Pharma-Honorare in Österreich

100 Millionen Euro für innige Zusammenarbeit

Wien - 22.06.2016, 16:30 Uhr

Transparenz in Österreich: Ärztekammer-Vize Karl Forstner (links) und Pharmig-Geschäftsführer Jan Oliver Huber bei der Pressekonferenz. (Screenshot: Pharmig)

Transparenz in Österreich: Ärztekammer-Vize Karl Forstner (links) und Pharmig-Geschäftsführer Jan Oliver Huber bei der Pressekonferenz. (Screenshot: Pharmig)


In Österreich erhielten Ärzte, Apotheker oder Kliniken 2015 von Pharmaunternehmen Zahlungen in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro. Im Rahmen eines „Kulturwandels“ wollen Ärzteschaft und Firmen zukünftig alle Honorare offenlegen – aktuell ist es oft nicht der Fall. Stolz ist der Pharmaverband auf die im Vergleich zu Deutschland höheren Beträge für Forschung.

Kooperation ist alternativlos

Im vergangenen Jahr ließen Pharmafirmen österreichischen Ärzten, Apothekern und anderen Heilberuflern mehr als 100 Millionen Euro für Vortragshonorare, Teilnahme an Studien oder für Beratungsleistungen zukommen. Im Rahmen der Transparenzinitiative des Verbandes der Europäischen Pharmaindustrie EFPIA veröffentlicht bis zum Ende des Monats ein Großteil aller Pharmahersteller Honorare – am Montag wurden erste Zahlen für Deutschland veröffentlicht, wo sich die Gesamtsumme auf rund 575 Millionen Euro belief.

Anders als in Deutschland stellten Ärzteschaft und Pharmaindustrie die Zahlen gemeinsam vor. Die „innige Zusammenarbeit“ sei eine Voraussetzung dafür, dass am Endes des Tages Medikamente entwickelt, ihre Wirksamkeit verbessert und Nebenwirkungen verringert werden, sagte Jan Oliver Huber, Generalsekretär des Verbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig). Die Pharmahersteller bräuchten „das Feedback aus dem Alltag, aus der klinischen Praxis, wie das Nutzen-Risiko-Verhältnis zum Beispiel eines Medikaments ist“, erklärte er. Auch Karl Forstner, erster Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, betonte, dass die Zusammenarbeit wesentlich zum Fortschritt in der Medizin beitrage. „Dieses Zusammenwirken ist alternativlos“, sagte er.

Welches Land ist transparenter?

Während sich in Deutschland 54 Firmen der „Freiwilligen Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“ (FSA) angeschlossen haben, die nach Eigenauskunft ungefähr 75 Prozent des Marktes abdecken, sind es in Österreich sogar rund 100 Unternehmen – mit einer Marktabdeckung von 95 Prozent. Die Zahlungen werden in beiden Ländern in einen Topf „Forschung und Entwicklung“ sowie in Zahlungen für einerseits Heilberufler und andererseits Institutionen aufgeteilt. In Österreich stellen Honorare für die Beteiligung an klinischen Studien oder Anwendungsbeobachtungen mit 54 Millionen Euro einen Großteil der Gelder dar – in Deutschland waren es sogar zwei Drittel der Gesamtsumme. 

Stolz über den Vergleich mit Deutschland

Doch die gesamten Gelder für die „Forschung“ werden von den Firmen nur als Gesamtsumme veröffentlicht – nur sonstige Honorare werden individuell aufgeschlüsselt. „Es handelt sich hier um sensible Daten, sagte Huber – man wolle keine Rückschlüsse erlauben, in welchem Bereich derzeit geforscht wird. Dies heiße aber nicht, dass es keine Transparenz bei der klinischen Forschung gibt, betonte er – für diese sorgten beispielsweise Richtlinien der EU.

Auch Institutionen genießen Datenschutz

Anders als in Deutschland, wo nach FSA-Auskunft jeder dritte Heilberufler zur Veröffentlichung zugestimmt hat, liegen die Zahlen in Österreich noch nicht vor – Huber nannte nur einen Wert von 50 Prozent, der teils über- oder unterschritten wurde. Ärzte oder Apotheker erhielten im vergangenen Jahr rund 20 Millionen Euro für Fortbildungen, Vortragshonorare oder Beratungsleistungen. Weitere 27 Millionen Euro gingen an medizinische Einrichtungen. Hiermit wurden beispielsweise Veranstaltungen unterstützt oder Projekte gefördert. Während die Zahlungen an Institutionen in Deutschland komplett offengelegt werden, bedarf es in Österreich hierfür deren Zustimmung.

(Grafik: jh/DAZ.online; Quelle: FSA & Pharmig)

Den Gesamtbetrag von gut 100 Millionen Euro sieht Huber als „klares Committment zum Standort Österreich“ – sowie zu den österreichischen Universitäten. „Das ist ein durchaus sehr guter Betrag“, erklärte er. Den im Vergleich zu Deutschland geringeren Anteil für Forschung und Entwicklung sieht er angesichts der in Bezug auf die Einwohnerzahl großen Gesamtsumme als Erfolg: Umgerechnet auf die Bewohner gaben die österreichischen Firmen 6,38 Euro pro Einwohner ihres Landes aus, während es in Deutschland nur 4,54 Euro sind. „Es macht mich stolz, dass wir im Verhältnis zu den Deutschen deutlich mehr Geld für Forschung und Entwicklung ausgegeben haben“, sagt Huber.

Ärzte wollen aus der Ecke raus

Die Veröffentlichungen, die nun jährlich erfolgen, sieht Ärzte-Vize Forstner als Teil eines länger andauernden „Kulturwandels“. „Wir sind es leid, ein bisschen in die Ecke gestellt zu werden, wo angeblich etwas gemauschelt wird“, sagte er. 

Im Vergleich zu anderen Bereichen – wie beispielsweise Lobbying in der Politik – seien die Pharmafirmen ein „gutes Beispiel“, sagte Huber. „Wir gehen jetzt mal vor“, erklärte er – und betonte, dass er angesichts der vielen Zahlungen, die weiterhin intransparent bleiben, noch weitergehen möchte. „Am Ende des Tages soll für jeden Patienten offen sein, wer mit wem zusammenarbeitet“, sagte Huber.

Neue Jobs durch Transparenz

Gleichzeitig habe die Initiative aufgrund all des Aufwands, die Empfänger der Gelder anzuschreiben und alles zusammenzutragen, nicht nur das Vertrauen der Bürger ins Gesundheitssystem gestärkt – sondern einen weiteren positiven Effekt gehabt. „Das hat in einigen Fällen auch dazu geführt, dass neue Arbeitsplätze geschaffen wurden“, erklärt Huber.

Allerdings könnte durchaus noch mehr Arbeit investiert werden: Wie in Deutschland werden die Honorarzahlungen nicht zentral erfasst, sondern müssen bei den rund 100 beteiligten Firmen einzeln abgerufen werden. Und während die FSA zumindest eine Internetseite mit den Links zu den einzelnen Listen anbieten will, müssen interessierte Österreicher sich die Transparenzlisten selber zusammensuchen.



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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