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Gutachten zur Arzneimittelversorgung: Sparvorschläge aus dem Hause Glaeske und

BERLIN (ks). Was kann auf dem deutschen Arzneimittelmarkt verändert werden, um ihn liberaler, effizienter und qualitativ hochwertiger zu gestalten? Diese Frage stellte sich das Bundesgesundheitsministerium bereits vor einigen Monaten. Mit der Beantwortung beauftragte es den Bremer Pharmakologen Prof. Dr. Gerd Glaeske und das Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen (WIdO). Das gemeinsam erstellte Gutachten wurde bereits im April dieses Jahres fertig Ų öffentlich wurde es allerdings erst in diesem Monat. Die meisten Ideen sind bekannt. Einige von ihnen wie der Versandhandel mit Arzneimitteln und der Apotheken-Mehrbesitz werden in der anstehenden Gesundheitsreform aufgegriffen. Andere, z. B. die Halbierung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel, bleiben außen vor.

Nach Auffassung der Gutachter ließe sich mit ihren Reformvorschlägen ein Wirtschaftlichkeitspotenzial von 5 bis 7 Mrd. Euro für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erschließen. Die auf 180 Seiten vorgestellten Vorschläge betreffen vier Bereiche: die Ermöglichung eines stärkeren Wettbewerbs, eine weiterentwickelte Preisregulierung, Änderungen bei der Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln und neue Instrumente zur Qualitätssicherung – Stichwort: vierte Hürde.

"Überalterte Regulierungen" im Apothekenbereich

Dringend notwendig sei eine Reform der Marktstrukturen: Die bisherigen Regulierungen im Apothekenbereich seien überaltert und führten zu massiven finanziellen Belastungen der Versicherten, heißt es im Gutachten. Mit der Aufhebung des Versandhandels-, Fremd- und Mehrbesitzverbots ließen sich 1 bis 2 Mrd. Euro sparen – wenngleich nicht schon im ersten Jahr.

Es müsse auch überprüft werden, ob die geltenden kostenintensiven Anforderungen an die Ausstattung aller Apotheken vor dem Hintergrund der fast ausschließlichen Abgabe von Fertigarzneien noch zeitgemäß sei. Weiterhin plädiert das Gutachten für eine Lockerung des Kontrahierungszwangs auf der Produktebene – denn der hier zur Zeit geltende Zwang sei ein "Grundpfeiler der Anbieterdominanz".

Mindestens auf der Ebene der Wirkstoffe müsse es möglich sein, dass Krankenkassen Versorgungsverträge ausschreiben und exklusiv vergeben. Im begrenzten Rahmen der besonderen Versorgungsformen sollte zudem der Kontrahierungszwang auf der Ebene von Gruppen pharmakologisch-therapeutisch vergleichbarer Wirkstoffe eingeführt werden.

Genaue Einsparvolumina ließen sich allerdings erst mithilfe umfangreicher Marktstudien berechnen. Neuerungen schlagen Glaeske und seine Mitautoren auch bei den Handelsmargen vor: Für Apotheker sollten Fixzuschläge eingeführt werden, die Trennung zwischen Apotheken- und Großhandelsspanne aufgehoben werden.

Renaissance der Festbeträge

Hinsichtlich der Weiterentwicklung der Preisregulierung auf Herstellerebene sprechen sich die Gutachter dafür aus, Analog-Arzneimittel wieder in die Festbetragsregelung zu überführen. Aber auch für patentierte Wirkstoffalternativen sollten Festbetragsregelungen revitalisiert werden – also für die Zeit des reinen Wettbewerbs, bevor der erste Wirkstoff generisch zur Verfügung steht.

Alternativ könnte eine Referenzpreisregelung eingeführt werden. Insgesamt seien hier Einsparungen zwischen 1 und 1,5 Mrd. Euro möglich.

Prozentuale Zuzahlung und halber Mehrwertsteuersatz

Weiterhin schlägt das Gutachten vor, nicht-verschreibungspflichtige Arzneimittel aus der Erstattungspflicht der GKV zu streichen – die deutsche Regelung sei in Europa vergleichsweise unüblich. Hierdurch könnten kurzfristig 1,7 Mrd. Euro eingespart werden.

Ebenso sollte die Preisbindung für OTC-Präparate aufgehoben werden. Beide Ideen finden sich im Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz wieder. Anders der Vorschlag zu den Zuzahlungen: Wenn diesen überhaupt eine Steuerungswirkung zukommen sollte, so nur mit einer prozentualen Zuzahlung, meinen die Gutachter.

Letztlich machen sich die Autoren für die vierte Hürde als Qualitätssicherungsinstrument stark. Von der Einführung der Positivliste gehen sie ohnehin aus. Ebenso plädieren sie für eine Halbierung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel auf sieben Prozent – dies könnte zeitnah 2 Mrd. Euro. einsparen. Letzterer altbekannter Vorschlag ist jedoch abermals von der Politik unerhört geblieben.

Das Gutachten "Stärkung des Wettbewerbs in der Arzneimittelversorgung zur Steigerung von Konsumentennutzen, Effizienz und Qualität" finden Sie im Internet im Volltext und einer Kurzfassung auf der Homepage des Bundesgesundheitsministeriums (www.bmgs.bund.de) in der Rubrik "Themenschwerpunkte" unter Gesundheit/Arzneimittel.

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