Interpharm online

Wie die Länderliste für DocMorris zum Stolperstein werden könnte

Berlin - 25.09.2020, 15:45 Uhr

Der ehemalige BfArM-Chef Professor Harald G. Schweim schoss mit Blick auf die Länderliste scharf gegen die ABDA: Er verstehe nicht, warum die Standesvertretung nicht auf eine entsprechende Anpassung poche. Es sei höchste Zeit – Jens Spahn (CDU) lege es darauf an, die Länderliste vollständig abzuschaffen. (Foto: Schelbert)

Der ehemalige BfArM-Chef Professor Harald G. Schweim schoss mit Blick auf die Länderliste scharf gegen die ABDA: Er verstehe nicht, warum die Standesvertretung nicht auf eine entsprechende Anpassung poche. Es sei höchste Zeit – Jens Spahn (CDU) lege es darauf an, die Länderliste vollständig abzuschaffen. (Foto: Schelbert)


Ist die Länderliste die passende Waffe, um den sogenannten Grenzapotheken das Handwerk zu legen? Aus der Sicht von Ex-BfArM-Chef Professor Harald G. Schweim sollte die ABDA auf dieses Pferd setzten – und zwar schnell, bevor Bundesgesundheitsminister Spahn sein Vorhaben in die Tat umsetzt und sie ersatzlos streicht. Beim ApothekenRechtTag auf der Interpharm online erläuterte Schweim, wie die Länderliste für DocMorris und Co. zum Fallstrick werden könnte.

Im Jahr 2004 beging die damalige Bundesregierung einen schweren Fehler, meint der ehemalige Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Professor Harald G. Schweim: Sie erlaubte den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. „Dieser Schritt wäre niemals nötig gewesen“, betonte der Pharmazeut heute beim ApothekenRechtTag auf der Interpharm online.

Wohl zu verlockend sei das damals berechnete Einsparpotenzial im Arzneimittelsektor von bis zu 7 Milliarden Euro gewesen. Die Krankenkassen standen damals vor massiven Geldproblemen, erinnerte Schweim. Die Hoffnung, mithilfe des Rx-Versandhandels die Kosten für Medikamente spürbar zu senken, habe sich jedoch nie erfüllt, wie bereits im Jahr 2007 an der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag abzulesen gewesen sei.

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Statt der erwarteten Wirkung habe sich aus der Versanderlaubnis für rezeptpflichtige Medikamente im Laufe der Zeit eine gefährliche Nebenwirkung ergeben: das Apothekensterben. Versender mit Sitz vor allem in den Niederlanden erobern zunehmend den Markt und lassen vielen Apotheken kaum noch Luft zum Atmen. Doch warum geht ausgerechnet das Geschäftsmodell der Konzerne in den Niederlanden – allen voran DocMorris – so gut auf?

Kern des Problems ist, dass sich im Bereich der deutsch niederländischen Grenze eine Art rechtsfreier Raum für den Apothekensektor entwickelt habe, informierte Schweim. Deutsche Behörden haben dem Apotheker zufolge keinen Zugriff auf die Unternehmen mit Sitz im Ausland. Die niederländischen hingegen hätten den Betrieben das Abweichen von den dort geltenden Regeln gestattet, weil DocMorris und Co. vor allem nach Deutschland liefern.

Gefordert sei seit 2017 lediglich eine Bescheinigung, dass man sich an geltendes Recht im Zielland – also der Bundesrepublik – halte. Eine solche könne naturgemäß nicht vorliegen, da die zuständigen Instanzen in Deutschland wie bereits ausgeführt nicht im Nachbarland kontrollieren dürften. Gibt es also am Ende tatsächlich keinen Hebel, um diesen gesetzlosen Zustand zu beenden? Doch, meint Schweim: Er setzt dabei vor allem auf die sogenannte Länderliste. 



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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6 Kommentare

Verstehe das schon seit erstellung der Länderliste nicht

von Rainer W. am 01.10.2020 um 14:26 Uhr

Dieser Einwand ist ja alles andere als neu. Die Linken haben erst letztes Jahr bei einer kleinen Anfrage festgestellt, dass in Holland nicht kontrolliert wird. Von gleichen standards kann nicht annähernd die Rede sein:

Fremdbesitz, keine Überwachung, kein Kontrahierungszwang, keine Präsenzapotheke, keine Erlaubnis zum Handel nach Holland.

Die einzige Erklärung, die mir noch einfällt ist tiefgreifende Korruption in der Standesvertretung. Anders kann ich mir die Untätigkeit und die Unterlassung jeglichen Versuchs, diese Faktenlage politisch zu nutzen nicht erklären.

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Prof. Schweim....

von Christiane Pflug am 28.09.2020 um 8:54 Uhr

...steht nicht zufällig für einen Posten bei der ABDA zur Verfügung????

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

.

von Anita Peter am 26.09.2020 um 10:41 Uhr

Spahn und ABDA sind in Kombination ein toxischer Cocktail. Jeder von uns darf mal einen Schluck nehmen.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Sehr schön, aber...

von Thomas Luft am 25.09.2020 um 22:12 Uhr

...diesen Vorschlag hat ein Kollege aus dem Kammervorstand schon vor Jahren gemacht. Ich habe den Vorschlag dann auch beim Verband eingebracht. Aber entweder ist die Leitung Stuttgart-Berlin verstopft, oder die ABDA-Juristen arbeiten nicht wirklich für uns. Ich weiß es nicht. Es wäre schön, wenn dieser erneute Vorstoß endlich in Berlin aufgegriffen und ausgearbeitet wird.

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Jawoll!

von Uwe Hansmann am 25.09.2020 um 19:26 Uhr

Der Mann ist einfach gut. Wenn nur alle eine solch gerade Linie fahren würden. Das Rumgeeiere unserer ABDA in der Sache ist mittlerweile unerträglich.
Hinterzimmerpolitik vergangener Jahre gehört auf den Scheiterhaufen der Pharmaziegeschichte.

Offensives Auftreten und Fordern ist gefragt. Das passiert viel zu wenig.

Danke an Professor Schweim für diese klare Ansage an die ABDA.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

ach ja

von Franz Keller am 25.09.2020 um 16:20 Uhr

"man" hätte schon viel machen können - "man" will nicht
es wird nichts passieren, schon gar nicht von der lausigen Standesvertretung und zweimal nicht von der Politik.
Die ABDA gehört verklagt.

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