BfArM verliert Homöopathie-Prozess

Erneute Zulassung auch ohne Nutzen-Nachweis

Stuttgart - 02.12.2016, 12:10 Uhr

Verlängerung der Zulassung selbst ohne Belege für den Nutzen: Das BfArM musste vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Niederlage einstecken. (Foto: M. Tröger)

Verlängerung der Zulassung selbst ohne Belege für den Nutzen: Das BfArM musste vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Niederlage einstecken. (Foto: M. Tröger)


Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts muss die Arzneimittelbehörde BfArM die Zulassung für ein homöopathisches Präparat verlängern. Zwar sind weder die hauseigenen Homöopathie-Experten noch die Gerichte von einem Nachweis des Nutzens überzeugt, doch auch Risiken seien nicht ausreichend belegt.

In letzter Instanz hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am gestrigen Donnerstag entschieden, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die Zulassung für ein homöopathisches Präparat verlängern muss. Der Kemptener Homöopathie-Hersteller Cefak bewirbt sein Präparat Cefamadar mit der Aussage, es unterstütze „auf natürliche und schonende Weise die Gewichtsabnahme“ – und solle am besten bei Heißhungerattacken oder vor Mahlzeiten eingenommen werden. Für die Tabletten oder Tropfen in Potenz D4 wird eine aus der Kronenblume (Calotropis gigantea) gewonnene Essenz im Verhältnis 1:10.000 verdünnt – die Pflanzen enthalten einen hohen Gehalt an toxischen Herzglykosiden.

In dem jahrelangen Rechtsstreit ging es um die Frage, inwiefern Nutzen und Risiken für eine Verlängerung der Zulassung nachgewiesen sein müssen. Im Gegensatz zu einer bloßen Registrierung homöopathischer Präparate, müssen bei einer Zulassung Unterlagen eingereicht werden, die einen Wirkungsnachweis belegen sollen – doch sind keine klinischen Studien notwendig, teilweise genügt allein homöopathische Literatur. Die Unterlagen werden von einer hierfür zuständigen „Kommission D“ des BfArM geprüft, bei der es sich laut Arzneimittelgesetz um Sachverständige handelt, die in der Homöopathie „über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfahrungen gesammelt haben“. Der Vorteil einer Zulassung für den Hersteller ist, dass er anschließend damit werben darf, das Präparat helfe bei der Erkrankung, auf die sich die Zulassung erstreckt.

Homöopathen hatten ihre Einschätzung widerrufen

Nachdem zuvor unter Bezug auf eine Monografie der Kommission D die Zulassung für Cefamadar erfolgt war, stellte Cefak im Oktober 1999 einen Verlängerungsantrag. Doch im Dezember 2008 wies das BfArM diesen ab. Laut der Vorinstanz, dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, hatte die Kommission D auf ihrem „besonderen Erfahrungswissen“ basierend ihre frühere Einschätzung widerrufen. Fettleibigkeit entspreche nicht mehr dem „Arzneimittelbild“ der Kronenblume, hatten die Kommissionsmitglieder in Reaktion auf den Antrag von Cefak erklärt.

Doch bei einer Zulassungsverlängerung ist die Lage anders: Hier muss nicht erneut die Wirksamkeit nachgewiesen werden, sondern es darf nur kein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis bestehen. Aber dieser Versagungsgrund sei „nicht gegeben“, entschied das OVG Münster vor knapp drei Jahren: Das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei nicht schon dann negativ, „wenn die Wirksamkeit nicht (mehr) festgestellt werden kann“, urteilten die Richter

Wirksamkeit unzureichend begründet, mögliche Placeboeffekte

Wie auch zuvor die Kollegen des Verwaltungsgerichts Köln gingen sie davon aus, dass die „therapeutische Wirksamkeit unzureichend begründet ist“ und sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht ergebe, dass sich mit Cefamadar „therapeutische Erfolge erzielen lassen“. Die Pharmafirma hatte Anwendungsbeobachtungen vorgelegt, bei denen Probanden auch eine Diät oder Sport gemacht hatten, was laut den Richtern den Verlust ihrer Pfunde „ohne Weiteres“ erklären könnte.

Auch existierte keine Vergleichsgruppe. „Dies spricht für mögliche Placeboeffekte“, urteilten die Richter. Die Aussagekraft einer anderen Beobachtungsstudie mit nur 21 Patienten sei „erheblich eingeschränkt“, erklärten sie. „Ferner lassen die Anwendungsbeobachtungen ebenfalls nicht erkennen, dass die therapeutischen Ergebnisse auf das streitgegenständliche Arzneimittel zurückzuführen sind.“ Doch sei nicht „belegbar zu verneinen“, dass es einen Nutzen geben könnte.

Ausreichend stark verdünnt

Die dünne Beweislage hielt nun auch die Richter des Bundesverwaltungsgerichts nicht davon ab, für die weitere Zulassung zu votieren. In ihrem schriftlich noch nicht vorliegenden Urteil wiesen sie die Revision des BfArM gegen die Entscheidung des OVG Münsters zurück, nachdem die „Erschütterung der Annahme der Wirksamkeit“ noch kein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis begründe. Die Behörde habe keine „konkreten, unvertretbaren Risiken“ dargelegt, die aus der bestimmungsgemäßen Anwendung des Arzneimittels folgen, hatten schon die Richter in Münster erklärt. Cytotoxische oder Fingerhut-ähnliche Wirkungen könnten nicht angenommen werden, da nicht die Eigenschaften der verwendeten Substanz ausschlaggebend seien – sondern allein, ob vom konkreten Arzneimittel Risiken ausgingen. Doch aufgrund der laut den Richtern ausreichenden Verdünnung sei dies bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht der Fall.

Auch ein anderes, von Homöopathie-Kritikern oft vorgebrachtes Argument überzeugte die Leipziger Richter nicht – dass Verbraucher die Anwendung eines wirksamen Präparates unterlassen. Dies reiche „allein für die Annahme eines Risikos und eines darauf gestützten ungünstigen Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht aus“, hatte schon das OVG Münster entschieden.

Verfassungsschutz für den Pharmahersteller

Insgesamt dürfe die „zweifelhafte Wirksamkeit“ nicht automatisch zur Ablehnung der Zulassungsverlängerung führen. „Hierfür spricht auch die grundrechtlich geschützte Position, die der pharmazeutische Unternehmer aus der Marktteilnahme seines Produkts bereits erlangt hat“, urteilten die Richter in Münster. Und auch für den Widerruf der Zulassung hatten sie keinen hinreichenden Anlass gesehen: Hierzu hätte das BfArM Belege vorbringen müssen, dass sich mit dem Präparat keine therapeutischen Ergebnisse erzielen lassen. Doch die Behörde hatte die „Unwirksamkeit“ selbst als nicht beweisbar bezeichnet.

„Das ist erfreulich für uns, das war ein achtjähriger Kampf“, erklärte der geschäftsführende Gesellschafter von Cefak, Hans Brand, angesichts der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegenüber DAZ.online. Laut Brand vertreibt Cefak das millionenhaft umgesetzte Produkt auch in Asien und Südamerika, es sei in mehr als 20 Ländern zugelassen. Angaben zum Umsatz wollte er nicht machen.

Nutzen ist nicht auszuschließen

Ein Verlust der Zulassung wäre für den Pharmahersteller sicher auch wirtschaftlich schwierig gewesen. „Auf Biegen und Brechen wollte die Behörde das Produkt eliminieren – mit einer sehr fragwürdigen Argumentation“, kritisierte Brand das Vorgehen des BfArM. Es habe seiner Einschätzung nach „mit Klimmzügen“ versucht, anhand toxikologischer Gutachten Risiken nachzuweisen. „Beide Vorinstanzen haben entschieden, dass ein Nutzen nicht auszuschließen sei – das waren wirklich sehr ausgewogene Urteile“, erklärte er.

Es gebe zwar alle möglichen Grauprodukte im Diätmarkt, doch wenig zugelassene „natürliche“ Arzneimittel. Viele „chemische Produkte“ hätten seiner Einschätzung nach „erhebliche Nebenwirkungen“, so dass ihre Verwendung „aus ganzheitlicher Sicht fragwürdig erscheint.“ Doch auf Nachfrage kann Brand nicht erklären, wie Cefamadar denn wirken soll – von einem allgemeinen Verweis auf mögliche Veränderungen im Sättigungszentrum und in der Großhirnrinde abgesehen. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Zulassung ohne Nachweis eines Nutzens

von Frank Bünder am 03.12.2016 um 13:21 Uhr

Der Kommentar von Dr. E. Berndt ist tendenziös und somit völlig irrelevant.

Nachgewiesene zehntausende Geschädigte jedes Jahr durch den teilweise schulmedizinischen Unsinn und massenhafter Fehlbehandlungen inkl. tausender durch ärztliche Fehldiognostik - und Behandlung ums Leben gekommener Patienten strafen Sie Lügen! Dies trotz besseren Wissens! Da nützt auch die durch die Presse praktizierte pro ärztlicher Schulmedizin tendenziöse Berichterstattung nichts. Die Tatsachen sprechen für sich, wer von wem wo geschädigt wird.

Frank Bünder, Heilpraktiker

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Zulassung ohne Nachweis eines Nutzens

von Dr. E. Berndt am 05.12.2016 um 16:26 Uhr

Was ist tendenziös?
Ist fachliche Aufkärung tendenziös?

Erneute Zulassung auch ohne Nutzen-Nachweis

von Dr. E. Berndt am 02.12.2016 um 13:41 Uhr

Klassische Formaljuristerei.
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es vor Gericht immer weniger um reale Tat- u. Sachbestände geht sondern immer mehr um Formalismen in der Urteilsfindung.
Dies, so scheint es, ist in der Medizin besonders ausgeprägt. Aber nicht nur die Homöopathie profitiert davon. Das Heilpraktikerwesen in Deutschland lebt davon.
Die Erkrankten und ihr Geldbeutel profitieren davon nicht.

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