Online-Fachveranstaltung: Münchner Sportkardiologie

Individuell: Sport bei und trotz Hypertonie

Stuttgart - 30.04.2021, 14:45 Uhr

Hypertonie: Wie sollten Sportler mit der Diagnose umgehen? Dürfen sie überhaupt an Wettkämpfen teilnehmen und wie werden sie therapiert? (x / Foto: New Africa / AdobeStock)

Hypertonie: Wie sollten Sportler mit der Diagnose umgehen? Dürfen sie überhaupt an Wettkämpfen teilnehmen und wie werden sie therapiert? (x / Foto: New Africa / AdobeStock)


Bei Belastung steigt der Blutdruck kurzfristig. Doch wie sollen Sportler damit umgehen, wenn ihr Blutdruck über das Ziel hinaus schießt? Durch Optimierung des Lebensstils, das passende Training und medikamentöse Blutdruckeinstellung sind Wettkämpfe oft trotzdem möglich.

Arterielle Hypertonie ist mit einer weltweiten Prävalenz von 31 Prozent eine Volkskrankheit. Häufige Ursachen für eine primäre Hypertonie sind Lebensstilfaktoren, ein zunehmendes Alter sowie Immobilisierung. Doch die Krankheit macht selbst vor jungen Athleten nicht Halt: Rund 3 Prozent zwischen 20 und 30 Jahren leiden an Bluthochdruck. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Was Sportler mit Bluthochdruck beachten sollten, diskutierten Kardiologen und Sportmediziner am vergangenen Mittwoch bei der Online-Fachveranstaltung „Münchner Sportkardiologie“ der Technischen Universität.

Belastungshypertonus ernst nehmen

Im Idealfall liegt der Blutdruck um 120/80 mmHg. Klettert er regelmäßig höher, muss genauer hingeschaut werden. „Mit 140/90 mmHg bei einem jungen Menschen ist man definitiv im Bluthochdruck“, sagt Professor Martin Halle, ärztlicher Direktor der TU München. Gerade bei ihnen müssen andere Erkrankungen ausgeschlossen werden. „Häufigste Ursache einer sekundären Hypertonie ist der primäre Hyperaldosteronismus (Conn-Syndrom)“, erklärt Assistenzarzt Felix Stegmüller, der die Veranstaltung moderiert. Jede rasche, akute Verschlechterung sollte hellhörig machen. 85 Prozent der Patienten haben aber einen primären Hypertonus. 

Bei manchen Sportlern ist bereits der Ruhe-Blutdruck erhöht, andere zeigen „nur“ einen Belastungs-Hypertonus. Dieser fällt durch Ergometrie auf, bei der Patienten bei standardisierten Bedingungen unter EKG- und Blutdruckkontrolle trainieren. Bei Männern steigt dabei der systolische Blutdruck üblicherweise nicht über 220 mmHg. Falls doch, konnte eine Studie ein erhöhtes Risiko für die spätere Entwicklung eines behandlungsbedürftigen Hypertonus in Ruhe feststellen. 

Tückischerweise tut Bluthochdruck nicht weh, verursacht unbehandelt aber Schäden. „Auch beim Athletenherz kann es zu einer Fibrosierung kommen“, warnt Professor Christian Stumpf des Klinikums Bayreuth. Die Diagnose ist daher ebenso wichtig wie die Unterscheidung zwischen einem Sportlerherz und einer hypertensiven Herzkrankheit. Er untersucht Athleten selbst dann echokardiografisch, wenn der Hypertonus nur unter Belastung sichtbar wird, und verfolgt diese besonders intensiv nach. 

Risikoadaptierte Therapie

Doch wie sollten Sportler mit der Diagnose umgehen? Dürfen sie überhaupt an Wettkämpfen teilnehmen und wie werden sie therapiert? Die Antworten hängen von individuellen Faktoren ab wie der Sportart, Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus sowie Art und Höhe des Hypertonus. „Es ist wichtig, dass wir eine risikoadaptierte Therapie anbieten“, so Stumpf. Nur bei Hypertonie Grad III und/oder hohem Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen sei eine sofortige medikamentöse Therapie indiziert. Erster Schritt ist ansonsten eine primäre Lebensstil-Intervention und aerobes Ausdauertraining. Eine Einschränkung des Koffeinkonsums sei nicht nötig, jedoch wird eine Salzrestriktion auf < 5 g pro Tag, eine Reduktion des Alkoholkonsums sowie ausgewogene Ernährung empfohlen. Eine gute Datenlage gibt es für die sogenannte DASH-Diät (Dietary Approaches to Stop Hypertension), die reich an Obst und Gemüse, fettarmen Milchprodukten sowie Vollkornprodukten und Nüssen ist. Geflügel und Fisch dürfen ebenfalls auf den Tisch.

Training individuell anpassen

Sind die Blutdruckwerte auch in Ruhe erhöht, empfiehlt die Leitlinie ein temporäres Wettkampfverbot – nicht aber ein Sportverbot. Halle erinnert daran, dass Lebensstil-Interventionen für Sportler gänzlich andere seien als bei adipösen Patienten. Die Experten empfehlen Sportlern fünf- bis siebenmal wöchentlich ein aerobes Training von mindestens 30 Minuten Dauer zusätzlich zu moderatem Krafttraining. Auf intensive Intervalle sowie Krafttraining mit hohen Gewichten sollten sie verzichten. Stattdessen sei zwei- bis dreimal pro Woche dynamisches Krafttraining mit moderaten Intensitäten geeignet. Eine genaue Trainingsanamnese gehört für Stumpf dazu. Er habe die Erfahrung gemacht, dass mit einer Trainingsumstellung schon sehr viel erreicht werden könne. Denn viele merken womöglich gar nicht, wenn sie – etwa als Manager in der Midlife-Crisis – völlig jenseits der eigenen Schwelle trainieren. 

Laut einer Metaanalyse profitieren Hypertoniker abhängig von ihrer Ausgangslage von unterschiedlichen Trainingsarten. „Leute mit einer manifesten Hypertonie profitieren noch immer am meisten von einem aeroben Ausdauertraining“, so Stegmüller. Bei hochnormalen Blutdruckpatienten lohne sich hingegen besonders dynamisches Krafttraining, während der Blutdruck bei normotensiven Menschen durch isometrisches Krafttraining am meisten sinke. Letzteres sind Übungen, in denen keine Bewegung der Muskulatur stattfindet, wie etwa im Unterarmstütz. Kombinierte Trainingsformen seien kaum untersucht. Neben der Trainingsart und -intensität sollte auch auf der Technik ein besonderes Augenmerk liegen. Ein Beispiel ist die Pressatmung. Nur korrekt und kurz eingesetzt, also für etwa drei bis fünf Sekunden, erhöhe das Valsalva-Manöver den Nettodruck auf das Myokard nicht. 

An Dopingliste denken

Gelingt trotzdem keine ausreichende Blutdrucksenkung, ergibt eine Pharmakotherapie Sinn. Bis etwa 150 mmHG könne eine Monotherapie genügen. Für Sportler kommen insbesondere ACE-Hemmer oder Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (Sartane) infrage. Diese haben keinen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Gleiches gilt für Amlodipin und Lercanidipin. Die sonst gerne verwendeten Diuretika stehen hingegen auf der Dopingliste, da sie die Anwendung leistungssteigernder Substanzen verschleiern. Betablocker wirken sich oft negativ auf die körperliche Leistungsfähigkeit aus, stellen aber eine Option für Frauen im gebärfähigen Alter dar. Bei bestimmten Disziplinen wie dem Schießen fallen sie ebenfalls unter die NADA(=Nationale Anti-Doping-Agentur)-Liste. Sind Sportler bradykard, müsse man mit Verapamil und Diltiazem aufgrund ihrer negativ chronotropen Effekte aufpassen. 

Ist der Blutdruck dann gut eingestellt, geht für Sportler fast alles. Die Wettkampffreigabe erfolgt jedoch risikoadaptiert. Denn bei hohem oder sehr hohem Risiko für Komplikationen wird von hochintensiven Sportarten abgeraten.



Anna Carolin Antropov, Apothekerin
redaktion@daz.online


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