Open-House-Ausschreibungen

So funktionieren die neuen Zyto-Rabattverträge

Berlin - 18.09.2017, 14:15 Uhr

Zyto-Apotheken müssen künftig neue Rabattverträge beachten. (Foto: benicoma / Fotolia)

Zyto-Apotheken müssen künftig neue Rabattverträge beachten. (Foto: benicoma / Fotolia)


Die Zyto-Verträge der Krankenkassen mit Apotheken sind seit Ende August Geschichte. Die Kassen müssen nun bei parenteralen Zyto-Zubereitungen auf andere Weise sparen: Zum einen durch eine neu justierte Hilfstaxe, zum anderen durch Rabattverträge mit den Herstellern der verwendeten Arzneimittel. Während die Hilfstaxe vor der Schiedsstelle gelandet ist, läuft die erste Open-House-Ausschreibung bereits – weitere sollen in Kürze folgen.

Lange wurde um die Zyto-Verträge der Krankenkassen mit Apotheken gerungen. Vertreter der Apotheken, Ärzte, Kliniken auch der Patientenvertreter haben beharrlich für ihre Abschaffung gekämpft und konnten – zum Leidwesen der Kassen – die Politik zum Handeln bewegen. Mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) setzte die Große Koalition einen Schlussstrich unter die an Apotheken adressierten Ausschreibungen. Nachdem das Gesetz am 13. Mai dieses Jahres in Kraft getreten ist, folgte eine unruhige Übergangzeit. Obwohl das Bundesgesundheitsministerium deutlich erklärte, dass die Exklusivität der Apothekenverträge sofort gefallen ist, beharrten die Kassen darauf, dass dies erst zum Ende der Übergangsfrist am 31. August 2017 der Fall sei. Ob und welche Retaxationen aus dieser Zeit noch folgen werden, ist derzeit ungewiss.

Klar ist aber: Seit Anfang September besteht kein Zweifel mehr, dass die Verträge zwischen Kassen und Apotheken Geschichte sind. Nun müssen die Kassen auf die vom Gesetzgeber vorgesehenen alternativen Sparmöglichkeiten zurückkommen. Zum einen sollte der GKV-Spitzenverband – ebenfalls bis Ende August – mit dem Deutschen Apothekerverband die Preise für parenterale Zubereitungen aus Fertigarzneimitteln in der Onkologie neu vereinbaren (§ 129 Abs. 5c SGB V). Bekanntlich ist dies nicht gelungen, die Vertragspartner haben die Schiedsstelle angerufen und zugleich bekräftigt, dass sie weiterhin miteinander im Gespräch seien.

Gemeinsames Vorgehen der Kassen

Ferner sollen die Kassen Reserven heben, indem sie mit den Herstellern der von den Apotheken für die Zyto-Zubereitungen verwendeten, onkologischen Arzneimittel Rabattverträge abschließen. Schon im vergangenen Mai war zu hören, dass die Kassen miteinander im Gespräch sind, ob und wie ein einheitliches bundesweites Ausschreibungsverfahren mit regionaler Komponente organisiert werden könnte. Open-House-Verträge mit mehreren Herstellern waren das Ziel.

Ein paar Monate später zeigt sich, dass die Idee einer bundesweiten Ausschreibung sich nicht durchsetzen konnte. Doch Bewegung gab es sehr wohl: Ende August startete die AOK Rheinland/Hamburg federführend für zahlreiche Kassen – darunter auch alle Ersatzkassen – die erste Ausschreibung nach den neuen Vorgaben: Für 55 Wirkstoffe sucht sie derzeit Vertragspartner; sowohl für generische Wirkstoffe als auch für Originalarzneimittel. Die Open-House-Ausschreibung ist regional begrenzt auf die KV-Regionen Nordrhein, Westfalen-Lippe, Schleswig-Holstein und Hamburg. Die Kassen geben für jeden der Wirkstoffe einen festen Preis vor. Jeder Hersteller, der bereit ist, diesen zu akzeptieren, kann Vertragspartner werden. Er muss allerdings auch noch Nachweise vorlegen, dass er geeignet ist – also etwa seine Lieferfähigkeit belegen. 

Der Standort der abgebenden Apotheke zählt

Apotheken, die in den Ausschreibungsregionen ansässig sind, sind künftig verpflichtet, Rabatt-Wirkstoffe bei der Herstellung zu verwenden, wenn ein Vertrag besteht. Anderenfalls droht die Null-Retaxation. Maßgeblich ist also nicht, wo der Versicherte wohnt, sondern der Standort der abgebenden Apotheke. Das soll es für die Apotheken übersichtlicher machen: Sie sollen nicht für Versicherte aus verschiedenen Regionen Produkte unterschiedlicher Hersteller bereithalten müssen.

Starten sollen die Verträge zum 1. Oktober 2017. Da im Rahmen eines Open-house-Verfahrens die Hersteller über den Vertragsstart selbst entscheiden können, werden allerdings nicht alle Verträge zeitgleich anlaufen, erklärte eine Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg auf Nachfrage von DAZ.online. Es ist zunächst eine Laufzeit von einem Jahr vorgesehen, aber auch eine zweimalige Verlängerung für jeweils sechs Monate.

Apotheken werden informiert

Wie aus Kassenkreisen zu hören ist, sollen die Zytostatika-herstellenden Apotheken diese Woche erstmals über die neuen Verträge informiert werden. Absehbar ist, dass die neuen Rabattvertragspartner zum 1. Oktober noch nicht in die Apothekensoftware eingespielt sein werden. In der Lauertaxe können die regionalen Besonderheiten nicht abgebildet werden. Dennoch verspricht die Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg: „Die gesetzlichen Krankenkassen werden sicherstellen, dass die Zytostatika-herstellenden Apotheken und die Ärzte rechtzeitig und umfassend über die geschlossenen Verträge informiert werden“. Tatsächlich sieht der Vertrag vor, dass die auf das Regionallos bezogene Einspielung der PZN der Vertrags-Produkte „zum nächstmöglichen Monatsersten“ vereinbart wird – sofern die technischen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Anderenfalls werden die betroffenen Apotheken anderweitig informiert. Und zwar schriftlich bzw. über das Internet.  Nach Informationen von DAZ.online wird es eine Internetadresse bei der AOK geben, unter der die jeweils aktuellen Rabattvertragspartner eingesehen werden können.

Diese Ausschreibung soll erst der Anfang sein. Weitere dieser Art sollen jetzt sukzessive folgen, ebenfalls in größeren regionalen Clustern. Die nächste wird wohl von den bayerischen Kassen kommen. Gefolgt von Niedersachsen und Bremen/Bremerhaven bis Sachsen-Anhalt – möglicherweise auch noch mit Thüringen und Sachsen. Ein weiterer Cluster könnte etwa das Gebiet der AOK Nordost sein (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern). „Das ruckelt sich gerade so zusammen“ ist aus Kassenkreisen zu hören. Das Ziel: Bis zum Jahreswechsel soll es in ganz Deutschland Open-House-Verträge mit Herstellern geben. Mit der ersten Region, die ganz NRW mitumfasst, ist man schon gut dabei. Hier fielen bereits rund 35 Prozent der Gesamtausgaben für die Zyto-Zubereitungen an, heißt es.

Und wie funktionieren die Open-House-Verträge mit der Hilfstaxe?

Nun fragt man sich, wie die neuen Verträge mit der noch bestehenden und der neuen Hilfstaxe zusammenspielen werden und wie es künftig um Rabatte an die Apotheken bestellt sein wird. Denn die Nachlässe, die die Hersteller in den Open-House-Verträgen gewähren müssen, sind nicht ohne. Die verlangten rabattierten Preise liegen im Einzelfall rund 90 Prozent unter dem der Lauertaxe. Besteht da noch Raum für Rabatte des Herstellers an die Apotheke? Tatsächlich sorgen die Kassen insoweit vor, als dass der von den Herstellern zu zahlende Rabatt in Abhängigkeit vom reduzierten Hilfstaxenpreis berechnet wird. Damit ist gewährleistet, dass es nicht zu einer Doppelrabattierung kommt.

Die Sprecherin der AOK Rheinland/Hamburg sieht auch kein Problem mit der Hilfstaxe: „Selbstverständlich haben die gesetzlichen Krankenkassen über die neu abzuschließenden Verträge sichergestellt, dass die Verträge sowohl mit der bisherigen, als auch mit der aktuell auf Bundesebene neu zu verhandelnde Hilfstaxe kompatibel sind“. Auch sonst ist aus Kassenkreisen zu hören, es werde dafür gesorgt, dass die Rabattierungen aus den Verträgen mit den Herstellern nicht zulasten der Apotheker gingen. Das sehe der Vertrag so vor und müsse auch in den Verhandlungen zur neuen Hilfstaxe berücksichtigt werden.

Für die herstellenden Apotheken wird es künftig umso mehr Bedeutung haben, eine vom Arzneimittel unabhängige und angemessene Vergütung erhalten. Der DAV hat schon bisher in den Verhandlungen zur Hilfstaxe darauf gedrängt, dass es neben den – aufwands- und qualitätsgerechten – Arbeitspreisen eine 3-pozentige „Handling-Fee“ und ein Fixum von 8,35 Euro für Abgabe und Beratung geben soll. Der GKV-Spitzenverband ließ sich darauf allerdings nicht ein. Nun ist zu hoffen, dass die Schiedsstelle eine zufriedenstellende Lösung herbeiführt, die alle Besonderheiten berücksichtigt.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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