Indien

Freihandelsabkommen bedroht die „Apotheke der Armen“

Stuttgart - 31.03.2016, 09:00 Uhr

Schränkt der neue Anlauf für das Freihandelsabkommen die Versorgung mit günstigen Arzneimitteln ein? Narendra Modi (links) bei der Begrüßung durch Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel. (Foto: dpa / picture alliance)

Schränkt der neue Anlauf für das Freihandelsabkommen die Versorgung mit günstigen Arzneimitteln ein? Narendra Modi (links) bei der Begrüßung durch Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel. (Foto: dpa / picture alliance)


Da EU und Indien Gespräche für ihr geplantes Freihandelsabkommen wieder aufnehmen, startet auch neuer Protest: Ärzte ohne Grenzen sieht die Versorgung armer Länder mit günstigen Arzneimitteln in Gefahr.

Am Mittwoch traf sich der indische Premierminister Narendra Modi in Brüssel mit Vertretern der Europäischen Union zu einem Gipfeltreffen, das auch die pausierten Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen wieder in Gang setzen soll. Sie waren abgebrochen worden, da die EU-Kommission aufgrund mangelhafter Studien der indischen Firma GVK Biosciences hunderte Zulassungen ausgesetzt hatte – auch in Deutschland sind immer noch Mittel betroffen. Zu Unrecht, wie der Konzern und die indische Regierung meinen.

Doch es gibt noch weitere Zusammenhänge zwischen dem seit 2007 verhandelten Abkommen und Arzneimitteln: Der Vertrag würde den bisherigen Export von günstigen Generika von Indien in andere Entwicklungsländer unterbinden, fürchten Kritiker. So forderte Ärzte ohne Grenzen Modi auf, sich dem Druck der EU zu widersetzen und die „Apotheke der Armen“ weiterhin offenzuhalten. „Indien ist eine wichtige Quelle für bezahlbare, lebensrettende Generika, von der das Leben von Millionen Menschen auf der ganzen Welt abhängt“, sagt Joanne Liu, internationale Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen, anlässlich des Gipfeltreffens. „Jeder Schlag gegen diese Apotheke der Armen hätte katastrophale Folgen.“

Wichtige Rolle für andere Entwicklungsländer

Aufgrund der liberalen Patent-Gesetzgebung ist es Pharmafirmen in Indien möglich, schnell preiswerte Generika zu produzieren. „Indien versorgt über 150 Länder mit günstigen Medikamenten und Impfstoffen“, sagt Leena Menghaney von Ärzte ohne Grenzen gegenüber DAZ.online. Bei der Nichtregierungsorganisation leitet sie die Südasien-Sektion der Kampagne für Arzneimittel-Zugang. „Mehr als 90 Prozent der Menschen, die in Entwicklungsländern an HIV erkrankt sind, bekommen Arzneimittel aus Indien“, so Menghaney. Auch bei Antibiotika oder Malaria-Mitteln sei es ähnlich.

Die günstigen Generika sind vielen Handelsvertretern natürlich ein Dorn im Auge, so dass der Druck wächst, Indiens Export einzudämmen. Am Ende könnte es reichen, dass ein multinationales Unternehmen behauptet, dass seine geistigen Eigentumsrechte betroffen sind, fürchtet Ärzte ohne Grenzen. „Die EU-Kommission verhandelt über Grenzmaßnahmen, die den Ausfuhr in andere Ländern betreffen würde“, sagt Menghaney. „Dies ist das größte Hindernis.“

Druck auf die indische Regierung

Da Freihandelsabkommen üblicherweise geheim verhandelt werden, möchte sie Aufmerksamkeit in anderen Entwicklungsländern schaffen – wie auch in der EU. „Wir wollen die indische Regierung in den Verhandlungen unterstützen“, so Menghaney. „Sie wird von entwickelten Ländern wie den USA unter Druck gesetzt.“

Auch Ärzte ohne Grenzen selber ist auf generische Medikamente aus Indien angewiesen: „Zwei Drittel der Medikamente, die wir kaufen, um HIV, Tuberkulose und Malaria zu behandeln, sind indische Generika“, sagt Präsidentin Liu. „Wenn wir diese bezahlbaren Medikamente nicht hätten, könnten wir längst nicht so viele Menschen behandeln, wie wir es derzeit tun.“


Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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