Generika

Indien will Arzneimittel-Ausgaben weiter drücken

Berlin/Mumbai - 29.05.2017, 16:45 Uhr

Ärzte sollen nach dem Willen der indischen Regierung auch bei Generika keine Handelsnamen auf Rezepte schreiben. (Foto: nik / DAZ.online)

Ärzte sollen nach dem Willen der indischen Regierung auch bei Generika keine Handelsnamen auf Rezepte schreiben. (Foto: nik / DAZ.online)


Am heutigen Montag reist der indische Premierminister Narendra Modi nach Deutschland. Ein Thema wird wohl das geplante Freihandelsabkommen mit der EU sein. Dieses liegt derzeit auch wegen Pharmathemen auf Eis. Umstritten ist unter anderem der Umgang mit Patenten. Die indische Regierung will zunehmend auf No-Name-Generika setzen.

Bei der Reise des indischen Premierministers Narendra Modi nach Deutschland dürfte das geplante Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union ein wichtiges Gesprächsthema sein. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt könnte durch das Abkommen um 4,6 Milliarden Euro steigen, wie Forscher des IFO-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung errechnet hatten. Der Arzneimittelsektor ist bei den 2007 gestarteten Vertragsverhandlungen von besonderer Relevanz: Die Gespräche liegen schon seit Längerem auf Eis, da die EU-Kommission aufgrund mangelhafter Studien der indischen Firma GVK Biosciences Hunderte Zulassungen ausgesetzt hatte, was die indische Regierung als nicht gerechtfertigt ansah.

Gleichzeitig ist der Umgang Indiens mit Patenten und geistigen Eigentumsrechten umstritten. Indische Gerichte können ausländischen Pharmaherstellern Zwangslizenzen für Generika vorschreiben. Zudem sind Patentverlängerungen in Indien schwer möglich. Wenn die Regierung diese Regeln für ein Freihandelsabkommen opfert, sieht „Ärzte ohne Grenzen“ jedoch die Arzneimittelversorgung in vielen anderen Staaten in Gefahr. Denn Indien versorgt als „Apotheke der Armen“ viele unterentwickelte Länder mit günstigen Generika.

Auch im eigenen Land will die Regierung von Modi die Versorgung mit günstigen Generika weiter ausbauen. Im vergangenen Jahr hatte der „Medical Council of India“ Ärzte angehalten, auf Rezepten nur die Wirkstoffnamen aufzuführen und nicht die Markennamen von Generika. Hieran erinnerte das indische Gesundheitsministerium kürzlich. Modi plant, die Wirkstoffverordnung gesetzlich vorzuschreiben. So will er die Arzneimittelversorgung für die rund 1,3 Milliarden Inder günstiger machen – die Mehrheit lebt von unter 2 Euro pro Tag. 

Kritik von Pharmafirmen und Ärzten

Doch laut der Nachrichtenagentur Reuters sehen nicht nur Pharmafirmen das geplante Gesetz kritisch. Während die großen Arzneimittelhersteller Generika unter Markennamen verkauften, gebe es auch viele kleine Hersteller, die die Wirkstoffnamen verwendeten – jedoch sollen diese Produkte häufig unter Qualitätsproblemen leiden. „Ich denke, der Qualitätsaspekt sollte von der Regierung unbedingt angegangen werden“, erklärte der Geschäftsführer vom Arzneimittelhersteller Cipla, Umang Vohra – „um sicherzustellen, dass alle Firmen in Indien dieselbe Qualität liefern“.

Ein offizielles Gutachten habe 2012 festgestellt, dass damals fast ein Drittel aller in den Arzneimittelvorräten der Armee gelagerten Medikamente die Standards nicht erfüllte, schreibt „Reuters“ – rund doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Und eine Studie habe im letzten Jahr gezeigt, dass rund 10 Prozent aller Arzneimittel, die über die Regierung abgegeben werden, die nötigen Anforderungen nicht eingehalten haben – während dies bei nur 3 Prozent aller in Apotheken verkauften Arzneimittel der Fall war, wo normalerweise „Marken-Generika“ verkauft werden.

„Die Idee ist sehr gut, aber die Regierung muss sicherstellen, dass hochwertige Generika verfügbar sind“, erklärte der Mumbaier Diabetologe Vijay Panikar gegenüber der Nachrichtenagentur. Er befürchtet, dass Apotheker jenes Generikum abgeben würden, bei der sie die höchste Gewinnspanne haben – „ohne sich um die Qualität zu kümmern“, fürchtet Panikar. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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