Kommentar

Der seriöse Versorgungspartner DocMorris

Berlin - 29.11.2016, 13:05 Uhr

DocMorris stellt sich als vertrauenswürdiger, seriöser und kooperativer Versorgungspartner dar. Wie sollten die Apotheker auf diese Strategie reagieren?

DocMorris stellt sich als vertrauenswürdiger, seriöser und kooperativer Versorgungspartner dar. Wie sollten die Apotheker auf diese Strategie reagieren?


Die Zeiten, in denen DocMorris als aggressiver Apothekenmarkt-Revoluzzer auftrat, sind vorbei. Der gestrige Auftritt von Max Müller im Bundestag zeigt: Die niederländische Versandapotheke versteht sich längst als seriöse, etablierte Versorgungsalternative. Und genau deswegen sollten die Apotheker ihre Konkurrenz ernster nehmen als je zuvor, meint DAZ.online-Redakteur Benjamin Rohrer.

Es gab Zeiten, da eröffnete DocMorris eigenständig und auf illegale Weise eine Apotheke im Saarland. Es gab Zeiten, da versendete DocMorris mithilfe einzelner Krankenkassen Arzneimittel nach Deutschland – obwohl der Versandhandel hierzulande noch gar nicht erlaubt war. Und es gab Zeiten, in denen DocMorris immer wieder Rabatte und Bonus-Systeme anbot, die in Deutschland entweder gänzlich verboten waren oder sich zumindest im Graubereich des Erlaubten bewegten.

Betrachtet man den Auftritt von DocMorris-Vorstand Max Müller bei der gestrigen Fachtagung in der Grünen-Fraktion des Bundestages, müsste man meinen, diese Zeiten hätte es niemals gegeben. Da trat ein gut informierter, kooperativer Apotheken-Fachmann auf, der seinem politischen Gegner die Hand ausstreckte. Ganz nach dem Motto: „Es gibt ein Problem. Lasst es uns gemeinsam lösen.“ Müller sprach minutenlang von Landschaften, die in Zukunft unterversorgt bleiben könnten. Anstatt lange über die Nachteile eines Rx-Versandverbotes oder Einzelheiten seiner Boni-Modelle zu sprechen, signalisierte Müller: DocMorris erkennt die wahren Versorgungsprobleme in Deutschland und könnte dabei mitwirken, diese zu lösen.

Wie die neue DocMorris-Strategie funktioniert, zeigte sich am besten nach dem Vortrag eines betroffenen Landapothekers. Der Pharmazeut aus der brandenburgischen Prignitz stellte eindrücklich dar, wie belastet er sei, weil er die einzige Apotheke in einem Umkreis von 250 Quadratkilometern führe. Anstatt den Versandhandel als Alternative zu einer solchen Landapotheke zu positionieren, zeigte Müller Verständnis für den Pharmazeuten: Es müsse in Zukunft Ausgleichssysteme für Landapotheken geben, außerdem benötigten die Apotheker zusätzliche Honorare für pharmazeutische Dienstleistungen. „Damit solche Kollegen nicht mehr 60 Stunden in der Woche arbeiten müssen.“

Welchen genauen Plan das Unternehmen DocMorris nach dem EuGH-Urteil verfolgt, erläuterte Müller allerdings nicht. Dabei liegt die eigentliche Botschaft an die Politik auf der Hand. Sinngemäß könnte sie lauten: „Wenn ihr solche Apotheken erhalten wollt, gebt ihnen mehr Geld – weil wir unseren Rx-Anteil nach dem EuGH-Urteil auf jeden Fall steigern werden.“ DocMorris hatte kurz vor Bekanntwerden des EuGH-Urteils eine millionenschwere Fernseh-Werbekampagne gestartet, in der das Unternehmen gezielt um Chroniker wirbt. Aus solchen Entscheidungen lässt sich schon eher erkennen, welche Ziele die niederländische Versandapotheke verfolgt.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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7 Kommentare

Spieß umdrehen

von Stefan Haydn am 30.11.2016 um 17:49 Uhr

Warum drehen wir den Spieß nicht um und fordern von der Politik konsequente Gleichbehandlung?
D.h. Verpflichtung der Versandhändler Rezepturen herzustellen, BTM auszuliefern und zu dokumentieren, Notdienst zu leisten!
Wenn Amazon in der Lage ist eine Bestellung am selben Tag auszuliefern, geht dies doch auch beim Versandhändler. Das nennt sich Express-Bote. Sollte dies den Gewinn des Versandhandels aufzehren ist dies ja nicht unser Problem.

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AW: Gleichbehandlung als Plausibilitätsprüfung.

von Christian Timme am 01.12.2016 um 11:29 Uhr

Endlich die Lösung, Pillenschubser und Pillendreher auf gleicher Augenhöhe. Früher hätte man vergleichende Testmärkte z.B. Stadt und Land definiert und die Käseglocke rausgeholt. Einfach mal machen anstatt noch eine Dekade im Kreis zu laufen.

gekaufte Politiker

von adlerian am 30.11.2016 um 10:49 Uhr

Neulich bei Frontal: SPD Politiker zum kaufen für 7000-20000 €!
Ein Schiff, SPD Größen, natürlich auch Sigmar Gabriel und eine Tafel mit den Namen der Sponsoren dieser flauschig- gemütlichen Sommer Nachmittag. Ganz oben links strahlt der Name : DocMorris!
https://www.zdf.de/politik/frontal-21/frontal-21-clip-1-104.html
Während unsere Funktionäre steif von einem Fachseminar zum nächsten eilen, schafft DocMorris mit "Volksnahen" Propaganda Fakten!

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...einen Apotheker aus der Praxis...

von Michael Mischer am 30.11.2016 um 8:40 Uhr

War nicht das einer der Gründe für die Mischung aus Hauptamt und Ehrenamt in der ABDA? Dass Apotheker aus der Praxis mit dabei sind?

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Seriöser Doc Morris???

von Heiko Barz am 29.11.2016 um 19:25 Uhr

Solange unsere verantwortlichen Politiker nicht in der Lage sind, uns "Vor Ort" Apothekern die gleichen Waffen und Rechte in die Hand geben, die sie mit vollen Händen DoMo und Co. hinterherwerfen, wird sich nie eine auskömmliche Situation für uns an der Basis ergeben.
Wenn uns die gleiche MWST berechnet würde, wie in Holland üblich, und wenn dann noch die Einkaufs-und Rabattgleichheit dieser agressiven Hollandversender gewährt wäre, gäbe es überhaupt kein Versenderproblem, denn nur durch diese Vorteile können DIE solche finanziellen Anreize schaffen.
Fast Alle auch die Politiker fallen auf diese plumpen Wirtschaftsverdreher herei.
Beim Lesen des oben abgedruckten Artikels komme ich mir vor wie bei der Märchenstunde, in der Doc Morris als Wolf im Schafpelz hofiert wird und dabei kennen wir doch das Ziel dieser Kapitalgesellschaft:
Zerschlagung des gut funktionierenden Deutschen Apothekensystems zugunsten einer oder mehrerer aktienbewehrten Apothekenkette.
Was ist das für ein Europa?

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Die drastische Wahrheit . . .

von Uwe Hansmann am 29.11.2016 um 18:54 Uhr

ist das, was Kollege Wolfgang Müller zutreffend beschreibt. Oder will errnsthaft jemand behaupten, dass eine Apotheke sich via honorierter pharmazeutischer Dienstleistungen in Zukunft noch rechnet? Mutige vor!

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Lassen wir uns jetzt "ganz nett" in den Wahnsin treiben?

von Wolfgang Müller am 29.11.2016 um 16:24 Uhr

Sagenhaft, dass nun nach Lauterbach auch DocMorris-Müller die "Traditionellen Apotheker" ganz offiziell endgültig auf das schmale Brett "(Defizitäre) Pharmazeutische Dienstleistungen" abschieben will! Klar, dass Top-Manager Müller sich dabei bestens charmant/verführerisch/kooperativ geben muss und KANN.

"F.... Hab ich euch jetzt, Blödis" kann man ja Maschmeyer-mäßig immer noch hinterher beim Besäufnis im kleinen Vorab-Feierstunden-Kreis sagen.

Die Tendenz ist klar, die Frage ist nur: Fallen wir WIRKLICH darauf rein.

Die ABDA-Apothekerschaft (wo sind eigentlich die Selbständigen geblieben?) selber lässt toll ambitioniert und Heilberufler-stolz keine Gelegenheit aus, zu betonen, dass sie die "Schachtelschubserei", die "Logistik", den "Einzelhandel" mit seinen profanen Niederungen insgesamt sowieso wg. Überqualifiziertheit lieber hinter sich lassen will. Zugunsten - töröö - der Honorierung von "Pharmazeutischen Dienstleistungen", gern in entsprechenden "Qualitätsgesicherten (!) Selektiv-Verträgen". Da gibt es sogar schon ein monochromatisches "Perspektivpapier" dazu, und ein ganz großes, immens erfolgreiches, strahlend lukratives Erkundungs-Projekt.

Na gut, sagen sich Lauterbach, DocMorris und Co. also: "Geben wir den Dusseln das doch!

Und wir nehmen den lukrativen Einzelhandel."

Wenn dann der letzte ehemalige Vor-Ort-Apotheker erkannt hat, dass man von den "Honorierten Pharmazeutischen Dienstleistungen + Labor + Rezeptur" sein Essen nicht bezahlen kann: Na ja, streichen DocMorris, Pessina, Celesio, Phönix und Co. den überambitionierten Kram auf ein sinnvolles Maß zusammen, so wie die Ärzte das schließlich schon die ganze Zeit wollen, und übernehmen das dann eben auch noch mit.

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