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HIV/AIDS-Epidemie: Höchste Infektionsrate in den Ländern Afrikas

(uws). AIDS breitet sich vor allem in Afrika unaufhaltsam aus. Der Streit über die Ursache der Krankheit - ausgebrochen anlässlich des 13. Welt-AIDS-Kongresses in Durban in Südafrika (vom 9. bis 14. Juli) - lenkt vom Ausmaß der sozialen und ökonomischen Krise ab. Mit den großen Pestepidemien des Mittelalters wird die Seuche mittlerweile verglichen. Die ganze Welt ist von dieser Katastrophe betroffen.

HIV verursacht die Immunschwäche AIDS. Darüber herrscht weltweit Klarheit und Einvernehmen. Deshalb hat der Streit im Vorfeld des 13. Welt-AIDS-Kongresses im südafrikanischen Durban die wissenschaftliche Welt empört. Thabo Mbeki, der Präsident Südafrikas, soll mit den Ansichten traditioneller Heiler sympathisieren, die den Zusammenhang von HIV und AIDS bestreiten. AIDS sei im Gegenteil eine direkte Folge von Drogen- und Alkoholmissbrauch. Die internationale Forschergemeinde hat darauf entschieden reagiert. Mehr als 5000 Wissenschaftler aus aller Welt unterzeichneten die "Durban-Erklärung", in der die Sachlage kurz und knapp zusammengefasst wird. Der Streit wird sicher bald vergessen sein, aber die Katastrophe bleibt.

Entsetzlich wie die Pest

Das zeigt der soeben veröffentlichte "Report zur globalen HIV/AIDS-Epidemie" des UN-Programms UNAIDS. Vor zehn Jahren noch wurden den Ländern südlich der Sahara 9 Millionen HIV-Infizierte für das Jahr 2000 prophezeit. Der Report weist jedoch 24,5 Millionen aus. Das Ausmaß der Seuche wird bereits mit den Pestepidemien im Mittelalter verglichen. Sie zerstört Familien, macht Tausende von Kindern zu Vollwaisen und holt sich gerade die leistungsfähige junge Generation. Die sehr gute Datenlage liefert ein detailliertes Bild über die Lage Afrikas. In 16 Ländern ist mehr als ein Zehntel der Erwachsenen zwischen 15 und 49 Jahren infiziert. In sieben Ländern ist es sogar jeder fünfte.

Südafrika hält den traurigen Rekord

Südafrika ist ganz besonders schlimm betroffen. Der Anteil der HIV-Infizierten hat sich in zwei Jahren von 12,9% auf jetzt 19,9% der Gesamtbevölkerung erhöht. (Die Regierung von Pretoria soll nur von 10% sprechen.) Mit 4,2 Millionen Infizierten steht Südafrika mit Abstand an der Weltspitze. Peter Piot, geschäftsführender Direktor von UNAIDS, weist darauf hin, dass trotz aller Unterstützung durch die erste Welt die Eindämmung der Epidemie eine nationale Aufgabe sein müsse. Denn eine effektive Bekämpfung erfordere vorbildhaftes Engagement auf allen staatlichen Ebenen. So habe es der Senegal geschafft, die Rate der Neuinfektionen bei 1,77% zu stabilisieren. Uganda konnte sie sogar deutlich von 14% auf immer noch schreckliche 8,3% in zehn Jahren senken.

Die ganze Welt ist betroffen

Die erste Welt und auch Deutschland können sich dieser dramatischen Entwicklung nicht verschließen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin weist in einer aktuellen Studie darauf hin, dass die Migranten aus den Pattern-II-Ländern, das sind Schwarzafrika, die Karibik und Südostasien, bereits einen sehr hohen Anteil der Infizierten in Deutschland stellen. Die Art der Erhebung in Deutschland führt durch den bewussten Verzicht auf die Meldepflicht, auf die namentliche Meldung und sogar auf die Kodierung anonymisierter Daten zu weitgehend untauglichen Daten. Epidemiologisch wichtige Parameter können nicht erfasst werden; gleichzeitig kommt es häufig zur Mehrfachmeldung von Fällen, die nicht erkannt werden können. Die publizierten Zahlen stellen deshalb allenfalls Näherungswerte dar. Trotz allem wird deutlich, dass sich die Anteile der infizierten Gruppen seit 1993 deutlich verschoben haben. Ältere Daten scheinen offenbar nicht brauchbar.

Nur ein Viertel der Neudiagnosen trifft Frauen

Bei den Frauen sind die Daten am klarsten. So bildete in den Achtzigerjahren die Gruppe, die intravenös Drogen konsumiert, bei den Frauen den größten Anteil der Infizierten. Die Daten von 1998 deuten darauf hin, dass infizierte Migrantinnen aus den Pattern-II-Ländern heute mit 37% den größten Teil der Neumeldungen bilden. Sie haben ihren Anteil seit 1993 etwa verdreifacht. Der Teil der auf heterosexuellem Wege infizierten Frauen hat in diesem Zeitraum von etwa 27% auf 30% zugenommen. Frauen, die intravenös Drogen nehmen, machen noch etwa 13% aus. Frauen stellen nur ein Viertel der HIV-Neudiagnosen. Die publizierten Zahlen aller Infizierter weichen deshalb stark ab. In Deutschland leben wahrscheinlich 37 000 Infizierte, davon 29 000 Männer und 8000 Frauen. Im vergangenen Jahr sind 2000 Neuinfizierte erfasst worden. Homo- und bisexuelle Männer sind daran mit 37% beteiligt, Menschen aus den Pattern-II-Ländern bereits mit 18%. Heterosexuelle tragen 15% bei, Drogensüchtige 11%. Bei 17% bleibt der Infektionsweg ungeklärt. Die deutlich verbesserte Vorsorge beschränkt die Zahl neuinfizierter Kinder auf wenige Fälle.

0,1% der Bevölkerung in Deutschland ist infiziert

In Deutschland gelten 0,1% der erwachsenen Bevölkerung ab 15 Jahren als infiziert. Das ist weniger als in Frankreich mit 0,44%, in Italien mit 0,35% und auch in Österreich mit 0,23%. Osteuropa ist insgesamt deutlich weniger betroffen. Doch die höchsten Raten in Europa weisen überraschenderweise die Ukraine mit 0,96% und Portugal mit 0,74% auf. AIDS ist immer noch nicht heilbar. Dennoch gehen in Deutschland die Zahlen der AIDS-Inzidenz und der AIDS-Mortalität seit 1995 durch die besseren medizinischen Möglichkeiten zurück. Da die Zahl der Neudiagnosen offenbar konstant bleibt, nimmt in der Konsequenz die Zahl der Infizierten und Kranken langsam zu. Es sterben also weniger als sich infizieren. Das RKI erwartet aber durch die Zunahme der antiretroviralen Therapie eine steigende Resistenzbildung. Daten aus dem Ausland lassen auch befürchten, dass bessere Therapien die Menschen wieder zu riskanterem Sexualverhalten verführen. Um einen solchen Trend frühzeitig zu erkennen, empfiehlt es, so genannte Surogatmarker des Risikoverhaltens epidemiologisch genauer zu beobachten. Dazu zählt z. B. die Rate der Gonorrhoe-Neuinfektionen.

Müßiger Streit

Die Situation in Deutschland ist mit der in Afrika nicht zu vergleichen. Die empörte Unterschriftenaktion der 5000 Wissenschaftler zeugt nicht von Souveränität. Als ob man sich gegenseitig der naturwissenschaftlichen Weltanschauung versichern müsste. Auch die Forscher scheinen die Seuche meistens unterschätzt zu haben. Jedenfalls ist so manche Prognose über Therapiemöglichkeiten und Ausbreitungsgeschwindigkeit nicht eingetreten. Dass der Welt-AIDS-Kongress nun im Zentrum der Katastrophe stattfindet, ist sicher eine gute Entscheidung gewesen, im Bemühen, die Entwicklungsländer nicht allein zu lassen. Auch wenn manche Präsidenten manchmal falsch beraten werden.

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