Die letzte Woche

Mein liebes Tagebuch

02.06.2013, 08:00 Uhr


Die Streitfälle um 1-Euro-Prämien, Boni und Taler sind noch lange nicht vorbei. Prämienverliebte Kolleginnen und Kollegen wollen sich nicht damit anfreunden, dass das Heilberufsrecht bei Rx-Arzneimitteln die Null-Euro-Grenze vertritt. Sie fragen, wo der Unterschied liegt zwischen einer materiellen Zugabe in Form einer Kundenzeitschrift, eines Kalenders oder einer anderen Zugabeware und einer 1-Euro-Prämie. Und sie wollen das gerichtlich klären lassen. Mein liebes Tagebuch, könnte das in einem totalen Zugabeverbot enden? Außerdem in dieser Woche: Steinbrück schmust sich an Apotheker ran, die Bundesapothekerkammer will den Rezepturaufwand erleichtern, und die Datenklauaffäre ist noch lange nicht zu Ende.

27. Mai 2013 

Eigentlich sollte die elektronische Gesundheitskarte (eGK) die Kommunikation zwischen Ärzten, Krankenhäusern, Versicherten und nicht zuletzt auch Apotheken verbessern. Aber irgendwie ist das Projekt, das schon 2002 aufgelegt wurde, ins Stocken gekommen – obwohl die Karte mittlerweile schon millionenfach an Versicherte ausgegeben wurde. Ursprünglich sollten auf der Karte der Arztbrief, Daten zur Arzneimitteltherapiesicherheit, die elektronische Patientenakte, Daten für die Notfallversorgung und sogar das elektronische Rezept gespeichert werden bzw. die Heilberufe sollten über diese Karte Zugang zu diesen Daten haben. Aber Sicherheitsaspekte und Rangeleien bei allen Beteiligten haben den Ausbau des Projekts verzögert. Derzeit werden auf der Karte praktisch nur die Versichertenstammdaten gespeichert. Mittlerweile drohen die Kassenärzte sogar mit dem Ausstieg aus der Betreibergesellschaft gematik. Begründung: Aus dem Projekt zum Bürokratieabbau und Verbesserung der Kommunikation sei eine rein kassenzentrierte Telematikinfrastruktur für Verwaltungsaufgaben wie das Management der Versichertenstammdaten geworden, das die Ärzte in ihren Praxen durchführen müssten. Mein liebes Tagebuch, eigentlich könnte eine eGK Fortschritte bringen. Aber so, wie das Projekt angelegt ist, angesichts der Datenschutzprobleme und der Reibereien zwischen den Beteiligten scheint alles unausgegoren zu sein. Und: Wollen wir eigentlich, dass auf der Karte auch das Rezept in elektronischer Form gespeichert ist? Wenn dann überall Terminals stehen, an denen der Patient seine Karte einschieben und bei einer Versandapotheke bestellen kann? Da vergeht einem die Lust am Ausbau einer solchen Karte.

28. Mai 2013

Bei der Apothekerkammer Hamburg steht am 3. Juni der Kammerbeitrag auf der Tagesordnung. Er soll, so der Vorschlag, nach der finanziellen Leistungsfähigkeit des Mitglieds bemessen werden: Bei Apothekenleitern soll die Umsatzsteuervorauszahlung als Maßstab dienen, bei Angestellten das Jahresbruttoeinkommen, jeweils multipliziert mit einem von der Kammerversammlung beschlossenen Hebesatz. Angestellte sollen jährlich mindestens 60 Euro, Leiter mindestens 240 Euro zahlen. Ein Alternativvorschlag dazu setzt einen Grundbetrag für alle Mitglieder fest plus einen variablen Teil. Es wird spannend, wofür sich die Hamburger Apothekerinnen und Apotheker entscheiden werden.

Nicht mehr lange, dann dürfte das Notdienstsicherstellungsgesetz endgültig abgesegnet sein. Es wird ohne Änderungen in die Schlussberatungen des Deutschen Bundestags gehen. In der Regierungskoalition gibt es keine Absicht, Änderungsanträge zu stellen. Das heißt, dass auch die Wünsche der ABDA nicht ins Gesetz einfließen werden, nämlich eine Klarstellung, dass auf die 16 Cent keine Mehrwertsteuer zu entrichten ist und dass es eigentlich 17 Cent sein müssten. Mein liebes Tagebuch, läuft das dann doch darauf hinaus, dass Mehrwertsteuer gezahlt werden muss und dass wir am Ende weniger bekommen?

So einfach scheinen die Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft zum Datenklau im Bundesgesundheitsministerium (BMG) nicht zu laufen. Eigentlich sollte schon an Ostern ein Ergebnis vorliegen. Zur Erinnerung: Ein externer IT-Mitarbeiter soll gegen Bezahlung Dokumente aus dem BMG abgezweigt und an einen Lobbyisten aus der Apothekerschaft verkauft haben. Der bekannt gewordene Datenklau enthüllte letztlich auch wirtschaftliche Verflechtungen zwischen der ABDA und ihrem früheren Pressesprecher Bellartz. Mein liebes Tagebuch, diese Story ist noch nicht zu Ende.

Deutscher Ärztetag in Hannover. Der Präsident des Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, ist für seine deutlichen Worte bekannt. Und so nahm er auch in seiner Eröffnungsrede kein Blatt vor den Mund. Er stellte sich vor seine Mitglieder und kritisierte, wie Ärzte den Vorwürfen der Bestechung und Bestechlichkeit ausgesetzt werden. Der Ärztechef beklagte zudem den niedrigen Punktwert der amtlichen Gebührenordnung der Ärzte. Angesichts der steigenden Inflationsrate forderte er einen sofortigen Inflationsausgleich in der GOÄ. Ach ja, liebes Tagebuch, sollte nicht auch die ABDA-Spitze spätestens beim Apothekertag lautstark einen Inflationsausgleich beim Apothekenhonorar fordern?

29. Mai 2013

Die Berufsgerichte haben in den letzten Wochen und Monaten deutlich gemacht: Auf verschreibungspflichtige Arzneimittel darf es keine Boni, Taler oder sonstige Prämien geben, selbst wenn das Wettbewerbsrecht einen Euro toleriert. Vor allem den easy-Apothekern, die gerne eine Rezeptprämie gewährt haben, gefällt dies gar nicht. Laut easy-Zentrale will man gegen das Urteil sogar Verfassungsbeschwerde einlegen. Was die easy-Apotheker dabei besonders aufregt, ist die unterschiedliche Einstellung zur Zugabengewährung: Während  Kundenzeitschriften, Jahreskalender und Warenproben, die oft teurer als 1 Euro sind, auch von der Standesführung toleriert werden, soll eine 1-Euro-Prämie nicht möglich sein. Hhmm, mein liebes Tagebuch, darüber kann man in der Tat nachdenken. Die Frage ist doch: Wo liegt der Unterschied zwischen einer 1-Euro-Prämie und einer Zugabe in Form einer Kundenzeitschrift, eines Kalenders oder einer anderen Zugabe im Wert von 1 Euro? Juristen meinen, dass eine kleine Zugabe wie eine Zeitschrift möglich ist, solange sie nicht zwingend an die Einlösung eines Rezepts gebunden ist. Mal abgesehen davon, wie wäre es, wenn ein gesetzliches Verbot aller Boni, Taler, Prämien und Zugaben käme? Die Apotheken würden viel Geld sparen und das ewige Gerangel um Wettbewerbsrecht und Heilberufsrecht hätte ein Ende. Würde letzen Endes nicht auch unsere Glaubwürdigkeit als Heilberuf gestärkt? Oder hat schon mal wer beim Arzt eine Zugabe bekommen?

Glaubt man einer von Sempora Consulting durchgeführten Studie, empfinden die meisten Verbraucher die Preise in Apotheken zu hoch, sie meinen, dass Apotheken die Absenkung der Arzneimittelpreise verhindern. Die Konsumenten weichen daher auf alternative Bezugskanäle wie z. B. das Internet und Drogeriemarkt für freiverkäufliche Arzneimittel aus. Von den befragten Verbrauchern bescheinigte annähernd jeder Zweite den Internetapotheken mit einer durchschnittlichen Zufriedenheit ein sehr gutes Zeugnis. Gut schätzen auch 49 Prozent der Hersteller und 68 Prozent der Apotheker die Erfolgsaussichten von Online-Bestellplattformen wie dedendo.de oder ordermed.de als alternative Vertriebsform für Versandhändler und stationäre Apotheker ein. Mein liebes Tagebuch, was soll man von solchen Studien halten? Zu welchem Zweck und in wessen Auftrag wurden sie erstellt? Ganz einfach, ein Blick auf die Unternehmensseite von Sempora genügt. Zur Strategie des Unternehmens gehören z. B. „Aufbau und Implementierung von Apothekenfranchise- bzw. Apothekenkettensystemen“, außerdem u. a. „Versandhandelsstrategien für Hersteller“. Na, dann weiß man, woher der Wind für eine solche „Studie“ weht.

30. Mai 2013

Mein liebes Tagebuch, die Berufspolitik interessiert nicht jeden. Es wäre zwar wünschenswert, weil hier Weichen gestellt werden für unser Berufsbild, aber so ist das nun mal. Beispiel Fortbildungskongress Pharmacon in Meran, der in dieser Woche stattfand. Nicht einmal die Hälfte der Apothekerinnen und Apotheker, die zur Fortbildung nach Meran gefahren waren, nahmen an der gut einstündigen berufspolitischen Diskussion teil, die traditionsgemäß auf dem Programm des Fortbildungskongresses steht. Mag sein, dass die Fortbildungswilligen nicht unbedingt auch gleich die berufspolitisch stark Interessierten sind.
Mein liebes Tagebuch, vielleicht ist das auch die Erklärung dafür, dass die berufspolitischen Diskussionen im Rahmen der Fortbildungskongresse in Davos und Meran ein wenig anders ablaufen, als man es von einer spritzigen Diskussionsrunde gewöhnt ist. „Berufspolitische Diskussion“ auf Fortbildungskongressen heißt bei der ABDA: Wir spielen ein Frage- und Antwortspiel. Die Moderatorin hatte ein Bündelchen an Fragen mitgebracht. Woher diese Fragen allerdings gekommen waren – god only knows. Die Moderatorin jedenfalls las die Fragen vor und verteilte sie an die Diskussionsteilnehmer auf dem Podium. Ach wie schön, ach wie brav. Das sprühte nur so von „Lebendigkeit“. Na ja, ganz so schlimm war‘s dann nicht, spontane Fragen aus dem Publikum waren immerhin zugelassen. Aber, die Fragenvorlesestunde hat schon etwas Eigenartiges an sich. Traut man den Apothekerinnen und Apothekern keine Live-Diskussion zu? 

Und was erfuhr man in der Diskussionsstunde? Ehrlich gesagt, wenig Neues. Die neue Apothekenbetriebsordnung macht nicht allen Spaß: Der Rezepturaufwand ist aberwitzig, finanziell defizitär, und die Defektur ist bei vielen zum Erliegen gekommen. Der ABDA ist das bekannt: „Ja, da ist so, wir wissen es.“ Und was tut man dagegen? Man will sich für Erleichterungen einsetzen, eine Kommission aus Mitgliedern von DAC und NRF arbeitet daran. Und mehr Geld soll es irgendwann auch mal geben – „wir arbeiten dran“. Bekannt ist auch, dass es bereits einige Apotheken gibt, die unter fadenscheinigen Vorwänden Rezepturen nicht mehr herstellen. (Wie man das macht, brauche ich hier nicht aufzuschreiben, liebes Tagebuch.) Das ist natürlich keine Lösung. Zum einen ist eine Apotheke dazu verpflichtet, zum andern ist es doch auch eine Sache der Berufsehre.

In der Diskussionsstunde hörte man auch eine klare Ansage vom Präsidenten der Bundesapothekerkammer, Andreas Kiefer: „Ja, wir wollen die patientenorientierte Pharmazie.“ Diese neue Ausrichtung soll Schritt für Schritt erschlossen werden, umgesetzt werden. Die Kammern werden die Inhalte und wie man patientenorientierte Pharmazie und das Medikationsmanagement in der Praxis macht durch Fortbildungsveranstaltungen an die Basis bringen. Na, das klingt doch schon mal zuversichtlich.

Ja, mein liebes Tagebuch, und dann bestätigten die ABDA-Vertreter in Meran, dass derzeit ein neues Leitbild entwickelt wird. Eine von der ABDA legitimierte Arbeitsgruppe ist damit beauftragt, ein solches Leitbild für den modernen Apothekerberuf zusammenzustellen. Hhmm, liebes Tagebuch, da soll also ein Leitbild im stillen Kämmerlein gezimmert und dann der Öffentlichkeit präsentiert werden. Da frage ich mich doch: Warum wird die Leitbilddiskussion von der ABDA nicht öffentlich geführt? Warum sammelt man nicht Meinungen, Anregungen von möglichst vielen Seiten? Man hätte zum Beispiel statt des Frage-Antwort-Spiels in Meran auch eine Diskussionsrunde zum Thema Leitbild ins Leben rufen können. Es wäre schon interessant gewesen, zu erfahren, wie die fortbildungsaktiven Pharmacon-Teilnehmer über ein neues Leitbild für den Apothekerberuf denken. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, mein liebes Tagebuch, dass die da oben mit denen an der Basis nicht wirklich diskutieren wollen.
 
31. Mai 2013

Das ist ja so was von durchsichtig, wie SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück die Apotheker umzirzt. In einem Interview in der Apotheken Umschau pirscht er sich geradezu heran. Beiseite geschoben ist der Leitantrag der SPD, in dem noch von einer gewünschten Liberalisierung des Apothekenmarktes (= Ketten?) gesprochen wird. Vergessen hat er seine Worte vom Neujahrsempfang in Rheinland-Pfalz, in denen er den Apothekern mangelnde Marktwirtschaft vorwarf und die Apothekenanzahl in Deutschland als zu hoch kritisierte. Jetzt tönt er, dass unter einer rot-grünen Bundesregierung die Rolle der Apotheken nicht wesentlich anders sein werde als jetzt. Mein liebes Tagebuch, da fallen wir nicht drauf rein. Was so Feinheiten wie „nicht wesentlich anders“ im Politjargon alles bedeuten könnten, kann ich mir ausmalen.


Die Interessengemeinschaft deutscher Apothekerinnen und Apotheker in Westfalen-Lippe (i-DAA-WL), ein Zusammenschluss – auf Initiative des Apothekers Gunnar Müller  – von einigen wenigen (ja, wie vielen eigentlich?) Apothekerinnen und Apothekern auf Kammerbezirksebene in Westfalen-Lippe, fordert den Deutschen Apothekerverband (DAV) heraus. Die kleine Apothekengruppe möchte detaillierte Infos darüber, u. a. wie die Verhandlungen zum Kassenabschlag gelaufen sind und der Kompromiss zustande gekommen ist. Der DAV wurde „aufgefordert, unverzüglich detailliert Stellung zu beziehen“. Der Ton ist scharf. Die Frage ist, mein liebes Tagebuch, ob man mit diesem Ton Erfolg haben wird. Da der DAV nicht antwortete, wandte sich die Interessengemeinschaft mit ihren Fragen an den regionalen Apothekerverband Westfalen-Lippe und forderte eine Urabstimmung aller Apothekenleiter über den Kompromiss. Klar, fragen kann man, die Basis hat auch ein Recht auf Informationen. Da ist es nicht so recht verständlich, dass keine Antworten von oben kommen. Als beitragszahlendes Mitglied fühlt man sich nicht ernst genommen. Natürlich könnte man den DAV oder AV verstehen, wenn er nicht zu allen Fragen im Detail Stellung beziehen kann oder will – vor allem vor dem Hintergrund, dass der Kompromiss noch nicht in trockenen Tüchern ist. Hallo, mein liebes Tagebuch, wäre es da nicht besser, beide Seiten reden mal miteinander?



Peter Ditzel


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