Ibuprofen statt Fosfomycin

Harnwegsinfekte: Viele Patienten möchten gar kein Antibiotikum

Stuttgart - 18.03.2019, 17:30 Uhr

Prof. Dr. Ildiko Gágyor forscht selbst daran, wie man den Einsatz von Antibiotika verringern kann. (s / Foto: Matthias Balk)

Prof. Dr. Ildiko Gágyor forscht selbst daran, wie man den Einsatz von Antibiotika verringern kann. (s / Foto: Matthias Balk)


Nicht nur zu viele Antibiotika, sondern auch die falschen

Doch nicht nur die Häufigkeit, mit der die Ärzte Antibiotika verordnen, ist ein Problem – problematisch sei auch, dass beispielsweise die (Fluor)chinolone besonders häufig bei Harnwegsinfekten verordnet werden, aber nicht das Mittel der 1. Wahl sind. So werde nicht nur die Entstehung von Resistenzen gefördert, sondern es würden auch unnötig Nebenwirkungen in Kauf genommen. Gut bekannt dürfte diese Problematik spätestens seit dem europäischen Risikobewertungsverfahren zu Chinolonen und Fluorchinolonen sein. Der Pharmakovigilanzausschuss der EMA (PRAC) hatte im Oktober 2018 empfohlen, die Anwendung von Fluorchinolon-Antibiotika zu beschränken. Chinolon-Antibiotika, die ebenfalls Gegenstand des Reviews waren, sollen nach Meinung des PRAC ganz vom Markt verschwinden. In Deutschland sind sie aber ohnehin nicht mehr erhältlich.

Problem-Keim und Hauptauslöser von Harnwegsinfektionen ist dabei E.coli. Gágyor demonstrierte anhand einer Karte des ecdc (european centre for disease prevention and control), dass E.coli-Resistenzen gegen (Fluor)chinolone in Europa weit verbreitet sind. Dabei machen aber auch die Cephalosporine der dritten Generation und Aminoglykoside zunehmend Probleme. Bei den Cephalosprinen verwies Gágyor auf die ohnehin bestehende Enterokokken-Lücke. So liest man auch in der AWMF-Leitlinie zur Harnwegsinfektionen:


Aus der Gruppe der für die Therapie der unkomplizierten Harnwegsinfektion prinzipiell geeigneten oralen Antibiotika bzw. Antibiotikaklassen - Aminopenicilline in Kombination mit einem Betalaktamase-Inhibitor, Cephalosporine der Gruppe 2 und 3, Fluorchinolone, Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam, Trimethoprim bzw. Cotrimoxazol - ist die Gefahr für mikrobiologische Kollateralschäden in Form von Selektion multiresistenter Erreger oder einem erhöhten Risiko für eine Clostridium difficile assoziierte Colitis bei Fluorchinolonen und Cephalosporinen am höchsten.“

Interdisziplinäre S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulatn erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten. AWMF-Register-Nr. 043/044




Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Im Rollstuhl nach 3 Tabletten Fluorchinolone

von ImRollstuhl am 19.03.2019 um 8:27 Uhr

Bekam auf eine chronische Prostatitis Fluorchinolone. Nach 3 Tabletten sitze ich nun 3 Jahre später im Rollstuhl, vertrage keine Medikamente mehr, habe oft Schmerzen, kann nur noch eingeschränkt essen und bin sozial isoliert. Warum werden Fluorchinolone nicht vom Markt genommen ? So etwas darf nicht verkauft werden.

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