Schweiz

Politik streitet über Cannabis-Freigabe in Apotheken

Remagen - 15.12.2017, 12:45 Uhr

In der Schweiz soll es Cannabis in Pilotprojekten bald frei aus der Apotheke geben. Viele Politiker wollen das aber nicht. (Foto: dpa)

In der Schweiz soll es Cannabis in Pilotprojekten bald frei aus der Apotheke geben. Viele Politiker wollen das aber nicht. (Foto: dpa)


In der Schweiz liefern sich die Befürworter und Gegner der Freigabe von Cannabis erbitterte politische Kämpfe. Im Frühjahr dieses Jahres sollten Forschungsprojekte auf den Weg gebracht werden, mit denen Cannabis über Apotheken versuchsweise legal an Freiwillige abgegeben werden sollte. Der Bund verweigerte die Zustimmung dazu, aber nun macht das Parlament Druck.

Obwohl die Schweiz in Sachen Drogenpolitik eher zu den fortschrittlichen Ländern in Europa gehört, ist das Kiffen auch dort immer noch illegal. Es gibt Befürworter einer kompletten Legalisierung, aber auch Widerstände.

Pilotprojekte in Apotheken geplant

Im Frühjahr war berichtet worden, dass hierzu „eines der kuriosesten wissenschaftlichen Experimente der Schweiz“ kurz vor dem Start stehe. Forscher des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) und des klinischen Studienzentrums (CTU) der Universität Bern sollten drei Jahre lang über die Apotheken Cannabis an notorische Kiffer verkaufen dürfen und dabei untersuchen, wie sich ein regulierter Verkauf auswirken würde. Die Forscher hofften auf 500 Teilnehmer. Mit dem Versuch wollen die Berner Wissenschaftler unter anderem herausfinden, ob die Legalisierung einen Einfluss auf die Kiffer hat, etwa ob sie dann mehr oder weniger Cannabis rauchen oder ob sie häufiger straffällig werden. Das Schweizer Betäubungsmittelgesetz macht solche Ausnahmen zu wissenschaftlichen Forschungszwecken möglich. Auch andere Schweizer Städte, darunter Zürich, Genf und Basel wollten die Option nutzen und Projekte für eine regulierte Abgabe von Cannabis auf den Weg bringen.

Bundesamt für Gesundheit stellt sich quer

Ein Selbstgänger schien das aber freilich nicht zu sein. Die bernische Ethikkommission soll das „kontrollierte Experiment“ erst nach langem Hin und Her bewilligt haben, und Mitte November verweigerte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) dem ISPM und dem CTU die Zustimmung zur Durchführung ihres Pilotprojektes. In einer Pressemitteilung erklärte die Behörde: „Das geltende Betäubungsmittelgesetz verbietet den Konsum von Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken. Für wissenschaftliche Forschungsprojekte oder für die beschränkte medizinische Anwendung können Anbau, Herstellung und Inverkehrbringen von Cannabis ausnahmsweise bewilligt werden. Der Konsum zu Genusszwecken, wie ihn die vorliegende Studie vorsieht und voraussetzt, bleibt aber in jedem Fall verboten und kann nach Betäubungsmittelgesetz nicht bewilligt werden, auch nicht im Rahmen von wissenschaftlichen Studien.“ Damit solche Studien bewilligt werden könnten, müsse das Betäubungsmittelgesetz mit einem „Experimentierartikel“ ergänzt werden.

Tür für eine neue Cannabis-Politik offen

Damit ist das Thema aber offenbar noch lange nicht durch, denn jetzt machen der Schweizer National- und der Ständerat Druck, berichtet das Schweizer online-Portal „NAU“ 101 Nationalräte der Grünen, SP, Grünliberalen und FDP, das ist eine knappe Mehrheit aller Nationalräte, und 26 von 46 Ständeräten hätten gleichlautende Vorstöße unterschrieben. Während Links-Grün praktisch geschlossen für eine Cannabis-Legalisierung eintrete, gingen die Fronten bei den Bürgerlichen quer durch die Parteien. Die National-und Ständeräte verlangten eine Gesetzesänderung, damit Versuche mit einer legalen Abgabe von Cannabis bewilligt werden können. „Die Mehrheit des Parlaments will eine Studie zum Verkauf von Cannabis in Apotheken ermöglichen“, wird die Präsidentin der Grünen Regula Rytz zitiert. Sie glaubt, dass die Tür für eine neue Cannabis-Politik damit offen sei und ist praktisch sicher, dass der Vorstoß durchkommt.

„Hinterhältiger Plan“ soll nicht aufgehen

Damit sei noch längst nichts entschieden, kontern die Hanf-Gegner. Laut „NAU“ verurteilt SVP-Nationalrätin Andrea Geissbühler diese Taktik scharf. „Soll man jetzt tatsächlich eine bekiffte Welt fördern?“, äußerte sie gegenüber dem Nachrichtenprotal. „Die sollen ihre Highlights besser im Sport, Musik oder sonst wo suchen.“ Auch das politische Vorgehen stelle Geissbühler, die sich unter anderem als Co-Präsidentin beim Dachverband Drogenabstinenz Schweiz engagiert, in Frage: „Mit diesen Versuchen verstößt man gegen mehrere Gesetze. Es ist bedenklich, wenn man politisch versucht, diese zu umgehen und etwas Gesundheitsschädigendes forciert.“ Sie glaube nicht, dass die Hanf-Legalisierer damit bereits „das Heu im Trockenen hätten“. Bei der Abstimmung werde man dann sehen ob dieser „hinterhältige Plan“ auch aufgehe. Die Befürworter der Legalisierung hofften allerdings, dass Gesundheitsminister Alain Berset aufgrund dieses Signals nun von sich aus einen Gesetzesvorschlag präsentiert.

„Kiffen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen“

Laut Suchtmonitoring Schweiz ist Cannabis dort die mit Abstand am häufigsten konsumierte illegale Substanz. Fast jede dritte Person ab 15 Jahren hat bereits Erfahrungen mit der Droge gemacht. Kiffen sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, schreibt das Thuner Tagblatt.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Die Prohibition ist selbsterhaltend

von woewe am 16.12.2017 um 1:09 Uhr

Tja, die Drogenverbotsgesetze wurden so gestaltet, dass eine Überprüfung derselben nahezu unmöglich gemacht wurde,
Auch das internationale Einheitsabkommen ließ kaum Rückschlüsse auf die Wirksamkeit der darüber erlassenen Drogengesetze der einzelnen Länder zu, weil dadurch Vergleichsmöglichkeiten jahrzehntelang fehlten, die Niederlande mit ihrer Duldungspolitik war eine rühmliche Ausnahme.
Portugal machte vor 16 Jahren den Anfang mit dem Schritt bis zur Grenze der Möglichkeiten im Rahmen dieses Abkommens mit seiner Entkriminalisierung.
Mehrere US-Bundestaaten, Uruguay und ab 1. Juli nächsten Jahres auch Kanada proben den Aufstand gegen dieses Abkommen, indem sie den legalen Verkauf und Besitz von Cannabis zu nichtmedizinischen Zwecken erlsuben. Damit stehen mehr Länder zur Auswahl, um die Sinnfälligkeit des Verbots zu überprüfen.

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