Arzneimittel und Therapie

Neue Wirkstoffe: Fusionsinhibitoren verhindern das Verschmelzen von HIV mit der

Dringt das Immunschwäche-Virus (HIV) in die menschliche Wirtszelle ein, so ist nicht nur das CD4-Oberflächenmolekül beteiligt, sondern auch andere Korezeptoren. Heute ist bekannt, dass der HIV-Eintritt in die Zielzelle in drei Hauptstufen abläuft: Anheftung des Virushüllproteins an CD4, Bindung des Virushüllproteins an einen Korezeptor und schließlich die Verschmelzung von Virus- mit Wirtszellmembran.

Dabei ebnet der beta-Chemokin-Korezeptor CCR5 vor allem denjenigen HIV-1-Stämmen den Weg in die Zelle, welche vorrangig Makrophagen befallen. Der CXCR4-Korezeptor hingegen unterstützt Virusstämme, die bevorzugt T-Zellen infizieren. Seit einiger Zeit ist bekannt, dass bestimmte Personen, die trotz einer Infektion mit HIV-1 kein Krankheitsendstadium entwickeln oder viel später als der Durchschnitt an AIDS erkranken, Mutationen in der Region ihrer CCR5-Gene aufweisen. Daher wird intensiv nach Möglichkeiten gesucht, diese Korezeptoren zu blockieren und so dem Virus den Zugang zu den Wirtszellen zu versperren.

Ein anderer Weg wird über synthetische Peptide eingeschlagen. Diese binden an die transmembrale Fraktion gp41 des viralen Mantelproteins und verhindern damit, dass die Membran des Virus mit derjenigen der Wirtszelle verschmilzt.

Ohne CD4-Zellen keine Immunabwehr

Befindet sich das Human Immunodeficiency Virus (HIV) erst einmal im Körper, sind hauptsächlich Zellen mit CD4-Molekülen an der Oberfläche sein Ziel. Dabei handelt es sich um natürlich vorkommende Rezeptoren an den wechselwirkenden Zellen des menschlichen Immunsystems. Sie sind vor allem für die CD4-Lymphozyten charakteristisch, kommen in geringerer Zahl aber auch auf Makrophagen, Monozyten sowie Untergruppen von B-Zellen und Hirnzellen vor. Die sich vorrangig in den Geweben aufhaltenden Makrophagen sind für die Phagozytose verantwortlich, in deren Verlauf beispielsweise Bakterien oder Viren aufgenommen und verdaut werden.

Zu den Aufgaben der CD4-Zellen mit ihren Helfer- und Anreger-Funktionen gehört es, andere Zellen zum Angriff auf eingedrungene Krankheitserreger vorzubereiten. Ruhende T-Zellen werden immunologisch dann aktiviert, wenn ihnen ein Makrophage ein Antigen präsentiert, das von einem Erreger stammt. Daraufhin produzieren sie Substanzen, die die B-Lymphozyten zur Differenzierung anregen. Eine reifende B-Zelle wandelt sich in eine Plasmazelle um, die Antikörper abgibt. Andere von der CD4-Zelle abgegebene Signale veranlassen die Ausbildung von CD8-Zellen (T-Zellen mit CD8-Molekülen an ihrer Oberfläche), die bereits infizierte Zellen angreifen und abtöten. Ist die Infektion unter Kontrolle, tragen CD4-Zellen dazu bei, die weitere Reifung von B- und CD8-Zellen zu unterdrücken. Als letzte Sicherheitsmaßnahme gegen einen nochmaligen Infekt teilt und vermehrt sich die CD4-Zelle und bildet so genannte Gedächtniszellen, die im Kreislauf verbleiben und den Krankheitserreger jederzeit wiedererkennen.

Eine Zerstörung der CD4-Zellen durch HIV macht die Betroffenen demnach für Infektionen anfällig, sodass die Krankheit AIDS zum Ausbruch kommt. Aber auch Gehirnerkrankungen und verschiedene Formen von Krebs stehen mit der Immunschwächekrankheit im Zusammenhang.

Chemokine spielen eine Schlüsselrolle

Dass das HIV mithilfe des CD4-Rezeptors an die CD4-Lymphozyten und Makrophagen "andockt", ist schon seit 1984 bekannt. Während daher zunächst eine gezielte Abdeckung der Oberflächenstrukturen des zellulären Rezeptorkomplexes CD4 mit Antikörpern als Bekämpfungsmethode der HIV-Infektion zur Diskussion stand, wird heute vermutet, dass eine derartige Blockade die Immunabwehr und auch viele Wachstumsprozesse im menschlichen Körper stört.

Neuere Forschungsergebnisse haben inzwischen gezeigt, dass das Virus zum Eintritt in die Zielzellen außer der Anheftung an CD4 noch mindestens einen derjenigen Zelloberflächen-Korezeptoren benötigt, die sonst an Chemokine binden.

Letztere gehören zu Familien strukturell verwandter Proteine und sind außer bei infektiösen oder immunologischen Reaktionen noch an der Entstehung von Entzündungsprozessen beteiligt. Bei Chemokinen handelt es sich um spezialisierte Zytokine, welche bestimmte Immunzellen zu einer gerichteten Wanderung veranlassen können, sofern diese einen entsprechenden Rezeptor an der Oberfläche der Zellmembran aufweisen.

Als Botenstoffe üben sie je nach Zielzelle verschiedene Funktionen aus. (Von Leukozyten gebildete Zytokine werden Interleukine genannt.) Spezifische, von verschiedenen Zelltypen des Immunsystems ausgeschiedene Chemokine locken zur Bekämpfung einer Infektion T-Zellen und Makrophagen an den Entzündungsherd im Körper.

Je nachdem, ob sich zwischen den zwei ersten Cystein-Aminosäuren im Molekül noch eine weitere Aminosäure befindet oder nicht, werden sie in alpha-(oder CXC) und beta-(oder CC) Familien unterteilt. Die alpha-Chemokine reagieren vorrangig mit neutrophilen Granulozyten, deren Zellkerne üblicherweise aus zwei bis drei Teilen bestehen. Dagegen gehen beta-Chemokine wie MIP (Makrophagen inflammatorisches Protein)-1alpha, MIP-1beta und RANTES zur Immunabwehr eine Verbindung mit den CCR5-Rezeptoren auf den Lymphozyten, Monozyten und Mastzellen sowie mit Eosinophilen ein.

Infiziert, aber noch nicht krank

Als in den letzten Jahren Fälle bekannt wurden, in denen Personen trotz einer Infektion mit HIV-1 gar nicht, viel später oder zumindest weniger stark als andere an AIDS erkrankten, analysierten die HIV-Forscher das Erbmaterial der Betroffenen auf Mutationen hin. Tatsächlich wiesen sie Veränderungen im Genbereich von CCR5 auf, sodass sich HIV nicht mehr an die Zellen binden konnte. Andere Untersuchungen wiesen darauf hin, dass zwei Arten von HI-Viren existieren.

Bei Menschen, die erst seit kurzer Zeit infiziert sind oder sich in einer zunächst symptomfreien Phase der AIDS-Erkrankung befinden, herrscht der "Makrophagen-HIV-Typ" vor. Dieser "non syncytium inducing" (NSI)-Typ benutzt neben CD4 den Chemokin-Rezeptor CCR-5 zum Eindringen in die Makrophagen.

Der "T-Zell-Typ" erscheint meist erst in der Spätphase der Infektion, wenn AIDS ausbricht. Er bindet über den Korezeptor CXCR4 an die von ihm bevorzugten T-Lymphozyten und verursacht durch eine "Syncytium-Induktion" (SI) veränderte, miteinander verschmolzene, instabile T-Zellen, die ihrer Aufgabe im Immunsystem nicht mehr nachkommen können. Damit wird deutlich, dass das HIV um die Bindung der gleichen, für eine normale Immunantwort benötigten Rezeptoren konkurriert.

HIV verschmilzt mit der Membran der Wirtszelle

Aber auch das äußere Glykoprotein gp120 der Hülle spielt sowohl beim Eindringen des Virus in die Wirtszelle als auch bei seinem Verlassen eine wichtige Rolle. Die Hüllstruktur des Virus ist mit Zucker-Seitenketten tragenden Eiweißen durchsetzt, den viralen Mantel-Glykoproteinen (gp). Die eine Komponente dieser pilzförmigen Hüllproteine ist das innerhalb der Virusmembran angesiedelte gp41 (transmembranes Glykoprotein), gp120 (der "spike") ragt helmförmig heraus. Sobald das gp120 nach der Bindung an die Wirtszellrezeptoren vom Virus abgestreift wird, liegen die zwei spiraligen, starren Regionen des gp41 frei vor. Da diese beiden Helices eine hohe Affinität zueinander aufweisen, können sie sich daraufhin miteinander verbinden. Erst infolge dieser Konformationsänderung kann die virale Membran mit der Wirtszellmembran fusionieren und im dritten und letzten Schritt das genetische Material des Virus in die Zelle gelangen. Auch diese Forschungsergebnisse bieten Ansätze zur Bekämpfung von HIV.

Virusresistenzen: noch immer ein großes Problem

HIV entwickelt in seinen Vermehrungszyklen immer wieder Mutationen, die vielfach die Wirksamkeit von zu Behandlungsbeginn hochwirksamen Langzeittherapeutika unterwandern.

Von den HIV-Einheiten im Körper eines Betroffenen zählen durchschnittlich 107 zu den noch unauffälligen Proviren und 106 zu den infektiösen Viren, aus welchen in einer befallenen Wirtszelle etwa 102 bis 104 neue Viren produziert werden können, je nach Krankheitsphase insgesamt zwischen 108 und 1010 pro Tag. Diese vermehren sich jedoch zusätzlich mit einer so hohen Mutationsrate, dass vermutlich jede Stelle im Virus-Genom einmal pro Tag fehlerhaft kopiert wird. Die hohe genetische Variabilität des Virus führt zu einem großen Spektrum von Stämmen, wobei einige Varianten in nur 100 der insgesamt 9500 Nukleotide ihres Genoms voneinander abweichen, andere aber in mehr als 1000.

Da die Nukleotidsequenzen den genetischen Code für die viralen Proteine enthalten, wirken sich solche Unterschiede auch auf die Proteinzusammensetzung der Virusbestandteile (insbesondere der Hüllglykoproteine) aus und nehmen wiederum Einfluss auf die biologische Aktivität der Stämme.

Fusionshemmende Proteine gegen den HIV-Eintritt

Neuartige Behandlungsmöglichkeiten könnten nun darin bestehen, hochselektive Wirkstoffe zu entwickeln, die die Bindungsstellen zwischen den Chemokinrezeptoren und dem viralen gp120 blockieren. Mit dem Einsatz derartiger Medikamente, die ohne negativen Effekt auf die Zielzelle an einen Korezeptor binden, würde sogar ein Schutz vor einer Neuinfektion aufgebaut. Aber auch HIV-positiven Personen wäre geholfen, wenn durch eine Verhütung weiterer Infektionen von CD4-Zellen der Krankheitsverlauf gebremst wird. Da aber immer wieder neue Korezeptoren entdeckt werden, die in komplizierten Wechselwirkungen mit den Zellen des menschlichen Immunsystems stehen, bedarf es weiterer Untersuchungen, besonders ihrer Funktionen. Derzeit sind beim Menschen mehr als 28 Chemokine und 10 Rezeptoren bekannt.

Suche nach Inhibitoren von Korezeptoren

Für die Suche nach Inhibitoren von Korezeptoren hat Roche Anfang 1988 einen Kooperationsvertrag mit Progenics Pharmaceuticals Inc., Tarrytown, N.Y., USA, abgeschlossen, der die gemeinsame Erforschung und Entwicklung neuartiger HIV-Therapeutika beinhaltet, welche ihre Wirkung gezielt an für das Virus maßgeblichen Fusions-Korezeptoren wie CCR5 entfalten. Eine andere Art, die dritte und letzte Stufe des HIV-Eindringprozesses zu verhindern, stellt das fusionsinhibierende Peptid T-20 des Roche-Kooperationspartners Trimeris Inc., Durham, N.C. dar, für den inzwischen klinische Tests der Phase III begonnen haben. Der Fusionsinhibitor der zweiten Generation T-1249 befindet sich derzeit in der Phase I. Werden die synthetischen Peptide T-20 und T-1249 in den Blutstrom injiziert, binden diese an die niedriger gelegene Helix von gp41 und halten so deren Bindungsstelle besetzt. Damit wird die Virus-Fusion gestört und der weitere Infektionsverlauf gestoppt.

Quelle: Roche Facetten Nr. 16 "Neue Waffen gegen Viruskrankheiten"

Dringt das HI-Virus in die menschliche Wirtszelle ein, so ist nicht nur das CD4-Oberflächenmolekül beteiligt, sondern auch andere Korezeptoren. Der HIV-Eintritt in die Zielzelle verläuft in drei Stufen: Anheftung des Virushüllproteins an CD4, Bindung des Virushüllproteins an einen Korezeptor und schließlich die Verschmelzung von Virus- mit Wirtszellmembran. HIV-Fusionsinhibitoren wie das Peptid T-20 können den Eintritt des Virus in die Zelle verhindern, indem sie die Virusfusion hemmen.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.