine Infektion könnte damit unterbunden werden.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.