Nach Neuauswertung von Daten

Verliert die Hormonersatztherapie ihren schlechten Ruf? 

Boston - 13.09.2017, 12:29 Uhr

Verliert die Hormonsersatztherapie ihren schlechten Ruf? (Foto: Jürgen Fälchle / stock-adobe.com)                                    

Verliert die Hormonsersatztherapie ihren schlechten Ruf? (Foto: Jürgen Fälchle / stock-adobe.com)                                    


Für viele Frauen war es ein Schock: Eine Hormonersatztherapie erhöht das Risiko für Brustkrebs und Schlaganfälle, ergab eine Studie vor 15 Jahren. Nun kommen Forscher zu einem ganz anderen Ergebnis - auf Basis derselben Daten.

Eine Hormonersatztherapie in den Wechseljahren erhöht nach einer neuen Langzeitstudie doch nicht die Sterblichkeit der behandelten Frauen. Das Bemerkenswerte an der Untersuchung der US-amerikanischen Frauengesundheitsinitiative WHI: Sie bezieht sich auf dieselben Patientendaten wie bereits bei der Erstveröffentlichung 2002, die zu der Auffassung geführt hatte, eine Hormonersatztherapie erhöhe das Risiko von Brustkrebserkrankungen und Schlaganfällen. Die aktuelle Studie der Gruppe um JoAnn Manson vom Brigham and Women‘s Hospital der Harvard Medical School in Boston (Massachusetts, USA) wird im Fachmagazin „JAMA“ vorgestellt.

„Diese Ergebnisse unterstützen klinische Leitlinien, die den Einsatz einer Hormonersatztherapie für Frauen in den Wechseljahren befürworten, um belastende Hitzewallungen und andere Symptome in den Griff zu bekommen“, erklärt Manson. Bereits im vergangenen Jahr waren Manson und Andrew Kaunitz, die beide zum WHI-Forschungsteam gehören, in einem Fachaufsatz zurückgerudert: Sie legten dar, dass die Studienergebnisse von 2002 womöglich falsch interpretiert und unzulässig verallgemeinert worden seien.

Hormonersatztherapie wurde als Gesundheitsrisiko eingeschätzt

In der ursprünglichen Studie war das durchschnittliche Alter der mehr als 27.000 Teilnehmerinnen mit 63 Jahren sehr hoch, da der Effekt der Hormonersatztherapie auch bei älteren Frauen untersucht werden sollte. Getestet wurden damals zwei Therapieansätze: eine Kombination aus Östrogen und einem zweiten Hormon, das ein zu starkes Wachstum der Gebärmutterschleimhaut unterbinden soll, sowie nur Östrogen bei Frauen, denen die Gebärmutter entfernt worden war. Die Behandlung mit der Hormonkombination wurde nach fünfeinhalb Jahren abgebrochen, da sich ein erhöhtes Risiko abzeichnete, an Brustkrebs zu erkranken. Auch Herzinfarkte traten etwas häufiger auf als in der Kontrollgruppe, wogegen Knochenbrüche und Darmkrebs seltener waren. Nach etwas mehr als sieben Jahren setzten die WHI-Forscher auch die Östrogenbehandlung aus, da sich den Daten zufolge das Risiko eines Schlaganfalls erhöhte. Die Studienergebnisse machten Schlagzeilen, eine Hormonersatztherapie wurde von immer mehr Ärzten und Patientinnen weltweit als Gesundheitsrisiko eingeschätzt.

Aktuelle Studie widerspricht 

Dem widerspricht nun die aktuelle Studie: Manson und Kollegen überprüften, ob bis Ende 2014 mehr Frauen nach einer Hormonbehandlung verstorben waren als Patientinnen der Kontrollgruppe und an welchen Krankheiten sie starben. Alle Todesursachen zusammengenommen waren zu diesem Zeitpunkt 27,1 Prozent der mit Hormonen behandelten Frauen verstorben, bei den Frauen in der Kontrollgruppe waren es 27,6 Prozent. Waren die Frauen zum Zeitpunkt der Behandlung jünger als 60 Jahre, lag das Sterblichkeitsrisiko bei den hormonbehandelten Frauen tendenziell niedriger als bei den Frauen der Kontrollgruppe.

Experten sehen Studie positiv

Cornelia Jaursch-Hancke, leitende Endokrinologin an der DKD Helios Klinik Wiesbaden, hält die Ergebnisse der neuen Studie für plausibel. Anders als bei der WHI-Studie von 2002 sei jetzt nicht das Auftreten von Erkrankungen, sondern die Sterblichkeit untersucht worden. „Dass es kein erhöhtes Sterberisiko durch die Hormonbehandlung gibt, nimmt der Therapie den Makel, den sie lange hatte.“ Bei der WHI-Studie von 2002 habe es eine Reihe von Einschränkungen gegeben; auch seien Hormonpräparate zum Einsatz gekommen, die in Europa üblicherweise nicht verwendet werden. Auch Alfred Mueck, Präsident der Deutschen Menopause Gesellschaft e.V., sieht die Studie positiv: „Für die Behandlung der Wechseljahresbeschwerden ist die Hormonersatztherapie sicher rehabilitiert“. Es werde auch verstärkt Diskussionen geben müssen, inwieweit nicht doch auch die vorbeugenden Wirkungen der Hormonersatztherapie im Hinblick auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Diabetes, Alzheimer und Darmkrebs mehr als «Zusatznutzen» beachtet werden sollten. Denn selbst die WHI-Studie zeige die gesundheitlichen Vorteile, wenn die Behandlung bereits kurz nach dem Ende der Regelblutungen begonnen werde, betont Mueck. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, schließt sich an: „Für die Beratung ist es auf jeden Fall von großer Bedeutung, dass Frauen keine Angst vor einer Hormonersatzbehandlung haben müssen.“



Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.