Verhütungsmittel im Bundestag

Linke: „Kein Sex ist auch keine Lösung“

Berlin - 30.06.2018, 08:00 Uhr

Sichere Verhütung ist teuer. Die Grünen und Linken fordern, dass selbstbestimmte Familienplanung keine Frage des Geldes sein darf. (Foto: Imago)

Sichere Verhütung ist teuer. Die Grünen und Linken fordern, dass selbstbestimmte Familienplanung keine Frage des Geldes sein darf. (Foto: Imago)


Familienplanung darf keine Frage des Geldes sein, finden die Grünen und Linken. Beide Fraktionen brachten Anträge auf kostenlose Verhütungsmittel in den Bundestag ein, die am vergangenen Donnerstag debattiert wurden. Die Redner der Großen Koalition verwiesen unisono auf ein laufendes Modellprojekt. Die FDP zeigte sich grundsätzlich offen, will aber noch nachbessern. Die AfD dagegen beklagte, dass die Geburtenrate in Europa ohnehin zu gering sei.

Die Grünen und Linken im Bundestag wollen den Zugang zu Verhütungsmitteln erleichtern. Beide Parteien begründen ihre jeweiligen Anträge mit dem Menschenrecht auf selbstbestimmte Familienplanung. Die Ausgestaltung und der Personenkreis der Begünstigten sind in den beiden Vorschlägen, die am vergangenen Donnerstag im Bundestag debattiert wurden, unterschiedlich. Die Anträge wurden im Anschluss an die Aussprache zur Beratung in die Ausschüsse überwiesen.

Grüne: Selbstbestimmte Familienplanung ist ein Menschenrecht

Die Grünen-Bundestagsfraktion fordert, dass Empfänger von Transferleistungen verschreibungspflichtige Verhütungsmittel sowie Kondome auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherungen erhalten. In ihrer Rede verwies die Hauptantragsstellerin Maria Klein-Schmeink auf eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hin, der zufolge Frauen mit einem geringen Einkommen ein deutlich erhöhtes Risiko haben, ungewollt schwanger zu werden. „Wir alle wissen, dass ein Schwangerschaftsabbruch ein körperlich und seelisch belastender Eingriff ist“, sagte die Grünen-Gesundheitspolitikerin.

Für Hartz IV-Empfängerinnen, die den Regelsatz von 416 Euro erhalten, seien hormonelle Verhütungsmittel, die etwa 20 Euro monatlich kosten, zu teuer. Die Grünen schlagen vor, dass Empfängerinnen von Transferleistungen die Kosten für ärztlich verordnete Verhütungsmittel sowie Kondome von den Krankenkassen erstattet bekommen. Da nicht die Krankenkassengemeinschaft, sondern die Gesellschaft für die Umsetzung des Menschenrechts aufkommen solle, würden die Krankenkassen ihre Aufwendungen durch einen Steuerzuschuss ersetzt bekommen.

Linke: Verhütungsbudget für alle

„Kein Sex ist auch keine Lösung", findet die Linksfraktion und geht mit ihren Forderungen noch einen Schritt weiter. Zum einen erweitern die Linken den Personenkreis der Begünstigten auf alle gesetzlich Versicherten. Für Hauptantragsstellerin Cornelia Möhring ist Verhütung nicht nur Frauensache. Deshalb ist in dem Antrag der Linken auch die Kostenerstattung für Sterilisationsoperationen bei Männern vorgesehen. Auch Zykluscomputer für die Temperaturmethode, Kondome und jegliche hormonellen Verhütungsmethoden inklusive der Pille danach sollten kostenlos verfügbar sein.

Im Gegensatz zu den Grünen, stellen sich die Linken vor, dass Verhütungsmittel in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen werden. Die Versicherten sollen ein Verhütungsbudget erhalten. „Der freie Zugang zu Verhütungsmitteln darf nicht von politischen Mehrheiten und auch nicht von den Steuereinnahmen abhängen. Daher hält die Linke die Übernahme in den Leistungskatalog der Krankenkassen für den besten Weg“, argumentierte die frauenpolitische Sprecherin der Linken.

Regierung verweist auf Modellprojekt

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Karin Maag (CDU), meinte, dass Verhütung nicht zum Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung gehört. „Wenn wir schon darüber diskutieren, dass bundeseinheitlich der Zugang zu Verhütungsmitteln niedrigschwellig ermöglicht werden soll, dann doch dort, wo die Diskussion hingehört, nämlich in den Bereich der Transferleistungen“, erklärte die CDU-Gesundheitspolitikerin.

Die Problemstellung sei zudem nicht neu und es laufe derzeit ein Modellprojekt Pro Familia (biko), bei dem es ebenfalls um den Zugang zu Verhütungsmittel ginge. Die Union werde zunächst die Ergebnisse des Projektes abwarten und den Antrag ablehnen, erklärte Maag. Auch die nachfolgenden Redner der großen Koalition verwiesen auf das biko-Projekt.

Die Sozialdemokraten kritisierten an dem Vorschlag der Grünen, dass sich dieser nur an einkommensschwache Frauen richte: „Das ist doch gerade das Kennzeichen unserer Krankenkassen: Wenn es Leistungen gibt, dann stehen sie allen offen – unabhängig vom Einkommen und von der Höhe der Beiträge“, monierte die SPD-Gesundheitspolitikerin Claudia Moll.

AfD: „Die eigenen Früchte machen uns stark“

AfD-Gesundheitspolitiker Dr. Robby Schlund befasste sich in seiner Rede zunächst mit dem Gegenteil von Verhütung, nämlich dass aus seiner Sicht in Deutschland zu wenige Kinder geboren werden. „Die eigenen Früchte machen uns stark.“ Seine Fraktion stehe für eine „Kinderwillkommenskultur“ in Deutschland.

Im Folgenden kritisierte er, dass der Antrag der Grünen diskriminierend sei, da er nur Geringverdienerinnen betreffe. Auf den Vorschlag der Linken ging Schlund nicht ein. Dafür schlug er vor, die sexuelle Selbstbestimmung muslimischer Frauen zu stärken und insbesondere muslimische Männer aufzuklären.

FDP will noch „nachsteuern“

Die Freien Demokraten stehen für Selbstbestimmung in allen Lebenslagen, erklärte FDP-Bundestagsageordnete Dr. Wieland Schinnenburg. Bei den vorliegenden Anträgen sehe er allerdings mehrere Probleme. So hätten die Grünen den Kreis der Begünstigten zu eng, die Linken zu weit gewählt.

Außerdem fand der FDP-Gesundheitspolitiker, dass neben Kondomen auch „anspruchsvolle“ Verhütungsmittel in den Leistungskatalog aufgenommen werden sollten. Zwischenrufe der Antragssteller wiesen den Redner allerdings darauf hin, dass hormonelle Verhütungsmittel in den Anträgen ausdrücklich aufgeführt seien.

Ein weiterer Kritikpunkt betraf die Finanzierung – diese solle weder zulasten der Kassen-Beitragszahler noch der Arbeitgeber oder -nehmer gehen. Grundsätzlich seien die Liberalen den Vorschlägen „wohlgesonnen“, aber es müsse noch „nachgesteuert“ werden.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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