Faktor XI

Kommen bald Gerinnungshemmer mit geringerem Blutungsrisiko?

Stuttgart - 12.04.2022, 12:14 Uhr

Kennen Sie Abelacimab, Osocimab, Asundexian oder Milvexian? (c / Foto: Tatiana Shepeleva / AdobeStock)

Kennen Sie Abelacimab, Osocimab, Asundexian oder Milvexian? (c / Foto: Tatiana Shepeleva / AdobeStock)


Neben den Vitamin K-Antagonisten gibt es die sogenannten direkten oralen Antikoagulanzien. Sie hemmen spezifisch einzelne Gerinnungsfaktoren, beispielsweise den Faktor IIa oder Faktor Xa. Diese DOAKs sind zwar besser steuerbar, erhöhen aber auch das allgemeine Blutungsrisiko. Gerinnungshemmer mit gleicher Wirkung, aber geringerem Blutungsrisiko wären also wünschenswert. Tatsächlich finden sich mehrere gegen den Faktor XI in der Entwicklung. 

Im Februar meldete die Nachrichtenagentur dpa, dass Bayers Medikamentenkandidat Asundexian in den USA den sogenannten Fast-Track-Status erhalten hat. Der Gerinnungshemmer, der als Prüfpräparat auch unter dem Namen BAY2433334 läuft, könnte damit beschleunigt zugelassen werden. Konkret ging es um den potenziellen Einsatz zur Sekundärprävention bei Patienten mit nicht-kardioembolischem ischämischem Schlaganfall. Bayer entwickelt aber demnach neben der genannten Indikation Asundexian auch für die Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern (Herzrhythmusstörung) sowie kürzlich aufgetretene Herzinfarkte. Der Wirkstoff befinde sich derzeit in allen drei Indikationen in klinischen Studien der Phase II.

Am 4. April hieß es dann, dass Bayer mitgeteilt habe, dass eine Phase-IIb-Studie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern (Herzrhythmusstörung) und Schlaganfallrisiko ein geringeres Blutungsrisiko von Asundexian im Vergleich zum Standardmedikament Apixaban zeige. Abhängig von der Auswertung der Details könnte die zulassungsrelevante Phase-III-Studie noch 2022 starten, sagte sodann ein Sprecher. Konkret seien in dieser Studie namens Pacific-AF die Blutungsraten für den primären Endpunkt (schwere und klinisch relevante nicht schwere Blutung nach den Kriterien der Fachorganisation ISTH) um 67 Prozent reduziert gewesen, hieß es.

20 mg oder 50 mg Asundexian

Jetzt hat sich vergangenen Freitag auch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) mit einer Pressemitteilung zu Asundexian geäußert: Man hofft demnach auf ein neues Medikament zur Gerinnungshemmung für die Schlaganfallprävention – und zwar mit geringem Blutungsrisiko: Asundexian habe in der Phase-II-Studie eine hohe gerinnungshemmende Wirksamkeit bei gleichzeitig deutlich reduziertem Blutungsrisiko gezeigt. 

Neben den klassischen Vitamin-K-Antagonisten (Marcumar®) seien seit einiger Zeit die sogenannten direkten oralen Antikoagulanzien (DOAKs) verfügbar, die spezifisch einzelne Gerinnungsfaktoren (Proteine) hemmen, beispielsweise den Faktor IIa (Dabigatran) oder Faktor Xa (Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban). DOAKs seien besser steuerbar als Marcumar, da die Wirkung praktisch sofort einsetzt und beim Absetzen auch schnell wieder nachlässt. Alle Präparate hätten jedoch das Problem, dass sie nicht nur die Gerinnung hemmen, sondern gleichzeitig das allgemeine Blutungsrisiko leicht erhöhen. Erst 2019 war ein entsprechendes Antidot für Apixaban und Rivaroxaban zugelassen worden, für Dabigatran bereits 2015.

Mehr zum Thema

Beschleunigtes Prüfverfahren

Pradaxa-Antidot ist zugelassen

Die nun publizierte Phase-II-Dosisfindungsstudie „Pacific-AF“ hat randomisiert doppelblind zwei Dosierungen Asundexian gegenüber einer Standardbehandlung mit Apixaban bei Menschen ab 45 Jahren mit Vorhofflimmern hinsichtlich der Inzidenz von Blutungsereignissen verglichen. Die Studie wurde laut DGN in 14 Ländern an insgesamt 93 Zentren durchgeführt (12 europäische Länder, Kanada und Japan). Die Teilnehmenden wurden in drei gleichgroße Gruppen randomisiert und erhielten einmal täglich 20 mg oder 50 mg Asundexian oder zweimal täglich 5 mg Apixaban. Insgesamt wurden 755 geeignete Patientinnen und Patienten randomisiert und 753 ausgewertet (249 erhielten 20 mg und 254 erhielten 50 mg Asundexian und 250 hatten Apixaban). Das mittlere Alter der Teilnehmenden lag bei 73,7±8,3 Jahren.

Asundexian greift an Faktor XIa an

„Bei Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern mit dem Faktor XIa-Inhibitor Asundexian – in zwei verschiedenen Dosierungen – gab es mit insgesamt 4/503 (0,8%) deutlich weniger Blutungsereignisse als mit der Apixaban-Standardmedikation mit 6/250 (2,4%)“, so das Fazit von Prof. Hans Christoph Diener, Pressesprecher der DGN. Die Ergebnisse seien vielversprechend, sodass man nun mit Spannung prospektive klinische Outcome-Studien zur Schlaganfallprävention für diese neue Substanz erwarte.

Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete, haben sich auch Johnson & Johnson mit Bristol-Myers Squibb (BMS) zusammengetan, um einen potenziellen Asundexian-Konkurrenten weiterzuentwickeln: Milvexian. Laut einer Studie von Ende letzten Jahres könnten Faktor-XIa-Inhibitoren damit als Wirkstoffklasse wirksamer sein und zu weniger Blutungen führen, als bisherige Antikoagulanzien. 

Auch Abelacimab greift an Faktor XI an. Zu dem Wirkstoff ist bereits im August 2021 eine Studie erschienen. Allerdings handelt es sich wie bei Osocimab, wozu schon 2020 eine Studie erschienen ist, um einen Antikörper, was beispielsweise eine orale Gabe unmöglich macht. Asundexian und Milvexian gehören hingegen zu den „small molecules“. 


Deutsche Apotheker Zeitung / dm
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Immer das gleiche Spiel

von Stefan Siebert am 12.04.2022 um 14:12 Uhr

Es ist doch immer das gleiche Spiel. Kurz vor Ablauf des Patentschutzes bringt die Pharmaindustrie ein viel besseres und viel sicheres Folgepräparat auf den Markt.
Pharmareferenten werden wieder die Arztpraxen stürmen und ihr Produkt in höchsten Tönen loben. Zusätzlich wird sicherlich auch noch etwas für die Ärzteschaft zu verdienen sein. Siehe Anwendungsbeobachtungen!
Der Aktienkurs steigt und alle sind zufrieden.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.