Apothekenmonitor 2020

Schweiz: Interesse an Dienstleistungen der Apotheken gesunken

Remagen - 18.06.2020, 07:00 Uhr

Die Apotheke wird in der Schweiz nach wie vor als die erste Anlaufstelle zur Erklärung von Medikamenten angesehen, doch das Interesse an pharmazeutischen Dienstleistungen schwindet. (s / Foto: bnenin / stock.adobe.com)

Die Apotheke wird in der Schweiz nach wie vor als die erste Anlaufstelle zur Erklärung von Medikamenten angesehen, doch das Interesse an pharmazeutischen Dienstleistungen schwindet. (s / Foto: bnenin / stock.adobe.com)


In der Schweiz schwindet das Interesse der Bevölkerung an den Dienstleistungen der Apotheken. Das geht aus dem Apothekenmonitor 2020 des Forschungsinstituts GFS Bern hervor. Die repräsentative Umfrage zeigt aber auch, dass weite Teile der Befragten den Apothekern vertrauen und sich bei leichten Gesundheitsstörungen direkt an sie wenden.

Im Auftrag des Schweizerischen Apothekerverbandes hat das Markt-und Meinungsforschungsinstitut GFS Bern zum siebten Mal eine Befragung der Schweizer Bevölkerung durchgeführt, den Apothekenmonitor 2020. Einbezogen wurden in diesem Jahr 1.002 Einwohner ab 18 Jahren. Zur Einordnung der Ergebnisse betont GFS Bern, dass die Befragung vom 27. Januar bis 21. Februar 2020 durchgeführt worden sei, als das Coronavirus bereits in China ausgebrochen war, jedoch bevor in Italien und dem restlichen Europa die Anzahl an Corona-Fällen rasant angestiegen ist.

Apotheker sind Hauptansprechpersonen bei leichten Gesundheitsstörungen

Nach den Umfrageergebnissen wird die Apotheke erneut als die erste Anlaufstelle zur Erklärung von Medikamenten angesehen (80 Prozent der Befragten) sowie als unkomplizierte Lösung, die Kosten spart (77 Prozent). Unter denjenigen, die sich überhaupt beraten lassen, sind die Apotheker mit 20 Prozent weiterhin die Hauptansprechpersonen, wenn es um Auskünfte bei leichten Gesundheitsstörungen geht. Am zweithäufigsten werden die Ärzte konsultiert (17 Prozent). Andere Gesundheitsfachpersonen oder Medien werden nur vereinzelt um Rat gefragt oder für Informationen konsultiert.

Vertrauen in Apotheken als Erstanlaufstelle

Das höchste Vertrauen unter den verschiedenen Anlaufstellen für Gesundheitsfragen genießen allerdings immer noch die Hausärzte mit 94 Prozent. Dicht dahinter folgen die Apotheker, die sich als einzige über einen leichten Vertrauenszuwachs im Vergleich zum Vorjahr freuen können. Aktuell sagen 90 Prozent der Bevölkerung, dass sie der Apotheke als Erstanlaufstelle eher bis sehr vertrauen (+3 Prozentpunkte). Zu den wichtigsten Faktoren für das Vertrauen in die Apotheken zählen die gute Verfügbarkeit und der Besuch derselben Apotheke. Als weiteres Kernelement des Vertrauens in Apotheken werden die Beratungsleistungen angeführt. Demgegenüber musste das Internet für den Bezug von Gesundheitsinformationen und Medikamenten vertrauensmäßig Federn lassen. Aktuell vertrauen ihm nur 18 Prozent eher bis sehr (-4 Prozentpunkte).

„Ernüchterung“ bei den Dienstleistungen

Nicht ganz so gut sieht es nach dem Apothekenmonitor 2020 bei den Dienstleistungen aus. Hier spricht GFS Bern nach Jahren des steigenden Interesses von einer „Ernüchterung“. Bei fast allen Angeboten sei das Interesse gesunken, und zwar am stärksten bei Impfkontrollen und Impfungen (von 70 auf 57 Prozent) sowie Darmkrebsvorsorge-Tests (von 54 auf 39 Prozent). Als Ausnahme von den Einbrüchen wird das Interesse an Beratungsdienstleistungen ohne Voranmeldung hervorgehoben. Hieran sind aktuell 85 Prozent „sehr/ziemlich interessiert“ (+ 3 Prozentpunkte). Größere Teile der Bevölkerung haben außerdem großes Interesse an abgeschirmten Beratungszonen (71 Prozent), der Erarbeitung und Aktualisierung von Medikationsplänen (66 Prozent), dem Abgleich aktueller Medikamente (65 Prozent), der Therapiebegleitung bei chronischen Krankheiten und der Behandlung von Krankheiten (beide jeweils 64 Prozent), allesamt klassische pharmazeutische Aufgaben.

Vergütung der Beratung wird immer noch vielfach für „Abzocke“ gehalten

Mit dem revidierten Heilmittelgesetz dürfen Apotheker in der Schweiz gewisse Behandlungen durchführen und rezeptpflichtige Medikamente ohne vorherigen Arztbesuch direkt abgeben. Wegen des eingeschränkten Hausärztedienstes während des Corona-Shutdowns wurden die Prüfung und Weiterführung von Dauerrezepten laut GFS Bern stark nachgefragt. Sollen die Apotheker für diesen Service und für die sonstige Beratung extra Geld bekommen? Auch damit hat sich der Apothekenmonitor 2020 befasst.

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Pharmazeutische Dienstleistungen für alle

Nach den Rückläufen wird die Abgeltung für Apotheken-Dienstleistungen von der Bevölkerung zwar mehrheitlich akzeptiert, aber hier machen sich deutliche Unterschiede bemerkbar. So sind etwa zwei Drittel mit der Vergütung für direkte Medikamenten-Verschreibungen ohne Arzt „eher/sehr einverstanden“. Anders sieht dies aus, wenn es um eine Medikamenten-Abgabe auf ärztliches Rezept oder eine Beratung ohne Medikamenten-Abgabe geht. Hier sind nur 28 beziehungsweise 38 Prozent der Befragten damit einverstanden, dass die Apotheker dafür ein eigenes Honorar erhalten sollen. GFS Bern zieht daraus den Schluss, dass die Bevölkerung „komplette“ Dienstleistungspakete inklusive Beratung und Medikamentenverschreibung zwar als abgeltungswürdig anerkennt, aber mehrheitlich nicht dazu bereit ist, für weniger sichtbare Teilleistungen einer Behandlung zu bezahlen. So halten immerhin 47 Prozent den Beratungszuschlag für Abzockerei.

„Wir müssen unsere pharmazeutische Begleitung und unsere gründlichen Abklärungen für Patientinnen und Patienten sichtbarer machen“, meint PharmaSuisse-Präsident Fabian Vaucher selbstkritisch, „mit dem wichtigen Nebeneffekt, dass Patientinnen und Patienten sicherer werden im Umgang mit ihren Medikamenten.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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