Neue NRF-Rezeptur

Atropinsulfat-Augentropfen 0,01 Prozent – jetzt auch als NRF-Rezeptur

Stuttgart - 18.01.2021, 09:15 Uhr

Es gibt erstmals eine geprüfte Rezepturvorschrift für Atropinsulfat Augentropfen 0,01 Prozent. Diese Tropfen werden bei Kindern eingesetzt. (Foto: Davizro Photography / stock.adobe.com)

Es gibt erstmals eine geprüfte Rezepturvorschrift für Atropinsulfat Augentropfen 0,01 Prozent. Diese Tropfen werden bei Kindern eingesetzt. (Foto: Davizro Photography / stock.adobe.com)


Atropinsulfat-Augentropfen verordnen Ärzte in niedriger Dosierung, um einer Myopie bei Kindern vorzubeugen. Allerdings gibt es in der benötigten Dosierung bislang kein Fertigarzneimittel, auch eine NRF-Rezeptur war nicht beschrieben. Stattdessen mussten entsprechende Zubereitungen durch Verdünnung eines Fertigarzneimittels gewonnen werden. Die aktuelle Ergänzungslieferung des DAC/NRF berücksichtigt nun erstmals eine standardisierte Vorschrift: Atropinsulfat-Augentropfen 0,01% (NRF 15.34.).

Immer mehr Kinder leiden an einer Kurzsichtigkeit, die meist zwischen dem 8. und 15. Lebensjahr erstmals auftritt. Als Ursache dafür gelten veränderte Lebensgewohnheiten wie geringer Aufenthalt im Freien und ein damit verbundener Mangel an Tageslicht. Eine bestehende Myopie erhöht das Risiko für schwerwiegende Erkrankungen am Auge wie Glaukom, Linsentrübung und Netzhautablösung. Da eine einmal bestehende Veränderung der Sehfähigkeit nicht mehr umgekehrt werden kann, ist es um so wichtiger, das Fortschreiten schon im Kindesalter zu verlangsamen.

Lokale Anwendung von Atropinsulfat

Mehrere Untersuchungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass eine Lokalanwendung von Atropinsulfat am Auge zur Prävention einer Kurzsichtigkeit geeignet ist. Zwar hat sich dabei eine Wirkstoff-Konzentration von 1 Prozent als effektiver gezeigt als eine niedrigere Konzentration von 0,01 Prozent, dieser Vorteil wird aber durch auftretende Rebound-Phänomene beim Absetzen höher konzentrierter Zubereitungen wieder aufgehoben. Zudem treten bei der Anwendung konzentrationsabhängig unerwünschte Nebenwirkungen wie Blendung und unscharfes Sehen im Nahbereich auf. Aus diesem Grund werden zur Anwendung bei Kindern Atropinsulfat-Augentropfen 0,01 Prozent empfohlen, als Behandlungsdauer werden momentan zwei Jahre angesetzt. Eine Anwendung erfolgt üblicherweise abends vor dem Schlafengehen, das NRF schlägt dazu folgenden Dosierungshinweis vor: „In beide Augen täglich vor dem Schlafengehen 1 Tropfen in den Bindehautsack einträufeln.“

Neue NRF-Vorschrift

Niedrig dosierte Atropinsulfat-Augentropfen können nun nach einer standardisierten Vorschrift hergestellt werden:

Atropinsulfat-Augentropfen 0,01% (NRF 15.34.)

Atropinsulfat (Monohydrat) 0,01 g
Natriumchlorid0,85 g
Edetathaltige Benzalkoniumchlorid-Stammlösung 0,1% 
(pH 4,6 oder pH 5,5) S.18. 
5,0 g
Wasser für Injektionszweckezu 100,0 g

Zur Zubereitung werden die beiden Feststoffe Atropinsulfat und Natriumchlorid in Wasser für Injektionszwecke gelöst, anschließend wird der Ansatz mit der edetathaltigen Benzalkoniumchlorid-Stammlösung 0,1 Prozent ergänzt und verrührt. Die fertige Lösung wird durch eine Einmalfiltrationseinheit mit hydrophilem Membranfilter (0,22 µm Porenweite) in eine sterile Augentropfenflasche filtriert, die Aufbrauchsfrist beträgt wie üblich vier Wochen. Aufgrund der nötigen Langzeitanwendung werden häufig mehrere 10-ml-Packungen verordnet. Diese müssen dann bis zur Anwendung im Kühlschrank oder besser tiefgekühlt gelagert und nacheinander aufgebraucht werden. Vor der Verwendung müssen die tiefgefrorenen Augentropfenflaschen aufgetaut und durch Schütteln homogenisiert werden.

Benzalkoniumchlorid-Stammlösung in verringerter Konzentration

Die Isotonie der fertigen Augentropfen wird durch Zugabe von Natriumchlorid erreicht, das Konservierungsmittel Benzalkoniumchlorid schützt die Zubereitung vor mikrobiellem Befall. Je nach verwendeter Benzalkoniumchlorid-Stammlösung resultiert in der Zubereitung ein pH-Wert von 4,6 oder 5,3; beide erhaltenen Werte gelten dabei als Kompromiss zwischen Verträglichkeit und Stabilität. Für das Auge wäre ein neutraler pH-Wert besser verträglich, da Atropinsulfat aber vor allem im Sauren stabil ist, würde ein solcher pH-Wert zum schnelleren Abbau des Arzneistoffs führen. 
Normalerweise wird die edetathaltige Benzalkoniumchlorid-Stammlösung in ophthalmischen Zubereitungen in einer Konzentration von 10 Prozent verwendet. In der neuen Vorschrift 15.34. wird sie nur in der halben der sonst üblichen Menge eingesetzt. Der Grund liegt darin, dass das enthaltene Natriumedetat den pH-Wert aufgrund der fehlenden Pufferwirkung der anderen Rezepturbestandteile weiter verringert. Die fertigen Augentropfen enthalten damit 0,005 Prozent Benzalkoniumchlorid und 0,05 Prozent Natriumedetat. Laut NRF ist die Halbierung der Konservierungsmittelmenge in diesem speziellen Fall zu vertreten, da die Augentropfen am gesunden Auge und immer am selben Kind angewendet werden.

Keine Borsäure

Höher konzentrierte Atropinsulfat-Augentropfen 0,5 Prozent bis 2 Prozent können in der Rezeptur schon seit längerem nach der NRF-Vorschrift 15.2. hergestellt werden. Die benötigte Menge an Wirkstoff wird dabei in Wasser für Injektionszwecke gelöst, eine Einstellung der Isotonie erfolgt mithilfe von Borsäure. Eine Herstellung der Atropinsulfat-Augentropfen 0,01 Prozent in Anlehnung an diese Vorschrift kann nicht empfohlen werden, da Bor inzwischen auch in Augenarzneimitteln bei Kindern als toxikologisch kritisch angesehen wird.



Dr. Annina Bergner, Apothekerin, Autorin PTAheute.de
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.