Lieferengpass beim Gürtelrose-Impfstoff

Schützt Shingrix auch bei verspäteter zweiter Dosis?

Stuttgart - 01.11.2019, 09:00 Uhr

Sollte eine zweite Impfdosis Shingrix auch dann verabreicht werden, wenn der vorgesehene Impfabstand von zwei bis sechs Monaten nach der ersten Gabe wegen Lieferschwierigkeiten beim Gürtelrose-Totimpfstoff nicht eingehalten werden kann? (r / Foto: DAZ.online)

Sollte eine zweite Impfdosis Shingrix auch dann verabreicht werden, wenn der vorgesehene Impfabstand von zwei bis sechs Monaten nach der ersten Gabe wegen Lieferschwierigkeiten beim Gürtelrose-Totimpfstoff nicht eingehalten werden kann? (r / Foto: DAZ.online)


Auch wenn GSK seinen Herpes-zoster-Impfstoff Shingrix mittlerweile eigenen Angaben zufolge wieder „häppchenweise“ liefern kann – Shingrix bleibt knapp. Die Folge: Nicht jeder Geimpfte kann nach einer ersten Shingrix-Dosis die zweite Impfung im vorgesehenen Zeitfenster – zwei bis sechs Monate – einhalten. Doch schützt die Zoster-Impfung dann überhaupt? Das Arzneitelegramm hat sich den Schutz bei verspäteter zweiter Dosis angeschaut.

So groß die Erleichterung über einen Herpes-zoster-Totimpfstoff bei Zulassung von Shingrix® war, so groß ist seit Anbeginn derer der Ärger mit der Lieferfähigkeit. Etwas Entspannung ist der letzten Meldung von Glaxo SmithKline zufolge in Sicht: Im Oktober erklärte GSK Shingrix® zwar in begrenzter Menge, doch wenigstens kontinuierlich monatlich zur Verfügung stellen zu wollen.

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Für mehr Regelmäßigkeit  und Planbarkeit

Shingrix künftig monatlich in begrenzten Mengen

Bis Shingrix® lückenlos lieferbar ist, raten GSK und die STIKO (Ständige Impfkommission) beim Robert-Koch-Institut, dass Ärzte mit dem knappen Impfstoff zunächst Patienten impfen, die bereits eine Impfdosis erhalten haben. Für einen ausreichenden Impfschutz bedarf es zweier Dosen, am besten im Abstand von zwei bis sechs Monaten nach der ersten Shingrix®-Gabe. Doch selbst bei dieser geplanten Kontingentierung ist wohl nicht jede Zweitdosis innerhalb der vorgesehenen Zeit gewährt. Ist dann ein Gürtelrose-Schutz überhaupt wie gewünscht gegeben?

Die STIKO zweifelt: „Beträgt der Abstand zwischen der 1. und der 2. Impfung mehr als 6 Monate, soll die 2. Impfung schnellstmöglich verabreicht werden. Eine verspätete Impfung kann dazu führen, dass der Impftiter nach Beendigung der Impfserie niedriger ausfällt und die Schutzdauer verringert ist“, erklären die Impfexperten in einem Faktenblatt zur Gürtelrose-Impfung.

Zulassungsstudien: Impfabstand nur zwei Monate

Das Arzneitelegramm hat sich die Datenlage zur Wirksamkeit von Shingrix® hinsichtlich der Impfabstände angeschaut. Die beiden zulassungsrelevanten Studien ZOE-50 (NCT01165177) und ZOE-70 (ClinicalTrials NCT01165229) liefern hier jedoch wenig Auskunft, die Probanden erhielten die Shingrix®-Impfungen jeweils im Abstand von zwei Monaten. 

gE-Antikörperkonzentration als Maß für den Schutz

Doch gibt es eine weitere Studie: Immunogenicity, reactogenicity and safety of 2 doses of an adjuvantedherpes zoster subunit vaccine administered 2, 6 or 12 months apart inolder adults: Results of a phase III, randomized, open-label, multicenterstudy. Publiziert wurde die Phase-III-Studie 2018 in Vaccine. Die 354 und mindestens 50 Jahre alten Teilnehmer wurden 1:1:1 randomisiert und erhielten entweder zwei Dosen Shingrix® im Abstand von zwei, sechs oder zwölf Monaten.

Für den ersten koprimären Endpunkt interessierte die humorale Immunantwort, gemessen an den Glykoprotein-E-Antikörperkonzentrationen, die jeweils vor der ersten Gabe und einen Monat nach der zweiten Impfdosis bestimmt wurden. Der Impfstoff besteht aus Glykoprotein E, einem Hüllprotein des Varizella-Zoster-Virus.

Vierfach erhöhte Antikörperspiegel: ausreichende Immunität

Der erste koprimäre Endpunkt war dann erreicht, wenn eine ausreichende Immunantwort bei mindestens 60 Prozent der Patienten – Vaccine Response Rate VRR – vorlag. Wobei die VRR als Prozentzahl der Patienten definiert war, die eine vierfache Erhöhung der Antikörperkonzentration – gemessen vor der ersten Impfung und einen Monat nach der zweiten – zeigten. Somit musste die untere Grenze für die VRR bei einem 97,5-Prozent-Konfidenzintervall einen Monat nach der zweiten Impfdosis mindestens 60 Prozent betragen, um den koprimären Endpunkt zu erzielen.

Studie untersucht nicht klinische Wirksamkeit von Shingrix

Die an der Antikörperkonzentration gemessene humorale Immunantwort ist jedoch nicht identisch mit der klinischen Wirksamkeit des Impfstoffs, die die Frage stellt: Wie viele Patienten erkranken unter Placebo und unter welchem Impfschema an Herpes zoster? Doch soll die Antikörper-Erhöhung nach Impfung, die humorale Immunantwort, als Surrogatparameter mit dem Schutz vor Zoster korrelieren.

Zwölf Monate Impfabstand dem zweimonatigen unterlegen, aber ...

Dieser Endpunkt wurde erreicht, und zwar sowohl in der Gruppe mit dem sechsmonatigen Impfabstand, als auch in der Gruppe mit dem zwölfmonatigen Impfabstand. Einen Monat nach der zweiten Dosis zeigten 96,5 Prozent der Probanden eine ausreichende Immunität (97,5-Prozent-Konfidenzintervall: 90,4-99,2 Prozent) beim Sechs-Monate-Impfschema. Beim Zwölf-Monate-Impfschema zeigten 94,5 Prozent der Patienten eine ausreichende Immunität (97,5-Prozent-Konfidenzintervall: 87,6-98,3 Prozent). Zum Vergleich: Ein zweimonatiges Impfschema zeigte eine ausreichende Immunität bei 96,6 Prozent der Probanden.

... zwölf Monate nach zweiter Impfung: 11,6-fach erhöhte Antikörper

Als zweiten koprimären Endpunkt setzten die Wissenschaftler der multizentrischen Shingrix®-Studie (Estland, Vereinigte Staaten) die Nichtunterlegenheit eines sechs- beziehungsweise zwölfmonatigen Impfschemas zur zweimonatigen Shingrix®-Gabe. Allerdings ist laut den Studienergebnissen nur das sechsmonatige dem zweimonatigen nicht unterlegen. Für den Impfabstand von zwölf Monaten wurde die Nichtunterlegenheit verfehlt. Die Autoren des Arzneitelegramms kommen zu dem Schluss: „Die Unterschiede in den Antikörperkonzentrationen zwischen den Schemata mit sechs- beziehungsweise zwölfmonatigem Impfabstand sind gering, die klinische Relevanz der Differenzen unklar“. So zeigte sich in allen drei Impfschemata je mindestens 35,8-fach erhöhte gE-Antikörperspiegel, auch nach zwölf Monaten nach der jeweils zweiten Dosis war der Antikörperspiegel immer noch 11,6-Mal höher als vor der Impfung.

Besser spät als gar nicht

Auch wenn die gemessenen Antikörperkonzentrationen (siehe Tabelle 1) am höchsten bei einem zweimonatigen Impfschema sind, zeigten auch Patienten mit zwölfmonatigem Impfabstand eine Erhöhung der Antikörperkonzentrationen verglichen mit ihren Ausgangswerten. „Aufgrund dieser Datenlage sollte auf die zweite Shingrix®-Dosis auch im Falle einer Verspätung nicht verzichtet werden,“ lautet das Fazit der Arzneitelegramm-Autoren.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Shingrix Impfung

von Bernd Knaack am 17.01.2020 um 12:38 Uhr

Habe 01.19 erste Impfung und 03.19 zweite impfung erhalten. Jetzt 01.20 wieder Gürtelrose an der selben Stelle wie in 12.18. Wie kann das sein?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Impfabstand Shingrix

von Anneliese Kunzelmann am 08.01.2020 um 14:26 Uhr

Beträgt der Abstand zwischen der 1. und der 2. Impfung mehr als 6 Monate, soll die 2. Impfung schnellstmöglich verabreicht werden.
Was heißt "schnellstmöglich" - Wie viele Monate später?
Ist es 8 Monate nach der Erstimpfung noch sinnvoll?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

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