Prüfpflicht bis 1. Juli 2021

Auch biologische Arzneimittel könnten Nitrosamine enthalten

Stuttgart - 10.08.2020, 11:45 Uhr

Zwar ist das Risiko gering, dass Nitrosamine als Verunreinigungen in biologischen Arzneimitteln vorhanden sind. Doch völlig ausgeschlossen werden kann es nicht. (s / Symbolbild einer biopharmazeutischen Produktion in Russland, Foto: imago images / ZUMA Press)

Zwar ist das Risiko gering, dass Nitrosamine als Verunreinigungen in biologischen Arzneimitteln vorhanden sind. Doch völlig ausgeschlossen werden kann es nicht. (s / Symbolbild einer biopharmazeutischen Produktion in Russland, Foto: imago images / ZUMA Press)


Schon am 9. Juli hatte das BfArM bekannt gemacht, dass die EMA Leitlinien zur Vermeidung von Nitrosaminverunreinigugen in Humarnarzneimitteln entwickelt hat. Am 6. August hat die EMA nun ein entsprechendes Q&A-Dokument veröffentlicht. Während letzteres nur 15 Seiten zählt, umfassen die beiden Leitlinien jeweils rund 80 Seiten. DAZ.online hat die interessantesten Informationen herausgefiltert. Die erste Quintessenz: Seit Juli müssen auch biologische Arzneimittel auf Nitrosamine geprüft werden.

Es zeichnete sich schon im September 2019 ab: Als sowohl die US-amerikanische Behörde FDA als auch die europäische Arzneimittelagentur EMA bekannt gaben, dass – neben Sartanen – auch in Medikamenten mit dem H₂-Antihistaminikum Ranitidin Nitrosaminverunreinigungen nachgewiesen wurden, teilte die EMA mit, sich von nun an den Nitrosaminverunreinigungen in einem breiteren und proaktiveren Ansatz widmen zu wollen als bisher. Der Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) kündigte an, Leitlinien zur Vermeidung von Nitrosaminverunreinigungen in Humanarzneimitteln, die chemisch synthetisierte Wirkstoffe enthalten, erstellen zu wollen. Außerdem: Es werde auch geprüft, ob für nicht chemisch hergestellte Arzneimittel entsprechende Leitlinien gelten sollten.

Dass neben chemisch synthetisierten auch andere Arzneimittel von Nitrosaminverunreinigungen betroffen sein könnten, deutete sich außerdem bereits im Mai 2019 an. Damals hatte auf Nachfrage von DAZ.online das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erklärt, „dass zum 1. Juli 2019 in der Ausgabe 10.0 des Ph. Eur. die geänderten Sartan-Monographien veröffentlicht werden“. Mit diesen Monographien würden dann auch die zu den Sartanen im europäischen „Referralverfahren“ festgelegten Nitrosamin-Grenzwerte durch das Arzneibuch übernommen. Außerdem hieß es, die Europäische Arzneibuchkommission habe zugestimmt, dass im nächsten Schritt Regeln zur Begrenzung zum Gehalt von Nitrosaminen auch in die allgemeine Monographie „Substances for pharmaceutical use“ aufgenommen werden sollen. Diese Monographie werde dann für alle Stoffe verbindlich gelten, unabhängig davon, ob sie im Europäischen Arzneibuch monographiert sind oder nicht

Egal, ob chemische Synthese oder aus natürlichen Quellen gewonnen

Am 1. Januar 2020 ist das Europäische Arzneibuch Ph. Eur. 10.0 mit den neuen Sartan-Monografien in Kraft getreten. Ab Januar 2020 stand schließlich auch die angekündigte Monographie „Substances for pharmaceutical use“ auf den Seiten des EDQM (European Directorate for the Quality of Medicines & HealthCare) zur öffentlichen Konsultation bis März zur Verfügung. Für die öffentliche Konsultation, hieß es damals, habe sich das EDQM angesichts der Auswirkungen einer solchen Veränderung entschieden. Immerhin würden die neuen Anforderungen dann für alle Stoffe zur pharmazeutischen Verwendung gelten, unabhängig davon, ob es sich um Wirkstoffe (oder Zwischenprodukte, falls gerechtfertigt) oder Hilfsstoffe handele. Auch ob es sich um Stoffe für die menschliche oder tierärztliche Verwendung handelt, oder ob sie durch chemische Synthese oder aus natürlichen Quellen gewonnen werden – oder durch Extraktion aus Rohstoffen oder Fermentation – solle dabei keine Rolle spielen. 

Was wurde nun aus den nicht chemisch synthetisierten Arzneimitteln im Zusammenhang mit Nitrosaminverunreinigungen? Müssen die Zulassungsinhaber jetzt aktiv werden?

Kleine Moleküle, die an biologische „angehängt“ werden

Wie auf der Webseite der EMA nachzulesen ist, wurden die Zulassungsinhaber erst im Juli 2020 aufgefordert, ihre Nitrosamin-Risikobewertungen und daraus folgende Überprüfungen auch auf biologisch aktive Substanzen auszuweiten. Das sei das Resultat aus dem vom Humanarzneimittelausschuss (CHMP) der EMA verabschiedeten Gutachten zur Reduzierung von Nitrosaminen in Arzneimitteln (eine der beiden rund 80 Seiten umfassenden EMA-Leitlinien). Darin heißt es in dem Abschnitt zur Konsultation der „Biologics Working Party“ zum Hintergrund:


Insgesamt kann der Schluss gezogen werden, dass ein sehr geringes Risiko besteht, dass Nitrosamine als Verunreinigungen in biologischen Arzneimitteln vorhanden sind, obwohl dies nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Biologische Substanzen mit höherem Risiko wären solche, die chemisch synthetisierte Fragmente enthalten, bei denen ähnliche Risikofaktoren wie bei chemisch synthetisierten Wirkstoffen in Betracht gezogen werden sollten – oder solche, die in Blisterpackungen mit Nitrocellulose verpackt sind. Daher sollte in Betracht gezogen werden, den Risikobewertungsprozess auf diese Klassen biologischer Produkte auszudehnen und insbesondere die synthetischen Prozesse aller kleinen Moleküle zu bewerten, die anschließend an biologische Moleküle angehängt werden. Darüber hinaus sollten Prozesse, bei denen absichtlich nitrosierende Reagenzien hinzugefügt werden, wie bei chemisch synthetisierten Wirkstoffen, als risikobehaftet betrachtet werden.“

Assessment Report „Nitrosamine impurities in human medicinal products“


Nähere Anweisungen für die Industrie sollten in einem Frage-Antwort-Dokument (Q&A) veröffentlicht werden, das nun im August erschienen ist. Daraus geht hervor, dass nicht nur für chemisch synthetisierte Wirkstoffe bis 31. März 2021 Schritt 1 der Risikobewertung (besteht die Möglichkeit einer Nitrosamin-Kontamination?) durch die Zulassungsinhaber abgeschlossen sein muss, sondern auch für Produkte die biologische Wirkstoffe enthalten – allerdings bis spätestens 1. Juli 2021. Sollte tatsächlich ein Risiko identifiziert werden, müssen direkt entsprechende Tests erfolgen und das Risiko den Behörden mitgeteilt werden. Sollte kein Risiko für den Wirkstoff festgestellt werden, sollte mit Schritt 1 der Risikoevaluierung für das Fertigarzneimittel fortgefahren werden und die Ergebnisse der Prüfungen des Wirkstoffs und des Fertigarzneimittels aus Schritt 1 anschließend gemeinsam übermittelt werden. Auch wenn kein Risiko festgestellt wurde, soll eine Mitteilung an die zuständigen Behörden erfolgen. 

Mehr zum Thema

Für die vom BfArM zugelassenen Arzneimittel soll die Rückmeldung der Zulassungsinhaber gemäß Stufe 1 über das PharmNet.Bund-Portal erfolgen: „Hierfür wurden die SKNR 6360 (Die Risikobewertung des Arzneimittels ergab ein Risiko für Nitrosaminbildung.) und die SKNR 6361 (Aufgrund der Risikobewertung des Arzneimittels kann ein Risiko für die Nitrosaminbildung ausgeschlossen werden.) zur Übersendung der Rückmeldungsvorlage eingerichtet. Die für die Rückmeldung verwendete SKNR soll nicht mit einer anderen SKNR kombiniert werden.“ Allerdings: Das für die Einreichung der Rückmeldungen vorgesehene PharmNet.Bund-Portal steht laut BfArM erst nach vorübergehender Abschaltung aufgrund der technischen Umstellung der Arzneimitteldatenbank AMIS auf das Nachfolgesystem AmAnDa ab dem 13. August 2020 wieder zur Verfügung.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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