Notfallbevorratung

Große Probleme mit Diphtherie-Antitoxin in Deutschland

Stuttgart - 14.08.2017, 07:00 Uhr

Das Bakterium Corynebacterium diphtheriae – nach den
Entdeckern auch Klebs-Loeffler-Bazillus genannt – löst die Diphtherie aus.
(Foto: Sagittaria / Fotolia)

Das Bakterium Corynebacterium diphtheriae – nach den Entdeckern auch Klebs-Loeffler-Bazillus genannt – löst die Diphtherie aus. (Foto: Sagittaria / Fotolia)


Haftung liegt beim Arzt oder Apotheker

Nach Angaben mehrerer Apothekerkammern ist das Problem erheblich, denn sie müssen die Arzneimittel einlagern. So bestehen pharmazeutische Bedenken gegen die Produkte – sie sind schlichtweg nicht verkehrsfähig. Haftungsrisiken liegen zunächst bei den Kammern. Ausnahmeregeln im Arzneimittelgesetz gestatten unter gewissen Bedingungen zwar die Einfuhr, bestätigt das Bayerische Gesundheitsministerium auf Nachfrage – doch: „Die Produkthaftung für die Importe liegt nicht beim pharmazeutischen Unternehmer, sondern beim Arzt und Apotheker.“

Zwar gäbe es „derzeit noch“ Vorräte des Diphtherie-Antitoxins, die im Bedarfsfall eingesetzt werden können – was in den vergangenen Jahren in ungefähr zwei Fällen pro Jahr passierte. Doch auch die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) betrachte den derzeitigen Versorgungsmangel mit Diphtherie-Antitoxin auf europäischer Ebene „mit großer Sorge“, betont das Ministerium. Weiterhin müsse mit Einzelfällen gerechnet werden, bei denen die frühzeitige Einleitung der Therapie mit Diphtherie-Antitoxin lebensrettend sein könne. „Die GMK bittet die Bundesregierung, kurzfristig auch auf europäischer Ebene Lösungswege zu entwickeln, um dem aktuellen Versorgungsmangel konkret begegnen zu können“, heißt es.

Auch im Nachbarland Baden-Württemberg betreibt die Landesapothekerkammer Notfalldepots. Dass in Russland und Indien hergestellte Antitoxin entspräche nicht den in Europa vorgeschriebenen pharmazeutischen Spezifikationen, betont das dortige Gesundheitsministerium auf Nachfrage. Auch hier verweist das Ministerium auf die Verantwortung der Heilberufler. „Sofern ausschließlich ein qualitätsgemindertes oder nicht zugelassenes Produkt zur Verfügung steht muss der behandelnde Arzt über den Sachverhalt informiert werden und nach sorgfältiger Abwägung der Umstände des Einzelfalls eine sachgerechte Entscheidung im Sinne des Patienten treffen“, erklärt ein Pressesprecher.

Zuletzt seien im Jahr 2013 fünf Ampullen Diphtherie-Antitoxin aus den Notfalldepots entnommen worden. „Baden-Württemberg bemüht sich gemeinsam mit dem Bundesministerium für Gesundheit, den übrigen Bundesländern und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Apothekerverbände um eine nachhaltige Lösung mit Blick auf die Sicherstellung der Notfallbevorratung“, erklärt das Ministerium – und verweist auf die Möglichkeit der Impfung gegen Diphtherie. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Ein Kommentar von Doris Uhl

Systemwechsel

Welche Arzneimittel vorrätig gehalten werden müssen

Schnelle Hilfe im Notfall

Die Notfalldepots der Apothekerkammern

„Kurzfristig beschaffbar“

Die hochansteckende Diphtherie nicht vergessen

Dem „Würgeengel“ die Macht nehmen

NRW-Gesundheitsministerin Steffens

Scharfe Kritik an Gröhe wegen Heilpraktiker-Gesetzen

1 Kommentar

Haftung bei uns - und nun?

von Sven Larisch am 14.08.2017 um 9:26 Uhr

Schön wenn das deutsche Recht die Apotheker und Ärzte im Stich lässt (und das nicht das erste mal). Gesetzlich gezwungen bestimmt Medikamente vorrätig zu halten bliebt die Beschaffung an den Apothekern/Kammern/Notfalldepots haften und damit , rechtlich gesehn auch die Haftung.
Ein Unding, genauso wie es ein Unding ist, das viele wichtige Medikamente (vor allem Impfstoffe) nicht in ausreichender Menge oder einfach seit Monaten garnicht zur Verfügung stehen und der Gesetzgeber keinen handlungsbedarf sieht der Pharmalobby die Stirn zu bieten und z.B. Strafen zu verhängen oder besser, die Produktion zu verbessern.
Naja ich weiß, das ist nicht einfach, aber man sollte einen Anfang machen und die Politik sollte gegenüber der Wirtschaft mal Rückgrat beweisen!
Oh - ich vergaß- Politik und Rückgrat schließen sich aus .. siehe jüngst Politik und Autobauer:-)
Aber wie das BMG sagt ..alles halb so wild.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.