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Kann man das Mikrobiom „reparieren“?

Stuttgart - 24.02.2020, 13:00 Uhr

Weiß man genug über das Mikrobiom, dass man es gegebenenfalls „reparieren“ kann, so nach dem Motto: Mikrobiom gesund, Mensch gesund? ( r / Foto: Animaflora PicsStock/stock.adobe.com)

Weiß man genug über das Mikrobiom, dass man es gegebenenfalls „reparieren“ kann, so nach dem Motto: Mikrobiom gesund, Mensch gesund? ( r / Foto: Animaflora PicsStock/stock.adobe.com)


„Anhand von Stuhlanalysen bestimmte Probiotika zu empfehlen, ist unseriös“

DAZ.online: Weiß man genug über das Mikrobiom, dass man es gegebenenfalls „reparieren“ kann, so nach dem Motto: Mikrobiom gesund, Mensch gesund? Und wenn ja, bei welchen Erkrankungen geht das?

Smollich: Aktuell wissen wir noch überhaupt nicht, wie ein „normales“ oder „gesundes“ Mikrobiom aussehen sollte. Insofern ist es auch unseriös, anhand von Stuhlanalysen bestimmte Probiotika zu empfehlen oder die Mikrobiota anderweitig vermeintlich gezielt modulieren zu wollen. Daneben gibt es den eher unspezifischen Ansatz, dass man die Mikrobiota von Gesunden im Rahmen des sogenannten Stuhltransfers auf Kranke überträgt, beispielsweise über Sonden oder Einläufe. Zur Zeit wird das zum Beispiel als Reservetherapie bei Clostridioides-difficile-Infektionen genutzt. Dieser Ansatz ist allerdings nicht nur für viele Patienten gewöhnungsbedürftig, sondern birgt auch erhebliche Risiken. Völlig unklar sind auch die mittelfristigen gesundheitlichen Konsequenzen und die Zusammensetzung eines optimalen „Spender-Stuhls“.

DAZ.online: Geht das auch weniger „eklig“?

Smollich: Weniger „eklig“ wäre es natürlich, die Mikrobiota durch Präbiotika, Probiota oder auch Postbiotika zu modulieren. Bei Letzteren handelt es sich um Metabolite der Darmbakterien, die für die physiologischen Wirkungen verantwortlich sind. Aber auch hier gilt: Wir wissen nicht, welcher Patient von welchem Supplement profitieren würde, da das Ansprechen hochindividuell ist und nicht vorhergesagt werden kann.

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DAZ.online: Gibt es auch Zusammenhänge mit der Arzneimitteltherapie?

Smollich: Hier gibt es ganz aktuelle Daten aus der Forschung. Zum einen wissen wir, dass nicht nur Antibiotika, sondern rund ein Drittel aller Medikamente die Mikrobiota modulieren und teilweise antibiotische Effekte haben. Das gilt beispielsweise auch für ansonsten unverdächtige Substanzklassen wie Betablocker, Analgetika oder Psychopharmaka. Möglicherweise werden unerwünschte Wirkungen durch die Mikrobiota vermittelt. Auch an der Tatsache, dass manche Patienten auf eine Arzneimitteltherapie ansprechen und andere nicht, könnte die Mikrobiota beteiligt sein. Besonders spannend ist es in der Onkologie, wo vor allem bei den neuen Checkpointinhibitoren Mikrobiota-Interaktionen untersucht werden, die über Response beziehungsweise Non-Response entscheiden könnten.

DAZ.online: Was erwartet die Kongressbesucher beim Vortrag auf der Interpharm?

Smollich: Im Rahmen des Vortrags werde ich den Fokus auf die anstehenden Innovationen legen. Das Mikrobiom stellt ein vollkommen neues Target für Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel dar. Was erwartet uns an neuen Produkten, was sind die wissenschaftlichen Grundlagen dafür, und vor allem: Können diese Produkte halten, was sie versprechen?

Geheimnisvolle Mitbewohner – Praxiswissen rund ums Mikrobiom

Krank durch Dysbiose – Gesund durch Probiotika? Ein Blick auf die Studienlage

Professor Martin Smollich

Freitag 13. März 2020, 10:00 Uhr; Wissenschaftlicher Kongress Interpharm



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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