Parasitologie

A. Kaiser:Biotechnologische Malariaforschung –

Schätzungsweise vierhundert Millionen Menschen sind weltweit an Malaria erkrankt. Allein in Afrika sterben daran jedes Jahr eine Million Kinder. Es gibt noch keinen Impfstoff gegen Malaria, und gegen die bislang verwendeten Chemotherapeutika entwickeln die Malariaerreger zunehmend Resistenzen. Die derzeitige Sequenzierung des Genoms von Plasmodium falciparum, dem gefährlichsten Malariaerreger, und die damit verbundene Entschlüsselung funktionell wichtiger Gene eröffnet jedoch neue Möglichkeiten, Targets für eine effektivere Arzneimitteltherapie zu finden oder Impfstoffe zu entwickeln.

Der Entwicklungszyklus von Plasmodium falciparum

Der Entwicklungszyklus der Malariaplasmodien [l] ist mit einem Generationswechsel und einem obligaten Wirtswechsel verbunden, der sich zwischen Mensch und Anopheles-Mücke abspielt. Die Ansteckung erfolgt durch den Stich (eigentlich: Biss) einer weiblichen Anopheles-Mücke, die sich zuvor mit Plasmodien infiziert hat und sie in Form von Sporozoiten in sich trägt (Abb. 1). Sehr wenige (ungefähr zehn) mit dem Speichel der Mücke übertragene Sporozoiten reichen zur Infektion des Menschen aus.

Etwa 45 Minuten nach der Infektion gelangen die Sporozoiten in die Leber, in der sie sich asexuell vermehren: Sie entwickeln sich zu vielkernigen Schizonten, aus denen bei Plasmodium falciparum durch zytoplasmatische Teilung bis zu 30 000 Merozoiten hervorgehen. Nach dieser Initialphase, die sechs bis zehn Tagen dauert, beginnt die erythrozytäre Entwicklung der Plasmodien. Die Merozoiten befallen Erythrozyten in der Blutbahn, in denen sie sich zunächst asexuell vermehren. Der Befall der Erythrozyten verläuft durch die Vermittlung eines Rezeptors an deren Oberfläche, bevor die Parasiten in einer ihrer Vakuolen eingeschlossen werden. In frisch infizierten Erythrozyten erscheinen die Erreger lichtmikroskopisch im Giemsa-Ausstrich ringförmig (Trophozoiten) mit einer zentralen Nahrungsvakuole und dunkel gefärbtem Kern (Abb. 1). Die Trophozoiten wachsen zu Schizonten heran, die als Nahrungsquelle bevorzugt Glucose und Hämoglobin aufnehmen, das zu einem braunschwarzen Pigment, dem Hämozoin, abgebaut wird. Danach erfolgt ein Massenzerfall der Erythrozyten, der mit Fieber einher geht. Die Schizonten setzen Merozoiten frei, die aufs Neue Erythrozyten befallen.

Die Schizogoniezyklen verlaufen in regelmäßigen, bei den einzelnen Plasmodium-Arten unterschiedlichen Zeitintervallen (deshalb z. B. Malaria tertiana bzw. quartana). Bei Plasmodium falciparum dauert ein solches Zeitintervall etwa 48 Stunden, ist aber nicht so rhythmisch wie bei anderen Plasmodium-Arten. Nach mehreren Schizogoniezyklen entwickeln sich einige Plasmodien zu Geschlechtsformen (Gametozyten), die absterben, falls sie nicht von blutsaugenden Anopheles-Mücken aufgenommen werden, in deren Innerem sie sich zu Zygoten vereinigen, die ihrerseits nach einem Reifungsprozess neue Sporozoiten produzieren.

Das Genom von Plasmodium falciparum

Das Genom von Plasmodium falciparum besteht aus vierzehn Chromosomen und umfasst etwa 30 Millionen Basenpaare [2]. Jedes Chromosom hat ungefähr die Größe eines bakteriellen Genoms. Beispielsweise konnten auf dem Chromosom 3 insgesamt 215 Protein-codierende Gene entschlüsselt werden. Im gesamten Genom von Plasmodium falciparum schätzt man die Zahl der Gene auf etwa 6500.

Auffallend ist der hohe Anteil der Basen Adenin und Thymin, der derzeit mit 82% Prozent angegeben wird. Mittlerweile konnte im Genom von Plasmodium falciparum eine Vielzahl von Multigenfamilien [3] identifiziert werden. Dazu gehören beispielsweise clag (cytoadherence-linked asexual genes), var (variable) und rif (repeated-interdispersed family), die nach Befall der Erythrozyten durch Plasmodien für die Synthese von Membranproteinen der Erythrozyten codieren ((Abb. 2), die bei der Anheftung infizierter Erythrozyten an Endothelzellen die entscheidende Rolle spielen und dadurch die weitere Verbreitung des Parasiten gewährleisten.

Neben dem Genom des Zellkerns besitzt Plasmodium falciparum ein mitochondriales Genom von 5900 Basenpaaren sowie ein zirkuläres Genom (Apicoplast) mit 35 000 Basenpaaren, auf dem Gene mit wichtigen metabolischen Funktionen liegen (s. u.). Der Sequenzierung der Chromosomen widmen sich mehrere Forschergruppen. Eine Strategie der Sequenzierung besteht in der Verwendung von artifiziellen Hefechromosomen (yeast artificial chromosomes, YAC), die große Abschnitte des Plasmodium-Genoms enthalten. Diese Technik hat jedoch den Nachteil, dass Rekombinationsvorgänge in den YAC-Genbibliotheken auftreten, weshalb auf die Sequenzierung von kleinen Genomfragmenten zurückgegriffen werden muss.

Membranproteine als Target für die Malariatherapie

Etwa fünfzig Gene im Genom von Plasmodium falciparum (var-Gene oder variable genes) codieren für PfEMP genannte Mebranproteine (Plasmodium falciparum erythrocyte membrane proteins) [4], die die Anheftung infizierter Erythrozyten an Blutgefäße vermitteln (Zytoadhärenz). PfEMP-1 konnte erst kürzlich charakterisiert werden [5]. Es handelt sich um ein 200 bis 350 Kilodalton großes Membranprotein, dessen Antigenität variiert, weil es von zwei verschiedenen Genen codiert wird. Die Tatsache, dass Plasmodium falciparum verschiedene Varianten des Membranproteins PfEMP-1 exprimieren kann, spielt eine wesentlich Rolle für die hohe Virulenz dieses Parasiten. Das Ausschalten der Membranproteine könnte eine zielgerichtete Strategie sein, um vor allem gegen chronische Malariainfektionen vorzugehen. Hier bietet sich die Möglichkeit für einen immunologischen Angriff mit spezifischen Antikörpern, die diese Proteine erkennen, binden und dadurch deren Funktion aufheben.

Oxidativer Stress als chemotherapeutische Strategie

Durch oxidativen Stress können Parasiten und Tumorzellen zerstört werden. Reaktive Sauerstoffverbindungen sind zytotoxisch, weil sie Nucleinsäuren, schwefelhaltige Proteine und Membranlipide schädigen. Eine wesentliche Rolle bei ihrer "Entgiftung" spielt das Tripeptid Glutathion (Abb. 3). Das Flavoenzym Glutathionreductase reduziert in einer NADPH-abhängigen Reaktion oxidiertes Glutathiondisulfid (GSSG) zu reduziertem Glutathion (GSH). Die Glutathionperoxidase katalysiert die entgegengesetzte Reaktion.

Auf einem völlig neuen Therapieansatz beruht die Entwicklung von Arzneimitteln, die die Glutathionreductase des Menschen und des Parasiten hemmen. Durch die Hemmung erhöht sich die Konzentration reaktiver Sauerstoffverbindungen, sodass der Parasit zunehmend oxidativem Stress ausgesetzt ist. Hierzu hat die Arbeitsgruppe von R.H. Schirmer [6] am Biozentrum in Heidelberg grundlegende Forschungen durchgeführt. Bislang wurden in Plasmodium falciparum zwei Gene, die für Glutathionreductase codieren, isoliert [7, 8]. Beide Gene zeigen zu 40 bis 45% Sequenzidentität zu den Glutathionreductasegenen verschiedener Spezies.

Durch Röntgenstrukturanalyse der rekombinanten Glutathionreductasen des Menschen und des Parasiten ist nun ein Vergleich zwischen beiden möglich. Unterschiede bestehen vor allem in der Aminosäuresequenz des aktiven Zentrums (Glutathionbindungsstelle), die sich somit als Target für Arzneistoffe mit selektiver Wirkung gegen Malaria eignet. Die Tatsache, dass die menschliche Glutathionreductase nicht essentiell für die normale Erythrozytenfunktion ist, begründet die therapeutische Nützlichkeit dieses Systems.

Biogenesewege im Apicoplasten als Target

Erst seit zwei Jahren weiß man, dass Plasmodien neben den Genomen des Zellkerns und der Mitochondrien noch ein 35 000 Basenpaare großes DNA-Element besitzen, das vermutlich aus Chloroplasten grüner Algen hervorgegangen ist [9] und als Apicoplast bezeichnet wird.

In einer kürzlich erschienenen Publikation [10] konnten Jomaa und Mitarbeiter in Plasmodium einen Isoprenoidbiogeneseweg nachweisen, der unabhängig von der Mevalonsäure verläuft. Als Ort dieser Biogenese vermutet man den Apicoplasten des Parasiten. Zwei wichtige Gene des Isoprenoidstoffwechsels, die für die D-Xylulose-5-phosphat-Synthase und die D-Xylulose-5-phosphat-Reductoisomerase codieren, konnten inzwischen isoliert werden. Die rekombinante D-Xylulose-5-phosphat-Reductoisomerase ist durch das Antibiotikum Fosmidomycin hemmbar.

Mäuse, die mit dem Nagetiermalariaerreger Plasmodium vinckei infiziert waren, konnten nach Behandlung mit Fosmidomycin von der Infektion geheilt werden. Damit ließe sich theoretisch ein Stoffwechselweg, der nur im Parasiten existiert, blockieren.

Malariaschnelltests

Mittlerweile hat die biotechnologische Malariaforschung im Bereich der Diagnostik, insbesondere in Form von Malariaschnelltests, ihren Einzug gehalten (Tab. 1). Grund hierfür ist vor allem, dass die Giemsa-Färbung des Erregers im Lichtmikroskop eine besondere Expertise voraussetzt.

  • Der ICT-Test [11] beruht auf dem Nachweis des histidinreichen Proteins HRP-2 aus Plasmodium falciparum, das als wasserlösliches Antigen aus infizierten Erythrozyten freigesetzt wird. HRP-2 wurde inzwischen kloniert und sequenziert. Antikörper gegen HRP-2 sind im ICT-Test an Gold-Kolloid gebunden und in den Teststreifen imprägniert.
  • Der ParaSight-F-Test verwendet monoklonale murine Antikörper gegen IgG-1 des Erregers.

Evaluiert man nun die Empfindlichkeit der Malariaschnelltests, so lassen sich keine signifikanten Unterschiede feststellen. Die Spezifität wird für den ICT-Test mit 84,5% angegeben, für den ParaSight-F-Test mit 97%. Bedenklich ist jedoch, dass es bei diesen Malariaschnelltests häufig zu falschen Ergebnissen auch bei niedrigen Parasitämien kommt, so zum Beispiel durch Kreuzreaktion der Antikörper mit Rheumafaktoren. Als Fazit für die Praxis ergibt sich, dass diese Malariaschnelltests nicht für eine routinemäßige Anwendung genutzt werden können, sondern dass die Grundlage der Malariadiagnostik auch weiterhin der dünne und dicke Blutausstrich bleibt.

Kastentext: Genetik und Therapie

Derzeit wird das Genom von Plasmodium falciparum, dem gefährlichsten Malariaerreger, sequenziert. Einige für die Pathogenität wichtige Gene des Parasiten wurden bereits entschlüsselt. Auch an der Sequenzierung des Genoms der Anopheles- Mücke wird gearbeitet. In wenigen Jahren werden die für die Verbreitung der Malaria wichtigen Gene des Parasiten, des Überträgers und des Wirts bekannt sein. Davon erhofft man sich eine Optimierung der Therapie. Genetik und Therapie

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Hanns-M. Seitz, Institut für Medizinische Parasitologie, Bonn, für die kritische Durchsicht des Manuskripts sowie die Überlassung der Fotografie der Anopheles-Mücke.

Literatur

[1] Kayser, H. F., et al.: Medizinische Mikrobiologie. 9. überarbeitete Auflage, Thieme Verlag, Stuttgart 1998. [2] Barrell, B. G., et al.: The complete nucleotide sequence of chromosome 3 of Plasmodium falciparum. Nature 400, 532 – 538 (1999). [3] Wahlgreen, M., Bejarano, M. T.: A blueprint of bad air. Nature 400, 506 – 507 (1999). [4] Cheng, Q.: Stevor and rif are Plasmodium falciparum multicopy gene families which potentiallly encode variant antigens. Mol. Biochem. Parasitol. 97, 161 – 176 (1998). [5] Baruch, D., et al.: Cloning the P. falciparum gene encoding PfEMP1, a malarial variant antigen and adherence receptor on the surface of parasitized human erythrocytes. Cell 82, 77 – 87 (1995). [6] Schirmer, R. H., et al.: Disulfide-Reductase inhibitors as chemotherapeutic agents: The Design of drugs for Trypanosomiasis and Malaria. Angew. Chem. lnt. Ed. Engl. 34, 141 – 154 (1995). [7] Müller, S., et al.: Plasmodium falciparum glutathione reductase exhibits sequence similarities with the human host enzyme in the core structure but differs at the ligand-binding sites. Mol. Biochem. Parasitol. 74, 11 – 18 (1995). [8] Färber, P., et al.: Molecular cloning and characterization of a putative glutathione reductase gene, the PfGR2 gene, from Plasmodium falciparum. Eur. J. Biochem. 239, 655 – 661 (1996). [9] Köhler, S., et al.: A plastid of probable green algal origin in apicomplexan parasites. Science 275, 1485 – 1488 (1997). [10] Jomaa, H., et al.: Inhibitors of the nonmevalonate pathway of isoprenoid biosynthesis as antimalarial drugs. Science 285, 1573 – 1576 (1999). [11] Burchard, G.-D.: Malariaschnelltests. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz 42, 643 – 649 (1999).

Schätzungsweise 400 Millionen Menschen sind weltweit an Malaria erkrankt. Es gibt noch keinen Impfstoff, und gegen die bislang verwendeten Chemotherapeutika entwickeln die Malariaerreger zunehmend Resistenzen. Die Entschlüsselung des Genoms von Plasmodium falciparum, dem Erreger der Malaria tropica, eröffnet jedoch neue Möglichkeiten, Targets für eine effektivere Therapie zu finden. Einen weiteren Beitrag zu diesem Thema finden Sie auf Seite 92.

Das könnte Sie auch interessieren

Neuer Malaria-Impfstoff lässt hoffen

Quicklebendige Sporozoiten plus Chloroquin

Bewährungsprobe für zwei Kandidaten

Warten auf die Malaria-Impfung

Gute Heilungschancen bei rechtzeitiger Diagnose und Therapie

Trotz Ebola Malaria nicht aus dem Blick verlieren

Der lange Weg zu einem effektiven Malaria-Impfstoff

Ein großer Schritt in Richtung Ziel

Malaria-Erreger profitieren, wenn sie von alten Stechmücken übertragen werden

Plasmodien lassen sich Zeit

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.