Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags

Spahn verstößt mit Google-Kooperation gegen Pressefreiheit

Stuttgart - 19.02.2021, 15:15 Uhr

Das BMG-Portal gesund.bund.de (Screenshot: https://gesund.bund.de/)

Das BMG-Portal gesund.bund.de (Screenshot: https://gesund.bund.de/)


Die Zusammenarbeit des Bundesgesundheitsministeriums mit der Internet-Suchmaschine Google wurde bereits vom Landgericht München untersagt. Nun werden die richterlichen Verfügungen auch vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags bekräftigt. Die Gutachter sehen in der bevorzugten Anzeige der Informationen des BMG-Portals eine faktische Monopolstellung. Ob diese Einschätzung den Minister allerdings beeindrucken wird, bleibt fraglich.

„Unabhängig, wissenschaftlich belegt und leicht verständlich“ – so pries Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Information auf seinem Nationalen Gesundheitsportal an. In die Kritik geraten war das Portal vor allem wegen einer umstrittenen Kooperation des Bundesministeriums für Gesundheit mit der Internet-Suchmaschine Google: Die Informationen auf gesund.bund.de sollten bei der Google-Suche nach Krankheiten oder Symptomen nicht auf den hinteren Plätzen der Trefferliste landen, sondern eher „ganz weit oben“. Es hagelte umgehend von vielen Seiten Kritik, sie kam unter anderem aus der Verlagsbranche, die sich nun mit ihren eigenen Angeboten im Hintertreffen sah. Am Mittwoch vergangener Woche erteilte das Landgericht München der Zusammenarbeit vorläufig eine Absage, weil sie kartellrechtswidrig sei. Spahns Ministerium und Google können Rechtsmittel einlegen, was auch erwartet wird. Ein Hauptsacheverfahren ist nach Auskunft des Gerichts derzeit noch nicht beim Landgericht München I anhängig. Aktuell ist eine weitere Klage beim Landgericht Hamburg anhängig. Die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein hat am 17. Dezember 2020 ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen den Medienstaatsvertrag eingeleitet.

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Zweifel am BMG-Portal

Nun bekräftigt auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags die Entscheidungen des Landgerichts. In ihrer 29-seitigen Ausführung haben die Bundestags-Gutachter die Kooperation vor dem Hintergrund der Pressefreiheit, des Wettbewerbsrechts und des Medienstaatsvertrags geprüft. Das Ergebnis: Mit dem Betreiben eines Gesundheitsinformationsportals allein greift der Minister noch nicht ungerechtfertigt in die Pressefreiheit ein. Die Kooperation mit Google allerdings würde faktisch zur Monopolstellung eines solchen Portals führen und dies „könnte […] einen ungerechtfertigten Verstoß gegen die Pressefreiheit und insbesondere gegen das Gebot der Staatsferne bedeuten“.

Mit der optischen Hervorhebung von Inhalten des „gesund.bund.de“-Portals in nebengestellten Informationskästen weiche Google von den eigenen Transparenzkriterien ab, heißt es im Gutachten. Ob hierfür ein „sachlich rechtfertigender Grund“ vorliegt – zum Beispiel in Form der Volksgesundheit – hänge davon ab, wie sich die bevorzugte Behandlung des Gesundheitsportals faktisch auf das Nutzerverhalten auswirkt.

Der Zweck heiligt nicht die Mittel

Das Ziel des Bundesgesundheitsministeriums, mit Hilfe eines Portals zur Gesundheitsaufklärung bzw. der Gesundheitskompetenz in der Bevölkerung beizutragen, ist für den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags zwar nachvollziehbar. Doch ob dafür nur staatliche Informationen dienen können, stellen die Gutachter infrage. Für sie ist das mildere Mittel mit gleich hoher Effektivität das „Unterlassen der bevorzugten Darstellung“. Denn: „Es gibt zahlreiche private und öffentliche Gesundheitsinformationsportale, die umfassende Informationen zu gesundheitlichen Themen anbieten. Daher wäre auch ohne die hervorgehobene Darstellungsweise von „gesund.bund.de“ sichergestellt, dass Suchende an Gesundheitsinformationen gelangen.“

Damit unterstützt das Gutachten die richterlichen Beschlüsse des Landgerichts München und könnte eine Grundlage für die Argumentation in weiteren Verfahren bilden. Ob dies den Minister allerdings beeindrucken wird, bleibt fraglich. Beim Rx-Versandverbot, für das der Wissenschaftliche Dienst keine Einwände sah, verließ er sich lieber auf seine „Hausjuristen“ aus dem SPD-geführten Bundesjustizministerium.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat sich am heutigen Freitag gegenüber der „Bild“-Zeitung zum BMG-Google-Deal geäußert: „Die Kaltschnäuzigkeit, mit der Gesundheitsminister Jens Spahn versucht hat, im Schatten der Corona-Pandemie in die freie und unabhängige Presse zugunsten staatlicher Inhalte einzugreifen, macht mich betroffen.“ Vor einigen Wochen hatte auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Wieland Schinnenburg die Kooperation kritisiert. Mit Blick auf die Antworten aus dem BMG auf eine Kleine Anfrage seiner Fraktion hatte er mitgeteilt: „Es macht misstrauisch, dass die Pressemitteilung zur Kooperation vom 10. November 2020 aus dem Netz genommen wurde (Stand 18. Januar 2021). Den Eindruck, er habe etwas zu verbergen, muss Minister Spahn schnellstens ausräumen.“



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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