Arzneimittel und Therapie

Diskussion um Hormonersatztherapie: Weniger Risiko mit transdermalen Pflastern?

In der vergangenen Woche berichteten wir an dieser Stelle (DAZ 29/02, S. 35 Ų 36) über die Ergebnisse einer amerikanischen Studie, der so genannten "Women's Health Initiative" (WHI). Die Studie hatte gezeigt, dass die Einnahme von Präparaten zur Hormonersatztherapie in und nach den Wechseljahren in Zukunft wesentlich differenzierter betrachtet werden muss, als das bisher der Fall war. Frauen, die derartige Präparate einnehmen, haben demnach ein etwas erhöhtes Brustkrebs- und Herz-Kreislauf-Risiko. Jetzt äußerte sich die Firma Novartis in einer Pressemeldung zu den Ergebnissen der Studie.

An der Studie waren 16 608 Frauen im Alter zwischen 50 und 79 beteiligt (Durchschnittsalter 63 Jahre). Die primären Endpunkte der WHI-Studie waren Ereignisse aufgrund der koronaren Herzkrankheit und Brustkrebs. Wie berichtet, ist der Studienarm, in dem die Frauen mit einer oralen kombinierten Hormonersatztherapie behandelt worden sind (0,625 mg/Tag konjugierte equine Estrogene plus 2,5 mg/Tag Medroxyprogesteronacetat) wegen der ungünstigen Nutzen-Risiko-Relation nach fünf Jahren vorzeitig abgebrochen worden. Ein weiterer Studienarm mit einer Estrogen-Monotherapie läuft hingegen wie geplant weiter.

Die Studie zeigt, dass für die Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse eine derartige orale Estrogen/Gestagen-Kombinationstherapie ungeeignet ist.

Ergebnisse differenziert betrachten

Die Firma Novartis meint, die Studienergebnisse der WHI-Studie müssten differenziert betrachtet werden. Der negative Ausgang eines Studienarmes könne nicht auf die Hormonersatztherapie als Ganzes übertragen werden, sondern beträfe die orale Hormonersatztherapie mit konjugierten equinen Estrogenen in Kombination mit Medroxyprogesteronacetat.

Vor allem die transdermalen Pflastersysteme des Unternehmens Novartis mit anderen Wirkstoffen als die in der WHI verwendeten könnten nach Meinung des Unternehmens als sicher und effektiv angesehen werden. Die Ergebnisse der WHI Studie seien nicht für transdermale Pflaster relevant und auch nicht übertragbar, da diese nicht in die Studie einbezogen waren und einem deutlich anderen Stoffwechselweg unterlägen.

Natürliches Estrogen plus Norethisteronacetat

Für die vom Pharmaunternehmen Novartis vertriebenen transdermalen Pflaster gelte nach Firmenaussage darüber hinaus folgendes: In allen transdermalen Hormonersatz-Präparaten ist natürliches 17-β-Estradiol enthalten, also jenes Östrogen, das der Körper der Frau unter physiologischen Bedingungen auch produziert. Als Kombinationspartner enthalten die transdermalen Pflastern darüber hinaus das gefäßneutrale Norethisteronacetat (NETA).

Für das im Rahmen der WHI eingesetzte Gestagen Medroxyprogesteronacetat (MPA) sei nach Aussage von Novartis hingegen schon länger bekannt, dass dieses Gestagen die positiven Estrogenwirkungen an den Gefäßen nahezu aufheben könne. Die konjugierten equinen Estrogene enthielten zum Teil biologisch hoch aktive Metaboliten, die im menschlichen Organismus nicht vorkämen und über deren Wirkung letztlich wenig bekannt sei.

Weiterhin müsse darauf hingewiesen werden, dass die während einer Therapie mit natürlichem Estrogen verabreichten Hormonmengen auf Grund der Pflasterapplikation in der Regel erheblich geringer seien. Für Estragest TTS bedeute dies, dass im Vergleich nur 1/25 der Estrogenmenge und nur 1/20 der Gestagenmenge verabreicht werden.

Höheres Alter beeinflusst Ergebnisse

Schließlich dürfe bei der Interpretation der Studienergebnisse folgender Aspekt nicht außer Acht gelassen werden, so Novartis: Die Patientinnen in der WHI-Studie waren durchschnittlich 63 Jahre alt. Die meisten Frauen beginnen eine Hormonersatztherapie deutlich unter 55 Jahren. Das Brustkrebsrisiko steigt jedoch mit dem Alter steil an. Es sei also durchaus möglich, dass bereits vor Therapiebeginn ein Brustkrebs bestand, der sich aufgrund seiner geringen Größe nicht diagnostizieren lassen konnte.

In epidemiologischen Studien und Meta-Analysen, die in Bezug auf ein erhöhtes Brustkrebsrisiko veröffentlicht wurden, konnte ein erhöhtes Brustkrebsrisiko erst nach einer Therapiedauer von mindestens 5 Jahren gesehen werden. Dies wurde in der WHI bestätigt. Die meisten Frauen nehmen aber eine Hormonersatztherapie weniger als vier Jahre (nämlich durchschnittlich 9 Monate) in Anspruch.

Literatur

Writing Group for the Women's Health Initiative Investigators: Risks and benefits of estrogen plus progestin in healthy postmenopausal women. Principal results from the women's health initiative randomized controlled trial. J. Am. Med. Assoc. 288, 321 – 333 (2002). hel

DAZ-Presseschau

Hormonstreit um die Wechseljahre

Unter dieser Überschrift äußert "Die Zeit" vom 18. Juli 2002 ihre Verwunderung darüber, dass deutsche Gynäkologen auf die brisanten Daten der WHI-Studie nicht reagieren:

Der Berufsverband der Frauenärzte hat für seine fast 14 000 Mitglieder einen Brief zur Auslage im Wartezimmer erstellt. Darin wird der "sehr verehrten Patientin" mitgeteilt, dass sich die US-Ergebnisse kaum auf Deutschland übertragen ließen. Lapidar heißt es, die WHI-Studie habe "keine Senkung der Herz-Kreislauferkrankungen" erbracht. Thrombosen, Embolien und Herzinfarkte werden verschwiegen. Die Zunahme der Brustkrebserkrankungen nach Hormongabe wird geradezu zynisch interpretiert: Solche Tumoren könnten "durch das beschleunigte Wachstum früher erkannt und entfernt" werden.

"Es ist fahrlässig gegenüber den Frauen, wenn in einem Land, in dem es kaum Studien zu diesem Thema gibt, solch hochkarätige Forschungsergebnisse einfach abgetan werden", findet Martina Dören, Professorin für Frauengesundheit an der FU Berlin.

Doch bei der Hormonverteilung geht es um viel Geld. In Deutschland erstatten die Krankenkassen 500 Millionen Euro jährlich für die Präparate. In der Altersgruppe zwischen 50 und 60 schluckt fast jede zweite Frau die Pillen. Deutschland steht europaweit an der Spitze, was den Hormonverbrauch angeht. Seit den achtziger Jahren, als auf Kongressen schon mal "Östrogen für alle" gefordert wurde, ist die Verschreibung von etwa 80 Millionen Tagesdosen um mehr als das Zehnfache auf knapp eine Milliarde Tagesdosen jährlich gestiegen.

Gespannt darf man daher auf die Reaktion der Gynäkologen sein, wenn ihnen Frauen die Mitteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter die Nase halten. Das BfArM hält es für naheliegend, dass sich die US-Ergebnisse auch auf andere, in Deutschland verwendete Hormonkombinationen übertragen lassen. Ausdrücklich warnt das Institut vor einer Anwendung von mehr als vier Jahren bei gesunden Frauen.

Ärzte nach Hormonstudie verunsichert

Über eine Diskussion von Experten des Universitätsklinikum Benjamin-Franklin (UKBF) mit niedergelassenen Gynäkologen über die Konsequenzen für die Praxis berichtet die Berliner Zeitung vom 19. Juli 2002:

"Was sage ich jetzt den Frauen, die seit Jahren gut mit Hormonpräparaten klarkommen, die aber jetzt, nach den neuen Studienergebnissen, aufgeschreckt in meine Praxis kommen?" Antworten erhoffte man sich von zwei UKBF-Experten für die Hormonersatztherapie in den Wechseljahren: Martina Dören, Professorin für Frauengesundheitsforschung und Horst Lübbert, Leiter des Labors für gynäkologische Endokrinologie.

Nach Auffassung der beiden Experten sollte die in der US-Studie verwendete Wirkstoffkombination aus "konjugierten Östrogenen" und Medroxyprogesteronacetat überhaupt nicht mehr verwendet werden. In Deutschland sind die Hormonpräparate Climopax®, Climopax Cyclo® und Climarest plus® so zusammengesetzt.

Während Martina Dören zur Vorsicht auch bei anderen Kombinationen aus Östrogenen und Gestagenen riet, hält Horst Lübbert die Einnahme solcher Präparate über einen Zeitraum von fünf Jahren für "völlig unproblematisch". In der US-Studie habe sich bei Erstanwenderinnen einer Hormonersatztherapie kein erhöhtes Brustkrebsrisiko in den ersten fünf Jahren gezeigt, betonte Lübbert. Aber auch eine Hormonersatztherapie über fünf Jahre hinaus – manche Frauen nehmen die Medikamente länger als zwanzig Jahre ein – sei nicht "grundsätzlich zu verdammen".

Martina Dören rät gesunden Frauen von einer Langzeittherapie mit Östrogen-Gestagen-Präparaten ab – vor allem dann, wenn man sich davon eine Vorbeugung gegen Herzerkrankungen verspreche. Unter "Langzeit" versteht Martina Dören länger als 4 Jahre.

Die US-Ergebnisse seien auch auf andere, modernere Wirkstoffe aus diesen Substanzklassen übertragbar, sagte Dören, die sich dabei auf eine aktuelle Stellungnahme des Bonner Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) berief. Wer sich als Arzt an der BfArM-Linie orientiere, schütze sich vor möglichen Haftungsklagen, sagte Dören.

Durch solide Studienergebnisse untermauert sei diese Empfehlung aber nicht, kritisierte Horst Lübbert. Die derzeit verwendeten Gestagene wirkten so unterschiedlich, dass eine Risiko-Verallgemeinerung nicht zulässig sei.

Sowohl Lübbert als auch Dören beklagten, dass große Studien mit den in Deutschland verwendeten Hormonpräparaten fehlten. Alle bedeutenden Untersuchungen seien in den USA mit dort üblichen Medikamenten gemacht worden.

In der vergangenen Woche berichteten wir über die Ergebnisse der so genannten "Women's Health Initiative" (WHI). Die Studie hatte gezeigt, dass die Einnahme von Präparaten zur Hormonersatztherapie in und nach den Wechseljahren in Zukunft wesentlich differenzierter betrachtet werden sollte. Jetzt äußerte sich die Firma Novartis in einer Pressemeldung zu den Ergebnissen der Studie. Der negative Ausgang eines Studienarmes könne nicht auf die Hormonersatztherapie als Ganzes übertragen werden. Vor allem die transdermalen Pflastersysteme mit anderen Wirkstoffen als die in der WHI verwendeten könnten nach Meinung des Unternehmens als sicher und effektiv angesehen werden.

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