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Wie geht es nach der Bundestagswahl weiter?

Berlin - 28.09.2017, 10:20 Uhr

Wie geht es nach der Wahl weiter? Bis zur Niedersachsen-Wahl steht erst einmal alles still, danach starten die konkreten Gespräche. (Foto: dpa)

Wie geht es nach der Wahl weiter? Bis zur Niedersachsen-Wahl steht erst einmal alles still, danach starten die konkreten Gespräche. (Foto: dpa)


Deutschland hat gewählt – und nun? In den Polit-Talkshows wird in den Tagen nach der Bundestagswahl viel gestritten und über mögliche Minister und Koalitionen spekuliert. Aber wie und wann geht es weiter, so dass möglichst bald eine neue Regierung steht? Und was bedeutet dieser Zeitplan für die Apotheker?

Die Bundestagswahl hat Deutschlands Politik auf den Kopf gestellt: Statt wie bisher fünf Parteien und vier Fraktionen, sind nun sieben Parteien und sechs Fraktionen im Parlament. Etwa 100 Sitze hat der Bundestag hinzubekommen – insgesamt hat Deutschland jetzt 709 Bundestagsabgeordnete. Vor dem Hintergrund der neuen Machtkonstellationen gestaltet sich auch die Koalitionsbildung schwieriger als sonst: Schließlich kommt nach der Absage der SPD an eine Neuauflage der Großen Koalition nur noch ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen in Betracht – und in dieser Kombination ergeben sich zumindest auf den ersten Blick nicht viele gemeinsame Nenner.

Trotzdem haben die Politiker nun einen Wählerauftrag, den es umzusetzen gilt. Der erste Schritt nach der Wahl war in den vergangenen Tagen die Fraktionsbildung. Alle Fraktionen haben ihre parlamentarischen Geschäftsführer und ihre Fraktionsvorsitzenden gewählt. Bei der Union bleibt das für die CDU Volker Kauder aus Baden-Württemberg. Neu an seiner Seite ist Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der Gerda Hasselfeldt ersetzte. Hasselfeldt hatte nicht mehr kandidiert.

In der zweitgrößten Fraktion des Bundestages sind am gestrigen Mittwoch die ersten Personalentscheidungen getroffen worden. Andres Nahles, derzeit Arbeits- und Sozialministerin, wird neue Fraktionschefin. Parlamentarischer Geschäftsführer ist neuerdings der Thüringer SPD-Abgeordnete Carsten Schneider. Am gestrigen Mittwoch nahm Nahles wohl zum letzten Mal an einer Sitzung des Bundeskabinetts teil. Laut Geschäftsordnung der Bundesregierung muss Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sie nach ihrem Ausscheiden vertreten. Die Nachrichtenagentur dpa meldete jedoch, dass Familienministerin Katarina Barley das Amt provisorisch für Nahles übernehme.

Gibt es bald eine zweite Fraktion am rechten Rand?

Die drittstärkste Kraft im Parlament ist nunmehr die AfD. Auch dort musste sich die Fraktion zunächst konstituieren, die neuen Abgeordneten mussten sich in den Bundestagsgebäuden zurecht finden, erhielten ihre Akkreditierungen und Bahncards. Nach dem Austritt der derzeitigen AfD-Chefin Frauke Petry aus der Fraktion trafen sich die neuen Abgeordneten, um ihren Vorsitz zu wählen. Die beiden Spitzenkandidaten Alexander Gauland und Alice Weidel übernehmen diese Aufgabe.

Wie es mit Petry weitergeht, ist derzeit noch ungewiss. Spekuliert wird, dass sie nach ihrem anstehenden Parteiaustritt eine eigene Fraktion ins Leben ruft. In einigen Medien war über eine Fraktion mit dem Namen „Die Blauen“ berichtet worden. Für die neue Fraktion müsste Petry allerdings zunächst eine neue Partei gründen, was noch relativ einfach wäre. Um eine eigenständige Fraktion zu etablieren, bräuchte die Politikerin allerdings mindestens 35 Abgeordnete. Dass Petry so viele AfD'ler überzeugt, ist unwahrscheinlich. Möglich ist allerdings die Bildung einer sogenannten Gruppe, dafür bräuchte Petry nur wenige Abweichler, hätte aber auch sehr viel weniger Rechte im Parlament.

Die neue FDP-Fraktion hat sich ebenfalls konstituiert. Einstimmig wurde hier beschlossen, dass Christian Lindner den Fraktionsvorsitz übernehmen soll. Die Linken-Fraktion zählt nach dem Wahlergebnis (etwa 9 Prozent) nunmehr 69 Mitglieder – die Vorsitzenden sind und bleiben Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Auch bei den Grünen blieben zunächst die „alten“ Chefs, nämlich Katrin Göring-Eckardt und Toni Hofreiter.

Konstituierende Sitzung, Sondierung, Koalitionsverhandlung

Laut Grundgesetz muss der neue Bundestag spätestens dreißig Tage nach der Bundestagswahl zur ersten Sitzung, zur sogenannten konstituierenden Sitzung zusammenkommen. In den kommenden Tagen werden dazu die neuen Sitze im Parlament eingebaut. In der konstituierenden Sitzung des Bundestages kommen die Abgeordneten zusammen und wählen den Bundestagspräsidenten, dessen Stellvertreter und die Schriftführer. Zudem beschließen die Mitglieder des Bundestages die Geschäftsordnung.

An der Spitze des Parlamentes wird es wohl einen folgereichen Wechsel geben: Nach dem Ausscheiden von Norbert Lammert (CDU) soll der derzeitige Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Bundestagspräsident werden. Grundsätzlich hat die größte Fraktion das Vorschlagsrecht für den Präsidenten. Wird Schäuble gewählt, ergeben sich auch bei der späteren Vergabe der Ministerposten neue Spielräume. Denn die FDP hatte während des Wahlkampfes ein Auge aufs Finanzministerium geworfen – das wiederum könnte bedeuten, dass die Grünen im Falle einer Jamaika-Koalition das Außenministerium erhalten.

Wer verhandelt das Thema Gesundheit?

Alle Personaldebatten sind derzeit allerdings noch sehr spekulativ. Damit eine neue Regierung überhaupt entstehen kann, müssen Koalitionsverhandlungen stattfinden. Diese finden in der Regel aber erst nach vorgeschalteten Sondierungsgesprächen statt. Und genau diese Sondierungsgespräche dürften in den kommenden Wochen anstehen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bereits angekündigt, auch mit der SPD sprechen zu wollen – obwohl diese eine erneute Regierungsbeteiligung an der Seite der Union ablehnt.

Doch bevor diese ersten Treffen stattfinden können, steht das politische Berlin erst einmal still. Insbesondere die CDU ist interessiert daran, die Niedersachsen-Wahl am 15. Oktober abzuwarten. Erst dann dürften sich die möglichen Koalitionäre zu ersten konkreten Gesprächen treffen. In dieser Zeit stellen die einzelnen Parteien ihre Teams für die Gespräche auf. Wie sie das tun, bleibt den Parteien selbst überlassen. Üblicherweise wird aber aus jedem Fachgebiet ein Politiker geschickt. Lediglich die Grünen haben ihre Mannschaft für die Sondierungsgespräche schon benannt. Neben der Parteispitze ist unter anderem auch Katja Dörner im Team. Dörner ist derzeit stellvertretende Fraktionsvorsitzende und für das Thema Gesundheit im Fraktionsvorstand eingeteilt.

Platzt das Honorar-Gutachten in die Koalitionsverhandlungen?

Alle anderen Parteien haben ihre Sondierungsmannschaften noch nicht benannt. In der Union geht man stark davon aus, dass Gröhe teilnimmt und auch für Gesundheitsthemen sprechen wird. Für die Apotheker wäre das sicherlich keine schlechte Nachricht, schließlich ist Gröhe ein vehementer Befürworter des Rx-Versandverbotes. Sollten sich Union, FDP und Grüne auf gemeinsame Positionen einigen, folgen die Koalitionsverhandlungen. Irgendwann im November wird es dann auch für die Apotheker spannend. Denn das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) hatte zuletzt angekündigt, dass das Gutachten zum Apothekenhonorar im November veröffentlicht wird. So könnte es kommen, dass das Papier auch Thema der Arbeitsgruppe Gesundheit in den Koalitionsverhandlungen wird.

Erst wenn es feststeht, dass eine Koalition zustande kommt und wenn alle Seiten sich auf die Inhalte eines Koalitionsvertrages einigen konnten, steht die Personaldebatte an. Geht man davon aus, dass die ersten konkreten Gespräche erst nach der Niedersachsen-Wahl starten, und dass diese Gespräche dann zu einer Koalitionsbildung führen, wird es voraussichtlich nicht vor Mitte/Ende Dezember zu dieser Personaldebatte kommen. Und dann spielen neben Expertise, also der Frage, wer beispielsweise für das Gesundheitsministerium fachlich überhaupt in Frage kommt, auch andere Themen eine Rolle, beispielsweise der Länder-Proporz oder die Verteilung der Ministerien unter den Koalitions-Parteien.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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