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DocMorris setzt auf Tele-Land-Apotheke

Ein baden-württembergisches Dorf fand keinen Apotheker – nun kommt DocMorris

BERLIN (ks) | DocMorris macht wieder mit einer fragwürdigen Konstruktion einer „Apotheke light“ von sich Reden: In der baden-württembergischen Gemeinde Hüffenhardt plant die in den Niederlanden ansässige Versandapotheke einen digitalen pharmazeutischen Beratungsservice kombiniert mit einem Kommissionierautomaten in einer leerstehenden Apotheke.

Die Gemeinde Hüffenhardt wusste es schon länger: Wenn „ihr“ Apotheker Reinhold Fuchs in den Ruhestand geht, sieht es kritisch aus mit der Arzneimittelversorgung im Ort. Ein potenzieller Nachfolger war Fuchs schon abgesprungen, er selbst hatte sein Rentenalter schon überschritten. Der Bürgermeister der 2000-Einwohner-Gemeinde, Walter Neff, machte sich 2014 selbst auf die Suche nach einem neuen Apotheker. Die Gemeinde hat immerhin auch noch einen Haus-, einen Zahn- und einen Tierarzt. Neff wollte dem Nachfolger auch entgegenkommen, unter anderem die Miete senken. Auch DAZ.online berichtete im November 2014 über das Dorf, das einen Apotheker sucht.

DocMorris wurde daraufhin auf Hüffenhardt aufmerksam und kam auf Neff zu. Die Versandapotheke machte der Gemeinde das Angebot, die Arzneimittelversorgung per Telepharmazie zu übernehmen. Letzte Woche verkündete DocMorris seine Pläne dann per Pressemitteilung: In den Räumen der ehemaligen Brunnen-Apotheke soll „ein telepharmazeutischer Beratungsservice mit einer Abholfunktion für Arzneimittel“ eingerichtet werden. Ein Service, der bewusst auf die Akutversorgung ausgerichtet sei, betont der Versender. Im September wird es losgehen – so der Plan.

Welcome-Manager, Beratungskabine, Kommissionierer

Wie kann man sich das vorstellen? In den 110-Quadratmeter-Räumlichkeiten der früheren Apotheke wird es künftig einen Eingangs- und Wartebereich geben. Ein „Welcome-Manager“ – ein echter Mensch – soll den Kunden als Ansprechpartner bei der Nutzung des Telepharmazie-Services zur Verfügung stehen. Zudem gibt es eine abgeschirmte Beratungskabine – zunächst tatsächlich nur eine, doch DocMorris sieht sich in der Lage, bei Bedarf kurzfristig aufzustocken.

In der Beratungskabine können sich die Kunden dann mit einem Apotheker oder einer PTA des 90-köpfigen DocMorris-Beraterteams im niederländischen Heerlen in Verbindung setzen. Über ein Video-Terminal werden sie pharmazeutisch beraten – „ganz diskret und individuell“, verspricht die Apotheke. Im Anschluss kann der Kunde OTC-Präparate bestellen und ein Rezept einlösen. Vor Abgabe des Rx-Arzneimittels erfolge „die gesamte pharmazeutische Rezept-Prüfung, Beratung und Abgabe anhand des Originalrezeptes“, erläutert DocMorris gegenüber DAZ.online, auf die Frage, ob ein gescanntes Rezept reichen soll. Per Post schicken muss der Kunde die Verordnung jedenfalls nicht – es sei denn er möchte seine Bestellung nach Hause geliefert bekommen. Ein Kommissionierautomat wird bereitstehen und die Arzneimittelabgabe übernehmen. Das pharmazeutische Fachpersonal sorgt zuvor für die Freigabe. Der Abgabeautomat hat der Apotheke zufolge eine ­Kapazität von 8000 Packungen, darunter auch ein Kühlmodul mit einem ­Fassungsvermögen von bis zu 500 Packungen. Bei der Auswahl des Sortiments habe man sich von den ortsansässigen Ärzten und Gesundheits­dienst­leistern unterstützen lassen, so DocMorris.

Ein Hoch auf den digitalen Fortschritt

Bürgermeister Neff ist begeistert: „Dank des digitalen Fortschritts können sich die Hüffenhardter zukünftig wieder von Angesicht zu Angesicht persönlichen Rat bei ihrem Apotheker holen und mit den wichtigsten Medikamenten sofort vor Ort versorgen“, zitiert ihn DocMorris in der Pressemitteilung. Die DAZ fragte nach, ob er nicht vielleicht auch an eine Rezeptsammelstelle gedacht habe. Doch so weit war er offenbar noch nicht – nachdem er das Angebot von DocMorris bekommen hatte, hat er nach solchen Alternativen nicht mehr Ausschau gehalten.

DocMorris selbst sieht sich mit dem Projekt auf der Höhe der Zeit: „Die Bundesregierung will im Rahmen ihrer digitalen Agenda die vorhandenen Potenziale im Gesundheitswesen erschließen. DocMorris zeigt bereits heute, wie E-Health-Anwendungen die Versorgung mit Gesundheitsdienstleistungen und -produkten in der Fläche sicherstellen können. Wir freuen uns daher sehr, dass wir mit der Gemeinde Hüffenhardt dieses zukunftsweisende Pilotprojekt umsetzen können“, sagt Max Müller, Chief Strategy Officer bei DocMorris.

Rechtlich fragwürdig

Dass das neue Modell auf rechtlich fragilen Füßen steht, nimmt man bei DocMorris offensichtlich bewusst in Kauf. Zwar heißt es aus Heerlen, DocMorris habe „die Rechtslage eingehend prüfen lassen“. Doch die „Apotheke-light-Variante“ dürfte mit so einigen apotheken- und arzneimittelrechtlichen Vorgaben sowie der obergerichtlichen Rechtsprechung in Konflikt kommen. Dies hat DocMorris allerdings noch nie davon abgehalten, publikumswirksam auf ­juristisch „kreative Lösungen“ zu ­setzen. |

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