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Da können Rabatt- und Marktstrukturen zusammenbrechen! (DAZ-Interview zu Schwar

STUTTGART (daz). Seit dem 1. April 2000 liefert das Monheimer Pharmaunternehmen Schwarz Pharma das hochpreisige Präparat Prostavasin nicht mehr über den pharmazeutischen Großhandel, sondern nur noch direkt aus. Das hat im Markt ziemliche Wogen geschlagen. Als Reaktion haben die Pharmagroßhändler Phoenix, Anzag und GEHE ihre Kunden über den Sachverhalt informiert, mit dem Ziel, Schwarz Pharma zum Einlenken zu bewegen. Die Stuttgarter GEHE hat darüber hinaus eine umfangreiche Aktion gegen den Direktvertrieb von Arzneimitteln gestartet. Mit Fax-Vordrucken wurden die Kunden aufgefordert, bei den Monheimern zu protestieren. Nach Aussage von GEHE sollen zwischenzeitlich mehrere tausend Protestfax-Antworten bei Schwarz eingegangen sein. Die DAZ hat Dr. Henrik Meyer-Hoeven, in der Geschäftsführung von GEHE verantwortlich für Einkauf, Vertrieb und Marketing, zur Situation befragt.

? Herr Dr. Meyer-Hoeven, der Zwist zwischen Schwarz Pharma und GEHE zieht inzwischen weite Kreise. Wie ist der aktuelle Stand? Meyer-Hoeven:

Zunächst einmal möchte ich dem Eindruck entgegenwirken, dass es sich um einen Streit allein zwischen GEHE und Schwarz Pharma handelt. Das ist nicht der Fall. Phoenix und Anzag haben ähnlich, wenn auch nicht so umfangreich reagiert. Und die deutsche Apothekerschaft sollte nicht unerwähnt bleiben, die uns bislang sehr unterstützt hat. Zum Fall selbst kann man sagen, dass Schwarz bis heute nicht eingelenkt hat. Die Firma zeigt sich stur und unbeeindruckt von den zahlreichen Protesten seitens unserer Kunden. Wir bedauern das sehr. Hinzu kommt, dass die Direktbelieferung, das wissen wir aus sehr vielen positiven Zuschriften und Stimmen aus den Apotheken, nicht so funktioniert, wie man es vom Großhandel gewohnt ist. Es gibt immer wieder Probleme. Die Reaktionen von Seiten unserer Kunden war großartig, das kann man nicht anders sagen. Auf kaum eine andere Aktion aus unserem Hause haben wir derart positiven Zuspruch bekommen. Die Apotheken spüren, dass es ums Eingemachte gehen könnte.

?Zu den Motiven: Warum macht GEHE eine solche, nun schon mehrere Wochen andauernde Aktion? Meyer-Hoeven:

Der Direktvertrieb von teueren Arzneien lohnt sich, dass ist unbestritten. Unter anderem bei Schwarz Pharma fehlt aber offenbar die Einsicht in das Thema Rohertragsstrukturausgleich. Darum geht es nämlich. Wir nennen das Mischkalkulation. Einfach gesagt, die teueren Arzneien subventionieren die preiswerten. Fallen die teueren weg, wird die Lieferung der preiswerten Arzneien wiederum teuerer und es gibt keinen oder weniger Rabatt für den Kunden. Ohne die teueren Artikel kann also der Handel die preiswerten nicht bedürfnisgerecht zum Patienten bringen. Wer wie Schwarz Pharma durch derartige Rosinenpickerei an der Grundsäule des Arzneimittelvertriebs rüttelt, sollte diesen Weg auch zu Ende gedacht haben. Darum geht es uns, unseren Kunden und allen anderen Marktteilnehmern, die das ebenso erkannt haben und uns auf ihre Weise unterstützen. Wir haben zum Mittel der Auslistung gegriffen, weil wir Schwarz Pharma demonstrieren wollten, dass ein Vollsortiment zu führen teuer ist.

?Wie reagiert Schwarz Pharma auf die von einigen Großhändlern, auch von GEHE, vorgenommene Auslistung? Meyer-Hoeven:

Schwarz Pharma hat sich per Infoschreiben zum Opfer von Machenschaften zweier Großhandlungen erklärt und quasi "Haltet den Dieb!" gerufen. Wir bedauern diese Weltsicht außerordentlich, da sie sämtliche Reaktionen der Apotheken und der Verbände schlicht ignoriert. "Wir sind der Markt!" möchte man da zurückrufen.

?Im Pharmagroßhandel, so hört man, ziehen nicht alle Unternehmen mit. Warum nicht? Können Sie das näher erläutern? Meyer-Hoeven:

Gut, dass Sie diesen Punkt ansprechen. Das ist uns vollkommen unverständlich. Die einen ziehen nicht mit und andere unterlaufen die Bemühungen durch den Aufbau einer Art Schatten-Großhandels. Das sind dann Tochterunternehmen, die unter dem Namen "Pre-Wholesaling" oder Ähnliches im Auftrag verschiedener Hersteller den Direktvertrieb teuerer Arzneimittel wie Spediteure organisieren. Das ist ein Skandal! Da freuen sich dann die Hersteller und Krankenkassen, wie Sie sich vorstellen können. Diese Großhändler zerstören die Spannenverordnung und machen mit ihrem Zweit-Großhandel Kasse. Ganz nach dem Motto: Umsatz vor Apothekerinteressen. Uns erstaunt, dass es hier noch keine Entrüstung von Seiten der Apotheken gegeben hat.

?Können Sie konkreter werden? Meyer-Hoeven:

Nur soviel, es handelt sich unserer Kenntnis nach ausschließlich um Großhändler, die von ihrer Eigentumsstruktur her eigentlich auf Apothekerseite stehen müssten. Das finden wir bemerkenswert.

?Kann man dagegen etwas tun? Meyer-Hoeven:

Ganz einfach. Jede Apothekerin, jeder Apotheker soll seinem Großhändler mal die Gretchenfrage stellen: "Wie hältst du es mit dem Direktvertrieb?" Interessant ist auch, darauf zu achten, wer was liefert. Eins in aller Deutlichkeit: Sollte das Beispiel Schule machen, wird jeder Großhändler gezwungen sein, früher oder später einen Zweit-Großhandel für teurere Produkte aufzubauen. Der Rest wird dann wie gehabt mehrmals täglich in die Apotheken geliefert. Dass dabei Rabatt- und Marktstrukturen zusammenbrechen würden, sollte jedem klar sein.

?Der Direktvertrieb übt ja offenbar einen gewissen Charme auf die Pharmaindustrie aus. Man hat insgesamt den Eindruck, dass diese Tendenz zunimmt. Meyer-Hoeven:

Eins möchte ich hier klar feststellen: Wir pflegen tatsächlich zu unseren Industriepartnern ein sehr gutes und kollegiales Verhältnis. Das wird so bleiben, daran ändert auch Schwarz Pharma nichts. Andererseits werden wir es nicht zulassen, wenn einzelne Unternehmen, aus welchen Gründen auch immer, auf dem Rücken unserer Kunden, auf dem Rücken von Apotheken, versuchen, ihre Ertragslage verbessern und das bestehende eingespielte System der Arzneimitteldistribution in Deutschland gefährden. Das haben wir früher getan - ich erinnere an unsere Anti-Discounter-Kampagne - und das werden wir auch künftig tun. Da können alle Apotheken sicher sein.

?Starke Worte, aber wie geht es weiter? Meyer-Hoeven:

Nun, wir werden weiter machen und sind für jegliche Unterstützung durch Apotheken und deren Verbände dankbar, denn das Thema ist existenziell. Zahlreiche Anregungen aus Apothekerkreisen zeigen uns, dass das Kapitel Direktvertrieb mit Schwarz Pharma keineswegs erledigt ist. Mit Unterstützung der Apotheken und der Verbände bleiben wir am Ball. Das müssen wir auch, wenn wir unseren Slogan "Gemeinsam die Zukunft gestalten" ernst nehmen wollen. Was Schwarz Pharma angeht, so hoffen wir immer noch auf ein Einsehen in Monheim. Wir sind und bleiben gesprächsbereit.

!Dr. Meyer-Hoeven, vielen Dank für das Gespräch und die offenen, deutlichen Worte!

Seit dem 1. April 2000 liefert das Monheimer Pharmaunternehmen Schwarz Pharma das hochpreisige Präparat Prostavasin nicht mehr über den pharmazeutischen Großhandel, sondern nur noch direkt aus. Als Reaktion hierauf haben die Pharmagroßhändler Phoenix, Anzag und GEHE ihre Kunden über den Sachverhalt informiert, mit dem Ziel, Schwarz Pharma zum Einlenken zu bewegen. Die Stuttgarter GEHE hat darüber hinaus eine umfangreiche Aktion gegen den Direktvertrieb von Arzneimitteln gestartet. Die DAZ hat Dr. Henrik Meyer-Hoeven, in der Geschäftsführung von GEHE verantwortlich für Einkauf, Vertrieb und Marketing, zur Situation befragt.

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