Interview mit Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) zur AvP-Pleite

„Jetzt geht es ans Eingemachte"

Stuttgart - 27.10.2020, 17:50 Uhr

Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Christine Aschenberg-Dugnus, lässt beim Thema AvP-Insolvenz nicht locker. (p / Foto: picture alliance / Marcel Kusch | imago images / Metodi Popow)

Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag, Christine Aschenberg-Dugnus, lässt beim Thema AvP-Insolvenz nicht locker. (p / Foto: picture alliance / Marcel Kusch | imago images / Metodi Popow)


Morgen ist die Insolvenz des Apothekenrechenzentrums AvP Thema in einer Sondersitzung des Gesundheitsausschusses im Bundestag. Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, will dann endlich Antworten auf die zahlreichen Fragen, die derzeit noch im Raum stehen. DAZ.online sprach vorab mit ihr über ihre Erwartungen an die Sondersitzung.

DAZ.online: Frau Aschenberg-Dugnus, morgen früh wird sich der Gesundheitsausschuss im Rahmen einer Sondersitzung mit der AvP-Insolvenz befassen. Was versprechen Sie sich von dem Termin?

Aschenberg-Dugnus: Für mich ist es unbegreiflich, dass in den letzten Wochen politisch überhaupt nichts passiert ist. Es geht um die Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten. Von Seiten der Bundesregierung hätte man sich hier wesentlich früher und beherzter engagieren müssen, um den betroffenen Apotheken zu helfen. 

Die morgige Sondersitzung ist maßgeblich durch Ihre Initiative ins Leben gerufen worden.

In der letzten Ausschusssitzung habe ich den Geschäftsordnungsantrag gestellt, dass es zum Thema AvP möglichst schnell eine Sondersitzung geben muss. Der damals anwesende Staatssekretär aus dem Bundesfinanzministerium wollte nämlich keine konkreten Angaben zu beteiligten Personen machen. Dann war mir klar, dass wir eine Sondersitzung im nicht-öffentlichen Rahmen durchführen müssen. Eigentlich war angedacht, dass dieser Termin bereits in den letzten Wochen hätte stattgefunden.

Welche Fragen treiben Sie um?

Meine ersten Fragen, die ich in der Ausschusssitzung gestellt habe, wurden damals von Seiten des Finanzministeriums schon abgeblockt. Mir geht es darum, dass man solche Insolvenzen in Zukunft verhindert. Deshalb wollte ich konkret erfahren, ob es zutrifft, dass die Banken hinter dem Konsortialkredit von AvP tatsächlich die Krankenkassenzahlungen abgewartet haben, um dann in dem Moment die Kreditlinien zu kündigen. Darauf folgte dann ja die Insolvenz. Hier möchte ich erfahren, wie es sein kann, dass sich die Banken vorzeitig bedienen und ihre offenen Forderungen zum Nachteil der anderen Gläubiger befriedigen. Eine weiterer Aspekt ist natürlich die Rolle der BaFin in diesem Fall.

Hätten Sie sich engmaschigere und intensivere Kontrollen von Seiten der Bankenaufsicht gewünscht?

Wenn der Gesellschafter der AvP-Gruppe in einem Steuervergehen rechtskräftig vorbestraft ist und selbst keine BaFin-Linzenz mehr führen durfte, und wenn das Missmanagement im Unternehmen laut des vorläufigen Insolvenzverwalters schon über einen längeren Zeitraum stattfand, dann darf man sich doch etwas mehr Aufmerksamkeit und Engagement der Bankenaufsicht wünschen. Weiterhin ist fraglich, weshalb uneingeschränkte Testate von Wirtschaftsprüfern aus den letzten Jahren vorliegen, wenn es offensichtlich zu Unregelmäßigkeiten auf den Konten und in den Bilanzen bei AvP gekommen ist. Haben da alle Kontrollorgane versagt?

Gleichzeitig geht es Ihnen auch darum, dass Rechenzentren mit angeschlossenen Apotheken eine besondere Stellung im System haben müssen.

Ganz genau. Wir reden über großen Summen aus dem Topf der Versicherten. Hier müssen wir also schauen, welche gesetzlichen Voraussetzungen wir für die Zukunft schaffen müssen, damit sich solche Ereignisse nicht mehr wiederholen. Deshalb will ich im Rahmen der morgigen Sondersitzung auch mit den Experten sprechen. Die Versichertengelder dürfen meines Erachtens eben nicht dem Insolvenzrisiko eines Rechenzentrums ausgesetzt sein.

Apotheken dürfen aufgrund der AvP-Pleite nicht selbst in die Insolvenz geraten

Hier spielen ja die jeweiligen Verträge zwischen Rechenzentren und Leistungserbringern eine große Rolle: Über welche Konten werden die Krankenkassengelder geschoben? Handelt es bei den Geldern im Insolvenzfall um Teile der Masse oder nicht?

Auch diese Fragen blieben in der letzten Ausschusssitzung unbeantwortet. Waren Treuhandkonten vorhanden? Hat AvP alle Kunden über Factoring abgewickelt?

Bei der Sitzung Anfang Oktober waren auch der vorläufige Insolvenzverwalter und der von der BaFin eingesetzte AvP-Geschäftsleiter anwesend. Haben Sie den Eindruck, dass alle Verantwortlichen in diesem Verfahren aufgrund der sozialrechtlichen Dimension besonders vorgehen?

Beide Herren – sowohl der vorläufige Insolvenzverwalter als auch der Geschäftsleiter – waren in der Sitzung sehr auskunftsfreudig und haben sich sehr darum bemüht, uns Abgeordneten den Sachverhalt so verständlich wie möglich darzustellen. Dagegen war der Staatssekretär aus dem Bundesfinanzministerium alles andere als gesprächsbereit und hatte andauernd Bedenken, dass Angaben über beteiligte Personen nach außen geraten könnten. Er hielt sehr an dem Geheimhaltungsgrundsatz fest – das hat mich sehr aufgebracht.

Und jetzt erhoffen Sie sich von der morgigen nicht-öffentlichen Sondersitzung mehr Antworten. Wer wird alles anwesend sein?

Neben den Abgeordneten sind es Vertreter des Finanzministeriums und der BaFin sowie der vorläufige Insolvenzverwalter. Weil meine Fragen alle bisher nicht beantwortet sind, geht es jetzt hoffentlich ans Eingemachte.

Meinen Sie, dass die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten KfW-Kredite das angemessene Mittel sind, den betroffenen Apotheken nachhaltig zu helfen?

Mir ist wichtig, dass Apotheken aufgrund dieser Pleite nicht selbst in die Insolvenz geraten. Denn wenn eine Apotheke einmal insolvent ist, dann ist sie weg von der Landkarte und für die Patientinnen und Patienten ergibt sich ein Versorgungsproblem.

Aber auch Kredite sind Verbindlichkeiten, die kosten und zurückgezahlt werden müssen. Welche anderen Ideen haben Sie, wie man den Betrieben unter die Arme greifen kann?

Auch hier hoffe ich sehr auf die Informationen aus der Sondersitzung morgen. Je nachdem wie viel Insolvenzmasse vorhanden ist und welche Aussonderungsrechte bestehen, könnte es ja unter Umständen schon Auszahlungen geben. Aber dafür brauchen wir Abgeordnete Informationen aus erster Hand und nicht nur aus der Presse. Es bringt niemandem etwas, wenn der Schuldige am Ende im Gefängnis sitzt, aber das Geld auf den Cayman Islands ist. Wenn wir Politiker erfahren, dass ein Großteil des Geldes vorhanden ist, dann können wir anders agieren und entscheiden, als wenn es heißt, dass es nur noch um einen Bruchteil der Summe geht.

Frau Aschenberg-Dugnus, vielen Dank für das Gespräch.



Dr. Armin Edalat, Apotheker, Chefredakteur DAZ
redaktion@deutsche-apotheker-zeitung.de


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