Online-Rezepte aus dem Ausland

„Die wirklichen Verlierer sind die Apotheken“

Berlin - 02.12.2016, 10:20 Uhr

Rezepte ins EU-Ausland: Die Online-Arztpraxis DrEd kündigt an, die AMG-Novelle zu umgehen und die Online-Rezepte künftig an EU-Versandapotheken zu schicken. (Foto: fotolia / rocketclips)

Rezepte ins EU-Ausland: Die Online-Arztpraxis DrEd kündigt an, die AMG-Novelle zu umgehen und die Online-Rezepte künftig an EU-Versandapotheken zu schicken. (Foto: fotolia / rocketclips)


Eigentlich wollte der Gesetzgeber mit der AMG-Novelle verhindern, dass Patienten sich im Internet Rezepte ausstellen lassen können. Der führende Anbieter im Video-Sprechstunden-Markt, das Londoner Unternehmen DrEd, gibt sich gelassen. Schon längst gebe es eine Ausweichstrategie, heißt es aus Großbritannien. DrEd strebt nun Kooperationen mit ausländischen Versandapotheken an.

Vor etwa drei Wochen verabschiedete der Bundestag das vierte AMG-Änderungsgesetz. Die für die Apotheker wohl wichtigste Regelung in dem Gesetz ist das sogenannte „DrEd-Verbot“. Schon vor Jahren hatte sich der Gesetzgeber vorgenommen Fernverordnungen über das Internet zu verbieten. Mit der AMG-Novelle soll dies nun nicht mehr möglich sein. Denn laut Gesetz müssen Apotheker die Abgabe eines Arzneimittels verweigern, wenn sie Zweifel darüber haben, dass bei der Verordnung kein direkter Kontakt zwischen Arzt und Patient vorlag.

Zur Erinnerung: Wegen seiner Online-Rezepte steht seit Jahren das Londoner Unternehmen DrEd in den Schlagzeilen. Die bei DrEd angestellten Ärzte beraten ihre Kunden aus einem Londoner Büro via Internet. Das Unternehmen hat sich dabei auf Indikationen spezialisiert, die im Internet besonders gut „funktionieren“: Erektionsstörungen, vorzeitiger Samenerguss, Pille danach oder Haarausfall sind einige Beispiele.

An welche Versandapotheken gehen die Rezepte?

Der Patient kann nach dem Ausfüllen eines Fragebogens zu seinen Beschwerden selbst entscheiden, ob die Verordnung direkt an eine Versandapotheke weitergeleitet wird. Laut DrEd entscheiden sich rund 90 Prozent der Kunden für diese Variante. Für sein Geschäftsmodell arbeitete DrEd bislang mit zwei verschiedenen deutschen Versandapotheken zusammen, die die Rezepte aus England bekamen. Auch auf mehrfache Nachfrage hin, wollte eine Unternehmenssprecherin nicht verraten, wer diese Versender sind.

Wie also kommentiert DrEd die neue Rechtslage in Deutschland? Die Antwort ist kurz, aber eindeutig: gelassen. Gegenüber DAZ.online sagte die Unternehmenssprecherin, dass man kein Verständnis für das Gesetz habe. Denn: „Ärzte sollten selbst die Freiheit haben, ihren Beruf so auszuüben, wie sie ihn medizinisch verantwortlich vertreten können. Wie in Schweden oder in der Schweiz. Dort wird zum Beispiel von Patient zu Patient entschieden, ob Telemedizin eingesetzt wird oder nicht. Den Ärzten in Deutschland wird diese Kompetenz von oben erneut abgesprochen.“

DrEd verhandelt mit EU-Versandapotheken

Bei der Anhörung zu dem Gesetz hatte bereits der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) darauf hingewiesen, dass die „Machart“, also die Konstruktion des Fernverordnungsverbotes-Rezeptes kritisch zu sehen sei. Schließlich sei es für Apotheker nicht immer leicht, festzustellen ob dem vorliegenden Rezept auch wirklich ein direkter Arztkontakt vorausging. Die ABDA hatte sich bei der Anhörung zum Thema der Verifizierung der Rezepte gar nicht geäußert.

Auch die DrEd-Sprecherin sieht die Konstruktion kritisch: „Der Apotheker kann am Rezept nicht erkennen, ob es nach Video- oder Telefonkontakt ausgestellt wird oder nach einem Besuch vor Ort. Denn eng gelesen heißt es: Anruf genügt nicht. Auch nicht beim Chroniker, auch nicht bei der Antibabypille, auch nicht beim Bluthochdruck.“

Schon vor einigen Wochen hatte DrEd gegenüber DAZ.online angekündigt, die Neuregelung einfach umgehen zu wollen, indem man in Zukunft schlicht mit ausländischen Versandapotheken zusammenarbeiten werde. Auch nach dem Beschluss sagte die DrEd-Sprecherin nun nochmals, dass sich für die Patienten der Online-Praxis wenig ändern werde. Und weiter: „Was sich ändert ist, dass wohl noch mehr über Versandapotheken im EU-Ausland ihre Arzneimittel bestellen werden. Die wirklichen Verlierer sind eigentlich die Apotheken in Deutschland, sie verlieren auf Sicht den Rezeptumsatz.“

DrEd will nicht sagen, an wen die Rezepte gehen

Auf Nachfrage hin wollte das Unternehmen nicht kommunizieren, an welche Versandapotheken die Rezepte in Zukunft gehen. Nur so viel: „Für den Versand aus dem EU-Ausland überprüfen wir gerade die Lieferfähigkeit und den zeitnahen Versand verschiedener Versandapotheken. Hier kommen unter anderem Versandapotheken aus den Niederlanden, Schweden, Island und England in Frage.“

Erstmals hatte DrEd in dieser Woche auch detaillierte Nutzerzahlen veröffentlicht. In ganz Europa hat das Unternehmen während seines fünfjährigen Bestehens eigenen Angaben zufolge schon mehr als 960.000 Video-Sprechstunden durchgeführt. Alleine in den ersten elf Monaten dieses Jahres haben insgesamt 100.000 Video-Telefonate mit Kunden aus Deutschland stattgefunden. DrEd listet zudem genau auf, in welchen Städten die meisten Kunden „zuschalten“. So gab es in Berlin mit 13.000 „Behandlungen“ die meisten Nutzer in diesem Jahr, es folgen München und Hamburg. Auch in ländlichen Regionen sei DrEd gefragt, heißt es in einer Mitteilung. Wie viele Menschen aus strukturschwachen, ländlichen Regionen von den Services profitieren, konnte die Unternehmenssprecherin allerdings nicht beziffern.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


Diesen Artikel teilen:


4 Kommentare

Ja

von Alex Steig am 07.09.2017 um 15:10 Uhr

Das Gesetz soll vor allem Ärzte schützen. Die wiederrum haben überhaupt kein Interesse sich mit Themen bzw, dem Behandlungsspektrum von Dr.Ed. zu beschäftigen. Insbesondere dann nicht wenn der Patient als gesetzlich Versicherter daher gelaufen kommt und das Budget belastet wird.

Wenn man bei einer akuten Geschlechtskrankheit 4, 6 oder mehr Wochen warten muss bis Arzt und Gehilfen sich bequemem tätig zu werden, erfüllt Dr.Ed eine zwar nicht unbedingt optimale aber doch wichtige Funktion.

Die Zeiten wo mal als Patient eine schnelle und qualifizierte Betreuung erhalten hat sind doch seit gut 30 Jahren vorbei. Das sollte auch der Politik mit ihren entsprechenden Reformen bekannt sein. Statte dessen wundert man sich warum Geschlechtskrankheiten auf dem Vormarsch sind und ersetzt Medizin durch billige Flyer und Vodoo.

Das selbe gilt auch mit Themen wie Impotenz. Eine korrekte Ursachenforschung und Behandlung ist aufwändig und teuer, das Budget limitiert. Wenn man nicht als Selbstzahler einen der wenigen Spezialisten aufsucht wird die "Diagnose" und "Behandlung" auch nicht anders Ablaufen als bei Dr.Ed.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Folgerezepte

von Pierre Roer am 02.12.2016 um 21:25 Uhr

Wenn wir also hier englische Verhältnisse bekommen, stellt sich die Frage, wann wir Apotheker wie in England üblich Folgerezepte ausstellen dürfen?
Machen wir uns doch nichts vor: gerade die "Chroniker", mit denen die Versandapotheken so gerne argumentieren, bekommen bei Folgerezepten den Arzt doch gar nicht zu sehen. Die hinterlassen eine Bestellung auf dem "Rezept-Bestell-Anrufbeantworter".(Ich kenne genug Praxen, die einen haben.) Die Arzthelferin drückt auf den "das gleiche Rezept wie beim letzten Mal-Button" und druckt aus. Arztkontakt? Fehlanzeige. Das können wir mindestens besser...

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Nur Apotheker die Verlierer - Nein!

von Ratatosk am 02.12.2016 um 18:36 Uhr

Mit der größte Verlierer ist der deutsche Staat, da dieser ja durch die enorme MWST hier massiv abzockt und durch die Umgehung natürlich bald Milliarden verliert.
Alles Dank Schmid und Konsorten - die haben dies aber wohl nicht überrissen, was alles an dieser Strategie des Versandes in er globalen Welt mit dranhängt, auch wenn man es ihnen mit einfachen Worten deutlich erklärt hat.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

;)

von Peter Lahr am 02.12.2016 um 11:42 Uhr

Eine galante Ausdrucksweise ;) Es entzieht sich meinem Verständnis wieso wir die Verlierer sein sollten, denn die Verlierer sind die niedergelassenen Ärzte.

Aber wenn man das deutlich ausspräche hätte man wahrscheinlich zu offen und zu laut gedacht. So ist die Situation easy, die Apotheker sind eurer Ansicht nach die Verlierer. Wir Apotheker aber wissen dass dem nicht so ist und denken sich "was reden die denn da?", 90% Versandanteil, haben wir nichts mit zu tun. 90 000-100 000 Verschreibungen wären in 5 Jahren Betrieb durchschnittlich eine Packung pro Jahr gewesen die uns nun "schadet". Welch ein finanzieller Supergau!!!

Den Medizinern aber gingen in dieser Zeit eures Bestehens eine knappe Millionen Patientenkontakte flöten. Also liebe Dr. Eds, anstatt die Aufmerksamkeit krampfhaft auf uns zu lenken seid ehrlich.
Bietet reduzierte Honorare an, auch wenn ihr das für Privatrezepte nicht müsstet, und ein Großteil junger Lifestyle Medikamente Konsumenten rennt euch die Türen ein. Lernt von Docmorris und argumentiert mit verkrusteten Strukturen bei eurem Indikationsportfolio. Hier ein kleiner Textvorschlag:

Es ist jüngeren, digital versierten Patienten, dass sie sich wegen der Pille, Viagra, Schlaftatbletten und allen weiteren Indikationen die sowieso nicht von der GKV erstattet werden, NICHT zuzumuten stundenlang beim Arzt vor Ort zu warten wenn sie das bequem vom Büro oder zuhause aus erledigen könnten.
Diese Strukturen müssen zum Wohle der Patienten aufgebrochen und dem Fortschritt müssen die Türen geöffnet werden.

Eure jetzigen Argumente, das wissen wir glaube ich alle, in unsere Richtung sind Strohfeuer um vor euren Absichten abzulenken, dass ihr an den Honorartopf der niedergelassenen Ärzte wollt. Wirtschaftlich gesehen sogar lohnender als RX Versand da regelmäßige Anpassungen nach oben und somit ein jährliches Wachstum trotz Rabatten auch ohne Steigerung der Patientenzahl gesichert.

Das wisst ihr, das wissen wir und die Ärzte kommen auch noch auf den Trichter. Warm anziehen müsst ihr euch aber so oder so, denn die Ärzte"lobby" ist bei weitem nicht so eine kuschelige, devote, rückgratlose und vor allem zahnlose Lobby wie unsere. In diesem Sinne schonmal in Zukunft viel Spass denn WIR Apotheker können eh nur mit einer 10%igen Chance darauf hoffen dass Domo und Co. vielleicht per Gesetz mit einem RX Versandverbot eingeschränkt werden, die Ärzte aber werden euch aber nicht bloss, so lieb wie wir die Versender, einschränken wollen, wenn, dann werden sie euch vernichten, vierteilen, durch den Fleischwolf drehen und danach als handliches Patty im Beefer zu Asche braten. Vielleicht wäre es doch besser jetzt unter Wahrung des Gesichts aufzugeben, mein Tipp an euch ;)

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.