Arzneimittel und Therapie

Thrombin- und Faktor-Xa-Inhibitoren als Alternative

Was leisten die neuen oralen Antikoagulanzien Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban bei Patienten mit Vorhofflimmern? Sind sie Vitamin-K-Antagonisten überlegen und welche Vor- und Nachteile ergeben sich im Vergleich mit der herkömmlichen Standardtherapie? Mit diesen Fragen befasste sich Prof. Dr. Dietmar Trenk, Freiburg, beim 41. Schwarzwälder Frühjahrskongress am 24. März 2013 in Villingen.

Seit Kurzem stehen für Patienten mit Vorhofflimmern drei neue orale Antikoagulanzien (NOAK) zur Schlaganfallprophylaxe zur Verfügung. Im Gegensatz zu Vitamin-K-Antagonisten (Phenprocoumon [Marcumar® ] bzw. das außerhalb Deutschlands eingesetzte Warfarin), die mehrere Gerinnungsfaktoren hemmen, greifen diese Wirkstoffe nur an einer Stelle der Blutgerinnung ein. Dabigatran ist ein direkter Faktor II a (= Thrombin)-Inhibitor, Rivaroxaban und Apixaban hemmen den Faktor Xa. Sie werden nicht nur zur Schlaganfallprophylaxe eingesetzt, sondern finden auch zur Prophylaxe venöser Thromboembolien nach elektiven Hüft- oder Kniegelenkersatzoperationen (alle drei neuen oralen Antikoagulanzien) oder zur Behandlung und Prophylaxe von Lungenembolien und tiefen Venenthrombosen (Rivaroxaban) Anwendung.

Derzeit steht vor allem ihr Einsatz zur Schlaganfallprophylaxe im Mittelpunkt des Interesses. Die neuen oralen Antikoagulanzien sind zugelassen zur Prophylaxe des Schlaganfalls und der systemischen Embolie bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern. Das nicht-valvuläre Vorhofflimmern ist eine häufig auftretende, oftmals asymptomatisch verlaufende Arrhythmie, die mit einem hohen Schlaganfallrisiko einhergeht. Patienten mit Vorhofflimmern machen ungefähr ein Viertel bis ein Drittel aller Schlaganfallpatienten aus. Die bisherige Standardtherapie für diese Patientengruppe ist die Behandlung mit Phenprocoumon bzw. mit Warfarin.


Einige Charakteristika der neuen oralen Antikoagulanzien im Vergleich mit Phenprocoumon

Phenprocoumon
(Marcumar®)
Dabigatran
(Pradaxa®)
Rivaroxaban (Xarelto®)
Apixaban
(Eliquis®)
Wirk-
mecha-
nismus
hemmt Vitamin-K-Epoxidreduktase → F II, VII, IX und X
hemmt Faktor II a
hemmt Faktor Xa
hemmt Faktor Xa
Antidot
Vitamin K; PPSB
nein
nein
nein
Bioverfüg-
barkeit
> 95%
6,5%
80 bis 100%
50%
Halbwerts-
zeit
150 Stunden
12 bis 14 Stunden
5 bis 13 Stunden
8 bis 15 Stunden
Tmax
2 bis 3 Stunden; die maximale Gerinnungshemmung wird nach 48 bis 72 Stunden erreicht
0,5 bis 2 Stunden
1 bis 4 Stunden
3 bis 4 Stunden
Elimination
hepatisch
überwiegend renal,
eingeschränkte Nierenfunktion muss berücksichtigt werden
zwei Drittel renal
überwiegend hepatisch eliminiert,
27% renal
Besonder-
heiten bei
der Einnahme
zahlreiche Interaktionen mit Nahrungs- und Arzneimitteln
Einnahme zu oder unabhängig von der Mahlzeit; Kapseln nicht öffnen, da sonst die Bioverfügbarkeit ansteigt mit der Folge einer erhöhten Blutungsgefahr
Einnahme mit dem Essen;
auf Interaktionen achten
Einnahme unabhängig von der Mahlzeit,
kein Einfluss der Nahrungsmittel

Zulassungsstudien zur Schlaganfallprävention

In den Zulassungsstudien wurden Dabigatran (RE-LY), Apixaban (ARISTOTELE), Rivaroxaban (ROCKET-AF) bei Patienten mit Vorhofflimmern mit dem Vitamin-K-Antagonisten Warfarin verglichen. In allen drei Studien wurden Wirksamkeit (kombinierter Endpunkt bestehend aus Schlaganfall und systemischer Embolie) und Sicherheit (Blutungen) ermittelt.

  • In der RE-LY-Studie (n = 18.113) wurden zwei unterschiedliche Dosierungen von Dabigatran (2 x 150 mg täglich bzw. 2 x täglich 110 mg) mit Warfarin verglichen. Die Wirksamkeit der niedrigen Dosis war mit derjenigen von Warfarin vergleichbar, wobei unter Dabigatran signifikant weniger Blutungen auftraten. Die höhere Dosis zeigte eine bessere Wirkung als Warfarin, die Häufigkeit schwerer Blutungen war mit der Warfarin-Behandlung vergleichbar.

  • In der ROCKET-AF-Studie (n = 14.264; Einschluss von Patienten mit hohem Risikoprofil) trat der Wirksamkeitsendpunkt unter Rivaroxaban seltener auf als unter Warfarin, es wurde also eine höhere Risikoreduktion beobachtet. Schwerwiegende Blutungen, insbesondere intrakranielle Blutungen, traten seltener, leichte Blutungen häufiger auf als unter Warfarin.

  • In der ARISTOTELE-Studie (n = 18.201) traten unter Apixaban Schlaganfall und systemische Embolie signifikant seltener auf als unter Warfarin. Die Gesamtsterblichkeit konnte unter Apixaban leicht gesenkt werden. Unter Apixaban traten weniger schwere und weniger intrakranielle Blutungen auf als unter Warfarin.

In den Zulassungsstudien zeigte sich somit für alle drei Substanzen ein günstigeres Nutzen-Risiken-Verhältnis als unter Warfarin. Wie groß der langfristige Benefit sein wird, lässt sich derzeit schlecht abschätzen.


NOAKS zur Prophylaxe bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern


  • direkte Thrombin- und Faktor-Xa- Inhibitoren sind Vitamin-K-Antagonisten bezüglich Effektivität und Sicherheit zumindest ebenbürtig, teilweise signifikant überlegen

  • schwere Blutungen sind unter Dabigatran 2 x 110 mg und Apixaban reduziert

  • intrakranielle Blutungen treten unter allen drei Wirkstoffen seltener auf

  • routinemäßige Gerinnungskontrollen sind nicht erforderlich

  • im Vergleich zu Marcumar® erfolgt ein schnellerer Wirkungseintritt, neue orale Antikoagulanzien weisen eine kürzere Halbwertszeit auf

  • derzeit gibt es noch kein spezifisches Antidot

  • im Vergleich zu einer Therapie mit Marcumar® sind die Kosten rund 5- bis 15-mal höher.

Konsequenzen für die Praxis

Werden die neuen oralen Antikoagulanzien die Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern revolutionieren? Diese Frage verneinte Trenk, da gut eingestellte Marcumar®-Patienten nicht umgestellt werden müssen. Bei Neueinstellungen kann je nach Patientencharakteristika und Risikoscore ein neues orales Antikoagulanz bevorzugt werden. Für diese Wirkstoffe sprechen ihre schnelle Wirksamkeit, ein überschaubares Interaktionspotenzial und die einfache Handhabung, da keine routinemäßigen Kontrollen erforderlich sind. Zudem steht der Patient diesen Wirkstoffen nicht negativ gegenüber, wie es bei der Verordnung von Marcumar® häufig der Fall ist. Von Nachteil sind das Fehlen eines Antidots und Probleme beim Monitoring der Blutgerinnung. Ferner schlagen die Therapiekosten zu Buche, die Jahreskosten für eine Therapie mit Marcumar® liegen bei rund 80 Euro, bei einer Behandlung mit den neuen oralen Antikoagulanzien bei etwa 1300 Euro.


Apothekerin Dr. Petra Jungmayr


Zum Weiterlesen


Neue orale Antikoagulanzien. Hintergrundwissen für die Beratung bei Dabigatran und Rivaroxaban.

DAZ 2012, Nr. 28, S. 46– 52.



DAZ 2013, Nr. 14, S. 28

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