Kommentar

Fatale Innensicht

Mildes Lüftchen, tolle Sonne, spanischer Wein. Und Fortbildung auf Mallorca. Eigentlich doch ganz prima. Dass die Stühle im Vortragssaal eine Qual waren, dass es bis zum Ende der Vortragswoche trotz vieler Versuche nicht gelang, einen brauchbaren Diaprojektor aufzutreiben - das kann zur Not beim ersten Mal passieren. Volle Flieger, Klimaanlage außer Rand und Band, das Klatschen bei der Landung - alles halb so schlimm. In der Pause unter Säulen, blauer Himmel satt - das entschädigt.

Und doch: müssen wir uns das antun? Hat denn niemand daran gedacht, welcher Eindruck im fernen Deutschland beim sprichwörtlichen Mann auf der Straße entsteht, wenn ABDA-Vize Wolf und BAK-Präsident Metzger vom fernen Mallorca die existenzgefährdenden Vorhaben der Regierung attackieren. Erzählen Sie doch einmal Freunden oder Kunden, dass Sie auf Mallorca waren, in Meran oder Davos - zur Fortbildung. Selbst wenn Sie wirklich - wie bei Apothekers üblich, Mallorca war da eher untypisch - keine Minute geschwänzt haben, als Sie etwas lernen konnten: man wird es Ihnen kaum abnehmen. Ein kleines Lächeln, die Brauen etwas hochgezogen, "Soso, hoffentlich war es nicht zu anstrengend": dezente Signale, die eigentlich sagen wollen: "Sie können mir viel erzählen".

Merken unsere berufpolitischen Granden eigentlich nicht, dass sie mit Pressekonferenzen in einem solchen Umfeld eigentlich schon verloren haben, bevor sie den Mund aufgemacht haben? Ja, aber in Westerland machen doch viel wohlhabendere Leute Urlaub - höre ich zur Verteidigung des neuen Standortes Palma de Mallorca. Könnte es sein, das weder Mallorca, noch Davos, noch Meran sonderlich geeignete Standtorte für die Öffentlichkeitsarbeit eines Berufes sind, der sich zu unrecht attackiert sieht? Warum wohl halten unsere Parteien ihre Veranstaltungen, mit denen sie öffentlich Eindruck machen wollen, in Hannover oder Stuttgart, in Passau oder Kreut ab? Und nicht da, wo andere Ferien machen - selbst wenn's dort sogar billiger wäre? Unsere Parteien, sonst durchaus nicht perfekt, beherrschen das kleine Einmaleins der Kommunikation. Bei einem Teil unserer Berufsorganisationen habe ich diesen Eindruck nicht. Es dominiert die Innensicht: Wie wirkt, was ich mache, nach innen, auf meine berufpolitischen Konkurrenten, auf die Kollegen? Wie verbessere ich dort meine Position - das ist die vorherrschende Frage. 80% der Kraft und Aktivität verschleißen unsere Organisationen nach innen, nur 20% sind, wohin sie gehören: außengerichtet. Das muss anders werden. Oder wir werden daran krepieren.

Klaus G. Brauer

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