Arzneimittel und Therapie

Neuer Topoisomerase-I-Inhibitor: Irinotecan: "Second-line" beim metastasierenden

Nach Topotecan kommt jetzt ein weiterer Topoisomerase-I-Inhibitor in Deutschland auf den Markt: Irinotecan (Campto®). Er ist als "Second-line-Therapeutikum" bei Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalen Karzinom indiziert.

Die Überlebenschancen für Patienten mit metastasierenden Kolorektalkarzinomen sind schlecht. Lange war eine optimale supportive Therapie, also die Behandlung von Schmerzen und tumorbedingten Symptomen, das einzige Angebot, das die Medizin diesen Patienten noch machen konnte.

Palliative Chemotherapie Vor einigen Jahren wurde jedoch der Wert einer palliativen Chemotherapie erkannt und als bislang einziges "First-line-Therapieregime" die Gabe von Fluorouracil in Kombination mit Folinsäure etabliert. Erreichbar sind damit objektive Remissionsraten von etwa 20 Prozent und eine Kontrolle des Tumorwachstums von 50 Prozent. Der Profit für den Patienten ist allerdings trotzdem eher gering: Die Zeit bis zur Tumorprogression wird mit vier Monaten angegeben. Die Verbesserung der Überlebenszeit im Vergleich zur supportiven Therapie liegt bei wenigen Monaten. Die Überlebensdauer scheint dabei um so länger zu sein, je früher mit der Behandlung begonnen wird. Bessere Ergebnisse verspricht man sich, wenn Fluorouracil nicht mehr wie üblich als Bolus, sondern als protrahierte Infusion gegeben wird. Entsprechende Studienergebnisse sind für 1999 zu erwarten.

Irinotecan: wenn Fluorouracil versagt Der neue Topoisomerase-Inhibitor soll nun in die Bresche springen, wenn die Therapie mit Fluorouracil/Folinsäure versagt. Irinotecan (Campto®), das aus dem Pflanzenalkaloid Campothecin weiterentwickelt wurde, wurde als "Second-line-Therapeutikum" bislang in zwei prospektiven, randomisierten Vergleichsstudien untersucht.
• Vergleich mit optimaler supportiver Therapie: 279 Patienten mit auf Fluorouracil refraktärem kolorektalen Karzinom erhielten entweder Irinotecan (n=189) oder eine unterstützende Therapie. Die Ein-Jahres-Überlebensrate lag bei 36 Prozent unter Irinotecan im Vergleich zu 14 Prozent unter supportiver Therapie. Insgesamt wurde eine Verlängerung der Überlebenszeit von etwa sechs Monaten erreicht. Die Lebensqualität hatte sich, so ergaben Patienten-Fragebögen, unter Irinotecan ebenfalls verbessert - trotz erheblicher Nebenwirkungen.
• Vergleich mit hochdosierter Fluorouracil-Infusionstherapie: 267 Patienten mit kolorektalem Karzinom, bei denen die Standardtherpaie mit Fluorouracil versagt hatte, erhielten entweder Irinotecan oder Fluorouracil in hohen Dosen. Die Ein-Jahres-Überlebensrate lag unter Irinotecan bei 45 Prozent, unter Fluorouracil bei 32 Prozent. Die Lebensqualität wurde in beiden Patientengruppen etwa gleich beurteilt.

Erhebliche Nebenwirkungen: schwere Durchfälle Der Gewinn einiger Lebensmonate durch Irinotecan wird allerdings mit teilweise gravierenden Nebenwirkungen bezahlt. So kommt es bei etwa 80 Prozent der Patienten zu einer vorübergehenden Neutropenie, bei etwa 30 Prozent in schwerer Form. Das größere therapeutische Problem bereiten jedoch schwere, verspätet auftretende Durchfälle. Etwa 87 Prozent aller Patienten leiden darunter, 39 Prozent davon schwer. Um die Zahl gravierender Diarrhöen zu verringern, müssen die Patienten darauf hingewiesen werden, daß sie beim Auftreten von Durchfällen sofort den Arzt aufsuchen müssen. Durch eine sofortige intensive Behandlung mit Loperamid läßt sich dieses Symptom oft gut behandeln. Halten die Diarrhöen über 24 Stunden an, ist eine orale Antibiotikatherapie mit Chinolonen indiziert. Patienten, die länger als zwei Tage unter Durchfällen leiden oder zusätzlich Fieber bekommen, müssen hospitalisiert werden. Übelkeit und Erbrechen können mit den üblichen Antiemetika behandelt werden.

Blick in die Zukunft Möglicherweise werden die Indikationen für Irinotecan in den nächsten Jahren erweitert werden. Untersucht wird derzeit eine Kombinationstherapie von Irinotecan plus Fluorouracil plus Folinsäure bei palliativ nicht vorbehandelten Patienten. Die Ergebnisse sind im Herbst zu erwarten. Zudem wird die Wirksamkeit dieser Substanz bei anderen Tumorentitäten, wie Magen-, Bronchial-, Zervix- oder hämatologischen Tumoren mit mehr oder weniger großem Erfolg getestet. Die jetzt anstehende Zulassung gilt jedoch ausschließlich für die Indikation "Fluorouracil-refraktäres kolorektales Karzinom".

Quelle Prof. Dr. Hans-Joachim Wilke, Essen, Dr. Andreas Harstrick, Essen, Dr. Claus-Henning Köhne, Berlin, Prof. Dr. Ulf Fink, München, Pressekonferenz "Campto® (Irinotecan) - Perspektiven in der Therapie fortgeschritteneer gastrointestinaler Tumore", München, 27. Mai 1998, veranstaltet von Rhone-Poulenc-Rorer Arzneimittel GmbH, Wiesbaden. Dr. Beate Fessler, München

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