Streit um AAD und Reizdarm

Probielle: Bald neuer Name und neuer Status

Stuttgart - 05.11.2019, 10:15 Uhr

Stada darf Probielle AAD und Reizdarm nicht mehr bewerben und vertreiben. ( r / Foto: Stada)

Stada darf Probielle AAD und Reizdarm nicht mehr bewerben und vertreiben. ( r / Foto: Stada)


Alle möglichen Beschwerden werden mittlerweile mit einem Ungleichgewicht der Darmflora assoziiert, Probiotika sollen für ein gesundes Mikrobiom sorgen. Allerdings sind die Bezeichnungen und Werbeaussagen immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, so auch bei Stadas Probielle® AAD und Reizdarm. In einem Vergleich hat man sich nun offenbar geeinigt.

Welche Aussagen dürfen Hersteller im Zusammenhang mit Probiotika äußern und mit welchem Produktstatus – zum Beispiel bilanzierte Diäten – dürfen sie vertrieben werden? Diese Fragen beschäftigen derzeit so manches Gericht. Kläger sind meist Wettbewerbsverbände wie der Verband Sozialer Wettbewerb. So entschied beispielsweise das Oberlandesgericht München am vergangenen Donnerstag in einem einstweiligen Verfügungsverfahren, dass die Biosan®-Produktreihe von Hexal weiterhin als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke verkauft werden und auch ihren Namen behalten darf. Allerdings dürfen einzelne Werbeaussagen nicht mehr genutzt werden. Bereits seit Anfang 2018 geht Verband für Sozialen Wettbewerb zudem gegen das österreichische „Institut Allergosan“ vor – wegen der aus Sicht des Verbandes irreführenden Kennzeichnung und Bewerbung des Nahrungsergänzungsmittels „Omni Biotic® Stress“.

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Anfang des Jahres Ärger um Probielle

Und auch um Stadas Probielle® gab es Anfang des Jahres Ärger. Konkret ging es um die beiden Varianten AAD und Reizdarm, die laut Lauer-Taxe bilanzierte Diäten sind. Eine Sprecherin erklärte damals, dass man aufgrund einer Auseinandersetzung mit einem Wettbewerbsverein die Artikel Probielle® AAD und Reizdarm zurzeit nicht ausliefern oder bewerben könne. Apotheken könnten das Produkt jedoch weiterhin verkaufen. Man arbeite mit Hochdruck daran, eine Lösung für diese Situation zu finden, heißt es. Bei beiden Produkten handelt es sich um bilanzierte Diäten, die auch als Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke bezeichnet werden und nur von bestimmten Personengruppen (Patienten) zum Diätmanagement einer bestimmten Krankheit unter ärztlicher Aufsicht verwendet werden sollen. So soll Probielle® AAD laut Produktinformation, „durch die Ansiedlung natürlicher, im Darm lebender Bakterien dabei helfen, die Nährstoffaufnahme und -verwertung unter Antibiotikatherapie bei AAD zu verbessern.“ Probielle® Reizdarm soll demnach dabei helfen, „die Nährstoffaufnahme bei Reizdarmsyndrom mit Verstopfung zu verbessern“. 

Neuer Name, gleiche Zusammensetzung

Laut einem Sprecher von Stada hat man sich in einem Vergleich darauf geeinigt, dass der Produktname und der Produktstatus von Probielle AAD und Probielle Reizdarm angepasst wird. Die Produkte sollen deshalb als Nahrungsergänzungsmittel und mit den neuen Namen Probielle Pro-R und Probielle Pro-A neu eingeführt werden. Die Zusammensetzung bleibe aber identisch, heißt es. Es habe sich nichts an der Anzahl der Bakterien, der Stammkombination oder ähnlichem geändert. Ferner verweist der Sprecher darauf, dass die bisherigen Produkte weiterhin verkehrsfähig seien, sie könnten weiterhin über den Großhandel bezogen und von den Apotheken verkauft werden. Im Vergleich habe man nur zusichern müssen, keine Ware mehr zu verkaufen, man sei aber bis zur Deadline noch in der Lage gewesen, den Großhandel mit ausreichend Produkten zu bevorraten. Ein Datum, zu dem die Einführung erfolgen soll, nannte der Sprecher nicht*. Im Artikelstamm finden sich noch die beiden alten Varianten. Auf der Probielle-Homepage sind nur „Balance“ und „Immun“ aufgeführt – diese beiden Produkte waren nicht Gegenstand des Streits.

*Ergänzung: Stada rechnet mit dem Launch der Nachfolgeprodukte Probielle Pro-R und Pro-A rechnen noch im Dezember diesen Jahres. Das haben weitere Nachfragen ergeben. 

Schwierige Abgrenzung

Die Abgrenzung von bilanzierten Diäten zu Nahrungsergänzungsmitteln oder gar zulassungspflichtigen Arzneimitteln ist teilweise schwierig. So dürfen bilanzierte Diäten nach § 21 Absatz 2 Nr. 2 der Diätverordnung nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie „eine Beschreibung der Eigenschaften und Merkmale, denen das Lebensmittel seine Zweckbestimmung verdankt“, enthalten. Diese „Beschreibung“ ist für bilanzierte Diäten somit verpflichtend. Auch wenn diese Beschreibung Gesundheitsbezug aufweist, unterliegt sie damit nicht der Health-Claims-Verordnung. So bringen zahlreiche Hersteller ihre Mittel als bilanzierte Diäten auf den Markt, um die Einschränkungen für Health Claims zu umgehen. Formulierungen für unbestimmte Patientengruppen oder Krankheiten oder Zustände, die gar nicht als „Krankheit“ zu klassifizieren sind, sind hier allerdings nicht erlaubt.

Die Grenze zwischen Health Claims und Pflichtangaben ist jedoch schwer zu ziehen – das bleibt dann den Gerichten überlassen. Anfang des Jahres haben sich die Kennzeichnungsvorschriften für die Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke verschärft. Man hat versucht im Zuge der Novellierung des EU-Rechts die Grauzone zu beseitigen. Sie dürfen keine gesundheitsbezogenen Angaben gemäß Health-Claims-Verordnung mehr tragen, denn sie sind für Kranke bestimmt und nicht wie Nahrungsergänzungsmittel für Gesunde. Die entsprechende EU-Regelung (Verordnung (EG) 2016/128) gilt seit dem 22. Februar 2019.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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