Ärztemangel in Frankreich

Suche Arzt, biete Meerblick und Boot

Stuttgart - 09.08.2018, 16:30 Uhr

Der normannische Urlaubsort Barneville-Carteret sucht dringend Ärzte. (c / Foto: picture alliance/robertharding)

Der normannische Urlaubsort Barneville-Carteret sucht dringend Ärzte. (c / Foto: picture alliance/robertharding)


Ärztemangel auf dem Land ist kein rein deutsches Phänomen, auch in Frankreich kämpfen Gemeinden damit, dass Ärzte, die in den Ruhestand gehen, keinen Nachfolger finden. In ihren Bemühungen Ärzte anzuwerben, übertreffen die Kommunen sich regelrecht gegenseitig in ihren Angeboten – und ihrer Kreativität, wie die französische Zeitung „Le Parisien“ berichtet. 

Barneville-Carteret ist ein Küstenort in der Normandie. Den größten Teil des Jahres zählt die Gemeinde knapp über 2000 Einwohner. Nur in den Sommermonaten, wenn es die Stadtmenschen ans Meer zieht, verdreifacht sich die Einwohnerzahl. Bis vor einem Jahr gab es dort noch fünf Ärzte, vier davon sind in den Ruhestand gegangen. Der letzte verbliebene will das auch demnächst tun. Dann müssen die Einwohner für einen Arztbesuch eine Strecke von 40 Kilometer auf sich nehmen. Eine Apotheke gibt es übrigens noch.

Um Mediziner anzulocken, greift der Bürgermeister nun zu ungewöhnlichen Mitteln, die nun sogar die Aufmerksamkeit der Presse auf sich ziehen. Wie „Le Parisien“ berichtet, bietet er einem Allgemeinmediziner, der sich in Barneville-Carteret niederlässt, eine Wohnung mit Meerblick – unentgeltlich, versteht sich. Zudem verspricht der Bürgermeister, den Doktor einmal im Monat in das örtliche Sterne-Restaurant einzuladen, und er stellt ihm zudem sein eigenes Boot zur Verfügung. Damit wolle er natürlich zum einen Ärzte für den Job in seiner Gemeinde begeistern, zum anderen wolle er die Öffentlichkeit auf die Versorgungssituation aufmerksam machen, wie er erklärt. Sein Vorschlag sei nur eine Notlösung, das eigentliche Problem liege woanders, sagt er. Seiner Ansicht nach sollte es für Ärzte, die auf Kosten des Steuerzahlers ausgebildet werden, selbstverständlich sein, für mindestens ein oder zwei Jahre dort zu praktizieren, wo Mangel herrscht. Zudem müsse man grundsätzlich mehr Ärzte ausbilden, sagt er.

Und auch andere Gemeinden werden kreativ und rollen den Ärzten mehr oder weniger den roten Teppich aus. Doch den zum Teil lustigen und enthusiastischen Initiativen liege die harte Realität des Ärztemangels auf dem Land zugrunde, schreibt die Zeitung und schildert weitere Beispiele:

Douarnenez: Arztsuche bei Tisch

Im bretonischen Douarnenez beispielsweise hat man extra 9000 Tischsets gestalten lassen, die in allen Restaurants der 15.000-Einwohner-Kommune ausliegen. Illustriert wurden sie von einem lokalen Künstler. „Douarnenez begrüßt Hausärzte“ steht über einer gemalten Idylle mit Meer, Booten und Natur, in deren Mitte ein Arzt an einem Schreibtisch sitzt und sich denkt: „Ist das Leben nicht schön hier in Douarnenez.“ Die Botschaft werde den ganzen Sommer sichtbar sein. Vielleicht stolpert ja ein Allgemeinarzt mit seiner Familie darüber und überlegt in entspannter Atmosphäre, sich hier niederzulassen, so die Hoffnung des Bürgermeisters. Er habe zwar weder die Mittel noch den Willen, ein Boot anzubieten, aber drei neue Arztpraxen könne er versprechen.

Kranksein verboten an der Loire

In Warhem in der Region Hauts-de-France hofft man anscheinend auf göttlichen Beistand. Der Bürgermeister hat einen in Gebetsform formulierten Brief geschrieben. Dem zukünftigen Dorfarzt wird als Praxis- und Wohnhaus passenderweise das komplett renovierte, sehr mondäne Pfarrhaus in Aussicht ausstellt. Und zu ganz drastischen Methoden greift man in La Ganache in der Region Pays de la Loire. Dort hat man Krankheiten verboten, ebenso wie alle gefährlichen Aktivitäten, auch der Apotheker wird in Rente geschickt – allerdings nur in dem Video, das der Bürgermeister hat produzieren zu lassen, um auf den Ärztemangel der Gemeinde aufmerksam zu machen.

Plonévez-Porzay: Erfolgreich mit menschlichem Äskulapstab

In Plonévez-Porzay hingegen, ebenfalls in der Bretagne gelegen, war man nach fünfjähriger Suche erfolgreich. Hier hatten sich zuvor über 500 Einwohner der 1800-Seelengemeinde am Strand versammelt – in Form eines Äskulapstabes. Im Sand standen in großen Lettern die Worte: „Plonévez-Porzay sucht Ärzte“. Das hat funktioniert. Ein junger Mediziner, der gerade mit dem Studium fertig war, hat sich entschlossen, sich dort niederzulassen. Ein anderer, der bislang nur vertretungsweise vor Ort war, will nun doch für mehrere Jahre bleiben. Ein neues Ärztehaus wird demnächst für sie errichtet.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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