Krebsmittel in der BamS

Neues gegen „eine der schlimmsten Krankheiten der Welt"

Stuttgart - 10.10.2016, 17:30 Uhr

(Foto: Screenshot / DAZ)

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„Welche neuen Krebsmittel verlängern unser Leben?“ – unter dieser Überschrift stellt die „Bild am Sonntag“ in ihrer Ausgabe vom vergangenen Wochenende innovative Wirkstoffe gegen Tumorerkrankungen vor. Sie weist allerdings auch darauf hin, dass sich noch erweisen muss, wie wirksam die neuen Arzneimittel wirklich sind. 

500.000 Krebs-Diagnosen sollen 2015 allein in Deutschland gestellt worden sein. Das schreibt die Bild am Sonntag (BamS). Fünf Milliarden Euro seien in der Bundesrepublik für die Behandlung „einer der schlimmsten Krankheiten der Welt“ ausgegeben worden, heißt es. Allein Marktführer Roche habe weltweit 24,6 Milliarden Dollar mit seinen onkologischen Präparaten umgesetzt. Und der Markt soll weiter wachsen. Studien zufolge solle sich der Umsatz beim weltweiten Geschäft mit den Krebsarzneien bis 2020 verdoppeln – auf über 150 Milliarden-Dollar, schreibt die BamS. Die Wirkstoffe stammten dabei häufig von Biotech-Firmen. Mehr als 500 neue Arzneimittel gegen Krebserkrankungen befänden sich derzeit in der Entwicklung. Dabei beruft sich die BamS auf den Verband der forschenden Arzneimittelhersteller. Zehn davon, die kurz vor der Zulassung stehen oder bereits zugelassen sind, listet die BamS auf. Wir haben weitere Details zu den innovativen Substanzen recherchiert. 

Innovationen bei Brustkrebs

Lymphoseek® ist bereits zugelassen, aber noch nicht auf dem Markt. Bei der Substanz handelt es sich um ein Medizinprodukt, „um Wächterlymphknoten aufzuspüren, die dann untersucht werden“, wie die BamS schreibt. Es handelt sich um Technetium (99mTc) tilmanocept, ein Radiodiagnostikum. Es wird in der Nähe eines Primärtumors (Brustkrebs, Melanom, Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle) injiziert und reichert sich in primären Lymphknoten in ableitenden Lymphbahnen an (Sentinellymphknoten). Diese sind im Falle einer lymphogenen Metastasierung zuerst betroffen, haben also eine wichtige prädiktive Funktion. Der Wirkstoff, Tilmanocept, bindet spezifisch an bestimmte Rezeptorproteine unter anderem auf der Oberfläche von Makrophagen, die in hohen Konzentrationen in Lymphknoten vorkommen. Dank der radioaktiven Markierung wird er mit einer speziellen Kamera erfasst. So lassen sich Lymphknoten lokalisieren und auf Tumorzellen untersuchen. Den zulassungsrelevanten Studien zufolge, lassen sich mit Lymphoseek® die Sentinel-Lymphknoten zuverlässiger detektieren als mit anderen Methoden. 

Ibrance® mit dem Wirkstoff Palbociclib, ein selektiver Inhibitor bestimmter Cyclin-abhängiger Kinasen. Die Substanz wird bei Östrogenrezeptor-positivem, humanem, epidermalem Wachstumsfaktor-Rezeptor-2-negativem (HER-2-negativ) Brustkrebs eingesetzt – oder um es mit den Worten der Bild-Zeitung auszudrücken, sie „funktioniert nur, wenn die Tumorzellen auf Östrogen reagieren“. Palbociclib wird in Kombination mit Letrozol verabreicht. In den USA ist es bereits bei postmenopausalen Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs zugelassen. In Europa ist es zur Zulassung empfohlen.

Neratinib, ist ein Tyrosinkinase-Inhibitor, der vor allem im Frühstadium von HER2-positivem, Hormonrezeptor-negativem Brustkrebs helfen soll. Entwickelt wird die Substanz von Puma Biotechnology.

Mit Etirinotecan pegol, das unter dem Handelsnamen Onzeald® vermarktet werden soll, befindet sich ein weiteres Arzneimittel gegen Brustkrebs in der Pipeline. Es handelt sich dabei um ein pegyliertes Prodrug des Topoisomerase-Hemmers Irinotecan. „Der Wirkstoff soll das Enzym hemmen, das der Körper zur Zellteilung braucht“, beschreibt die BamS den Wirkmechanismus. Die Pegylierung führt zu verlängerter Wirksamkeit. 

Drei Neue gegen Lungenkrebs

Padeliporfin (Tookad®) wurde von Steba Biotech entwickelt. Die BamS beschreibt die Wirkung des Arzneimittels gegen Prostatakrebs folgendermaßen: „Der Wirkstoff wird in die Blutgefäße des Tumors injiziert und mit Laserstrahlen aktiviert. Das führt laut Hersteller zu einem Absterben der Tumorblutgefäße. Der Vorteil: Der Wirkstoff wird nicht vom umliegenden Gewebe aufgenommen.“

Genau genommen handelt es sich um einen gefäßwirksamen Photosensibilisator, der aus palladium-substituiertem Bakteriochlorophyll gewonnen wird. Nach Aktivierung mittels Niedrigenergie-Nahinfrarotlicht bilden sich lokal reaktive Sauerstoffspezies. So kommt es zu einem lokalisierten Gefäßverschluss, der eine gezielte Nekrose von Tumorläsionen auslöst.

Mit Alectinib (Alecensa®) hat Roche einen neuen Wirkstoff gegen Lungenkrebs in der Entwicklung. Der Wirkstoff ist ein oral anwendbarer Hemmer der anaplastischen Lymphomkinase (ALK). Die anaplastische Lymphomkinase ist eine Tyrosinkinase, die bei bestimmten Krebserkrankungen aufgrund von genetischen Veränderungen aktiviert sein kann. Alectinib erhielt im Juni 2013 von der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA den Status des Therapiedurchbruchs (Breakthrough Therapy Designation) für Patienten mit ALK-positivem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs, deren Erkrankung unter Crizotinib weiter fortschritt. Es ist seit 2015 in den USA zugelassen.

Atezolizumab (Tecentriq®) ist ein weiteres Roche-Präparat. Der monoklonale Antikörper bindet selektiv an das Protein PD-L1 (programmed death ligand-1, programmierter Zelltod-Ligand 1). PD-L1 wird auf Tumorzellen und tumorinfiltrierenden Immunzellen exprimiert und unterbindet die körpereigene Immunabwehr durch Hemmung von T-Zellen. Atezolizumab blockiert die Interaktion zwischen PD-L1 und T-Zell-Oberflächenproteinen. So wird die T-Zellaktivierung und somit eine Immunantwort gegen den Tumor ermöglicht. Die Substanz zählt zu den Immuntherapeutika.

Astra Zenecas Mereletinib (Tagrisso®), besser bekannt unter der Wirkstoffbezeichnung Osimertinib, ist in der EU bereits zugelassen und auch in Deutschland auf dem Markt. Es wird bei lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem nicht-kleinzelligem Lungenkrebs eingesetzt. Es wirkt allerdings nur bei Vorliegen einer EGFR-Mutation. Osimertinib zählt zur Gruppe der Tyrosin-Kinaseinhibitoren.

Der erste „echt humane Antikörper“ 

MABp1 (Xilonix) ist ein Antikörper gegen Interleukin-1 alpha (IL-1α), das vor allem dafür bekannt ist, an zahlreichen Entzündungsprozessen beteiligt zu sein. Darüberhinaus scheint es bei bestimmten Krebserkrankungen lokale und systemische Effekte zu haben. Beispielsweise fördert IL-1α die Angioneogenese und wirkt sich negativ auf Begleiterscheinungen des Tumors aus, wie Fatigue und Kachexie. MABp1 wird als erster „echt humaner Antikörper“ (true human antibody) bezeichnet. Die BamS erklärt das folgendermaßen: „Forscher fanden den Antikörper bei einem Patienten und stellen ihn jetzt gentechnisch her.“ Der Antikörper hat tatsächlich keinerlei nachträgliche Modifikation erfahren, zum Beispiel um die Bindungsaffinität zu erhöhen. Dahinter steht die Firma XBiotech. Die Zulassung für das fortgeschrittene Kolorektalkarzinom wurde im März 2016 beantragt. 

Der letzte Wirkstoff auf der Liste ist Chlormethin (auch Mechlorethamin). Ein Alkylans , das unter anderem, zur Therapie von Morbus Hodgkin eingesetzt wird. Es zählt zu den N-Lost-Derivaten. In den USA und in der Schweiz ist es unter dem Handelsnamen Mustargen erhältlich. Über eine Zulassung oder Markteinführung in Deutschland ist derzeit nichts bekannt.  



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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2 Kommentare

Genau das haben wir getan

von Julia Borsch/Daz.online am 10.10.2016 um 20:26 Uhr

Lieber Juri,
danke für den Hinweis. So sehen wir das das auch. , Deswegen haben wir genau das getan: die Liste aus der BamS, weil viel mehr war es nicht, aufgegriffen und dazu ausführlich recherchiert.
Natürlich würden wir uns freuen, wenn die BamS uns zitieren würde. Aber solange das nicht der Fall ist, machen wir das halt so Und man muss sagen: es war zwar alles sehr oberflächlich, was da stand, aber auf keinen Fall fachlich völlig daneben.

Einen schönen Abend noch und viele Grüße
Ihre DAZ.online Redaktion
PS: ein kleiner Hinweis noch: das nächste Mal bitte mit vollständigem Namen, also Vor- und Nachname. Weil so verstößt der Kommentar gegen unserer Verhaltensregel und müsste eigentlich gelöscht werden,

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Peinlich

von Juri am 10.10.2016 um 18:37 Uhr

Warum Zitiert die DAZ die BamS?! Es sollte bitte andersrum sein, und wenn nicht, Thema der Bild aufgreifen und selbst recherchieren und einen Artikel schreiben.

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