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Deutscher Apothekertag 2022

Ein ganz dickes Heft

Die Anträge zum Deutschen Apothekertag 2022

In diesem Jahr werden die Delegierten beim Deutschen Apothekertag ein besonders dickes Antragsheft zu bearbeiten haben. Es enthält 63 Einzelanträge und 12 Leitanträge, in denen weitere 48 Anträge zusammengefasst werden. Die Leitanträge machen deutlich, welche Themen die Apotheker bundesweit besonders bewegen. Offenbar sind dies die Honorierung und der Bürokratieabbau. | Von Thomas Müller-Bohn

Hier werden die Anträge kurz vorgestellt und teilweise erläutert. Die Zusammenstellung bezieht sich auf die Fassung nach der Bearbeitung durch den ABDA-Gesamtvorstand am 28. Juli.

Schwerpunktthema Klimaschutz und ­Nachhaltigkeit

Das Antragsheft beginnt mit dem Kapitel „Klimaschutz und Nachhaltigkeit“, weil die Hauptversammlung 2021 dieses Schwerpunktthema für den diesjährigen Apothekertag beschlossen hatte. Dazu gab es in früheren Jahren nur einzelne Anträge, diesmal jedoch eine beachtliche Sammlung. In einem Leitantrag, der sich aus drei Anträgen ergibt, soll der Gesetzgeber/Verordnungsgeber aufgefordert werden, bei allen Gesetzgebungsverfahren die Klimaneutralität und die Nachhaltigkeit zu prüfen. Die Marktbeteiligten sollen die Ressourcen für den Arzneimittelmarkt prüfen und Verbesserungen bei deren Verwendung einleiten. Die Pharma­industrie soll nachhaltige Verpackungskonzepte entwickeln und den Verpackungsmüll zu reduzieren.

In einem weiteren Leitantrag aus vier Anträgen geht es um den Themenkomplex „Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“. Demnach sollen die Apotheken klimafreundlich gestaltet werden. Gesundheitliche Aspekte des Klimawandels sollen in der Aus-, Fort- und Weiterbildung berücksichtigt werden. In den Apotheken soll zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit beraten werden. Apotheken und Berufsorganisationen sollen sich für den Klimaschutz einsetzen. Dazu gehört der Ansatz, Arzneimittel auf eine Lagertemperatur von 30 Grad Celsius auszulegen.

In weiteren Anträgen geht es um folgende Forderungen:

  • Im Rahmen der Arzneimittelzulassung sollen Angaben zu Umweltrisiken von Arzneimitteln erfasst und Schutzmaßnahmen festgelegt werden. Die Pharmakovigilanz soll um eine „Ökopharmakovigilanz“ erweitert werden.
  • Ökotoxikologische und andere umweltrelevante Daten von Arzneimitteln sollen in die ABDA-Datenbank integriert werden.
  • Es soll eine Arbeitsgruppe auf der Ebene der ABDA eingerichtet werden, die rechtliche Vorgaben (insbesondere der Apothekenbetriebsordnung) dahingehend prüft, inwieweit sie durch nachhaltige und klimafreundliche Regelungen ersetzt werden können.
  • Die ABDA soll ein Modellprojekt zu ressourceneffizienten Identifizierungsmethoden für Ausgangsstoffe unterstützen.
  • Die Bon-Pflicht im Einzelhandel soll wegen der Papier­verschwendung abgeschafft werden.
  • Die ABDA und die Geschäftsstellen der Mitgliedsorganisationen sollen bis 2030 klimaneutral gestaltet sein.
  • Pharmazeutische Unternehmer und Kosmetikhersteller sollen aufgefordert werden, die Ressourcenverschwendung zu begrenzen (Leitantrag aus drei Anträgen). Sie sollen Werbe- und Dekorationsmaterial nicht unaufgefordert zusenden. Außerdem sollen Add-Ons für apothekenpflichtige Arzneimittel verboten werden.
  • Die ABDA soll einen Nachhaltigkeitsbeauftragten ernennen.
  • Rabattverträge sollen nur mit Herstellern abgeschlossen werden, die sich verpflichten, bei allen Herstellungsschritten anerkannte Sozial- und Umweltstandards nachprüfbar einzuhalten.

Sicherstellung der Versorgung – von den zentralen Voraussetzungen bis zu den Details

Im zweiten Abschnitt des Antragshefts geht es um die ­„Sicherstellung der Versorgung“. Gemäß einem Leitantrag aus vier Anträgen soll der Gesetzgeber für sichere und verlässliche ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen für die Apotheken sorgen. Dabei wird die flächendeckende Versorgung betont. Aktivitäten kapitalgesteuerter Großkonzerne sollen kontinuierlich rechtlich überprüft werden. Am Fremd- und Mehrbesitzverbot soll zwingend festgehalten werden. In einem Leitantrag aus vier Anträgen soll gefordert werden, die pandemiebedingten Ausnahmen bei der Arzneimittelauswahl und die Ausnahme zur Herstellung von Desinfektionsmitteln als Biozid zu verstetigen. Beide Aspekte wurden bereits umfassend diskutiert. Sie ergeben sich aus den Erfahrungen in der Pandemie.

Außerdem gibt es Anträge zu folgenden Forderungen:

  • Arzneimittel mit kritischem Risikoprofil sollen vom Versand ausgenommen werden. Dies soll aufgrund der Resistenzproblematik beispielsweise Antibiotika betreffen.
  • Die flächendeckende Versorgung durch Apotheken soll mit organisatorischen und finanziellen Maßnahmen ge­sichert werden.
  • Die kritische Infrastruktur und damit auch große Teile der Pharmaindustrie sollen bei Energie- und Rohstoffknappheit besonders berücksichtigt und unterstützt werden.
  • Die „Produktion von (lebenswichtigen) Wirkstoffen und Arzneimitteln“ soll unter hohen Umweltschutz- und Sozialstandards wieder verstärkt in der EU stattfinden (Leitantrag aus zwei Anträgen).
  • Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte soll Meldungen aus Apotheken über Lieferengpässe nutzen können.
  • Die Kontingentierung von Arzneimitteln soll im Interesse der Versorgungssicherheit abgeschafft werden.
  • Bei der Regelung des Botendienstes in § 17 Apotheken­betriebsordnung soll der Begriff „Bote“ durch „Personal“ ersetzt werden, um klarzustellen, dass ein weisungs­gebundenes Anstellungsverhältnis besteht.
  • Die Lieferverpflichtung der pharmazeutischen Unter­nehmer gemäß § 52b Arzneimittelgesetz soll auf die ­Belieferung von Krankenhausapotheken ausgedehnt werden, weil diese vielfach direkt beliefert werden.
  • Die nicht ordnungsgemäße Meldung von Lieferengpässen durch pharmazeutische Unternehmer gemäß § 52b Arzneimittelgesetz soll mit Sanktionen belegt werden.
  • Der Anspruch von Versicherten im Alter von über 60 Jahren auf einen quadrivalenten Grippeimpfstoff soll unbefristet verlängert werden.
  • Die Privilegierung der Apotheken bei der Herstellungs­erlaubnispflicht soll auf die Impfstoffherstellung ausgedehnt werden. Dies zielt auf eine Regelungslücke beim ­Abpacken von Impfstoffen, die bei der Lieferung der COVID-19-Impfstoffe nur durch Ausnahmegenehmigungen zu schließen war.
  • Pharmazeutische Dienstleistungen sollen apothekenpflichtig werden.
  • Die Ärzteschaft soll aufgefordert werden, den für die ­pharma­zeutischen Dienstleistungen „notwendigen professionellen und konstruktiven interprofessionellen Dialog“ sicherzustellen.
  • Die legale Abgabe von Cannabis soll nur in öffentlichen Apotheken zulässig sein.
  • Für Zubereitungen zur Anwendung am Auge soll auf der Verpackung eine einheitliche Kennzeichnung zur Verträglichkeit mit harten und weichen Kontaktlinsen vorgenommen werden. Diese Information soll auch in die ABDA-Datenbank aufgenommen werden.
  • Die emotionalisierte Werbegestaltung für Arzneimittel zur Anwendung bei Kindern soll verboten werden.
  • Die ABDA soll einen Aktionsplan gegen den Fachkräftemangel entwickeln.

Weitere Anträge beziehen sich auf den Notdienst und andere Aspekte der Notfallversorgung:

  • Die Bundesapothekerkammer soll eine Leitlinie für verbindliche Empfehlungen zur Lagerhaltung im Notdienst erarbeiten.
  • Die Apotheken sollen zusätzlich zur Verstetigung der ­erweiterten Austausch- und Abgabemöglichkeiten mehr Möglichkeiten zum rechtssicheren Austausch verordneter Arzneimittel im Notdienst erhalten. Dies zielt auf einen Aut-simile-Austausch.
  • In dringenden Fällen außerhalb der Praxisöffnungszeiten soll eine bekannte Dauermedikation ohne Verschreibung abgegeben werden können, um Therapieunterbrechungen zu vermeiden.
  • Es sollen Maßnahmen zum Schutz vor bedrohlichen oder belästigenden Anrufen im Notdienst umgesetzt werden.
  • Notfalldepots sollen in ausgewählten Krankenhäusern der Maximalversorgung zentralisiert werden, weil sie sehr selten gebraucht werden.

Die Folgen von ARMIN

Besonderes Potenzial für die Apotheken verspricht der unscheinbare Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstandes, den Patienten einen Rechtsanspruch auf ein interdisziplinäres Medikationsmanagement wie im Modellprojekt ARMIN einzuräumen. Der Antrag fordert dafür Rahmenbedingungen, die es ermöglichen „diese Leistungen qualitativ hochwertig zu erbringen“ und die auch wirtschaftliche Anreize setzen. Dies wird mit den positiven Ergebnissen des Projekts und erheblichen gesundheitlichen Vorteilen für die Patienten begründet. Der Antrag kann als Konsequenz aus dem jahrelangen Modellprojekt betrachtet werden. Für die Apotheken geht es dabei um die Möglichkeit eine weitere Dienstleistung neben den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen und mit einer zusätzlichen, noch zu regelnden Honorierung zu erbringen.

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„Klimawandel, Pharmazie und Gesundheit“ lautet nicht nur das erstmalige Motto eines Deutschen Apothekertags, sondern ist auch der Titel eines Leitantrags aus vier Anträgen. Demnach sollen die Apotheken klimafreundlich gestaltet werden. Gesundheitliche Aspekte des Klimawandels sollen in der pharmazeutischen Aus-, Fort- und Weiterbildung berücksichtigt werden. 

Drohende Probleme und der Umgang damit

Ein weiterer Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstandes erscheint im Sinne der Abwehr möglicher künftiger Probleme besonders beachtenswert. Die EU-Kommission soll aufgefordert werden, bei der bevorstehenden Novellierung des EU-Arzneimittelrechts die Rechtsform der bestehenden Richtlinie beizubehalten und sie nicht durch eine unmittelbar in den Mitgliedsländern gültige Verordnung zu ersetzen. Damit soll ein gravierender Einschnitt in das bewährte Regelungssystem verhindert werden. Als mahnende Beispiele werden die Probleme bei der Einführung der EU-Medizinprodukteverordnung und des neuen Tierarzneimittelrechts angeführt. Als drohende inhaltliche Probleme bei der Neuregelung führen die Antragsteller an, dass die zulassungsfreie Herstellung in der Rezeptur und Defektur auf enge Ausnahmetatbestände eingeschränkt werden könnte. Außerdem wird befürchtet, dass die gedruckte Packungsbeilage durch ein digitales Konzept ersetzt wird, das neue Barrieren schafft. In einem weiteren Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstandes wird gefordert, einer veränderten Zuständigkeitsverteilung zwischen der EU und den Mitgliedsstaaten im Gesundheitsbereich eine Absage zu ­erteilen.

Problematisch erscheint der Antrag des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe zum Rezeptur- und Defekturprivileg. Der Gesetzgeber soll aufgefordert werden, diesbezüglich „für eine sinn- und zweckentsprechende Klarstellung oder Änderung der Gesetzeslage“ zu sorgen, um bestehende Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. Dazu wird auf die jüngere Rechtsprechung zur Abgabe von Opiumtinktur als Rezepturarzneimittel und auf mögliche Folgen für Cannabisextrakte hingewiesen. So sehr die gewünschte Rechtssicherheit zu begrüßen ist, irritiert hier die vage Zielformulierung, die Rechtslage klarzustellen oder zu ändern. Denn zu diesem Thema hat bereits der Apothekertag 2018 einen Beschluss gefasst, der eine deutliche und für die Apotheken hilfreiche Zielformulierung enthält. Die Antragsteller des neuen Antrags weisen auf diesen Antrag auch hin und erklären, dieser sei „versandet“. Sie ziehen jedoch nicht die naheliegende Konsequenz, den damaligen Antrag des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg zu bekräftigen und seine Umsetzung einzufordern.

Pharmazeutische Kompetenz von der Ausbildung bis zur Anwendung

Das Kapitel „Pharmazeutische Kompetenz“ beginnt mit dem Antrag des Geschäftsführenden ABDA-Vorstands, die ­Approbationsordnung für Apotheker auf der Grundlage der Ergebnisse des diesbezüglichen „Runden Tisches“ zu novellieren. Das dürfe weder zu einer Reduktion der Betreuungsintensität noch zu einer Senkung der Zahl der Studienplätze führen. In einem weiteren Antrag fordert der Geschäfts­führende ABDA-Vorstand sogar, die Zahl der Pharmazie­studienplätze in den nächsten fünf Jahren so zu erhöhen, dass der Bedarf im Arbeitsmarkt gedeckt werden kann. Zur Begründung wird angeführt, dass die demografische Entwicklung und die höhere Zahl der Teilzeitstellen den Bedarf erhöhen.

Zur PTA-Ausbildung liegen zwei unvereinbare Anträge mit ähnlicher Intention vor. Die Kammer des Saarlandes möchte die Ausbildung auf eine dreijährige duale Ausbildung mit entsprechender Ausbildungsvergütung umstellen. Dabei sollen jeweils zwei Wochen Schulbesuch mit einer Woche im ­Betrieb alternieren. Die Landesapothekerkammer Brandenburg geht hingegen von der bestehenden Ausbildung aus und fordert eine Grundlage, um den PTA-Schülern eine Vergütung zu gewähren.

In weiteren Anträgen wird gefordert,

  • in der Musterweiterbildungsordnung die Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren und Homöopathie“ durch „Phytopharmazie und Naturheilverfahren“ zu ersetzen,
  • alle akkreditierten Fort- und Weiterbildungen über ein einheitliches Portal zugänglich zu machen,
  • Staatsexamensprüfern, Weiterbildungsprüfern und Pseudo Customern für diese Tätigkeiten Fortbildungspunkte zu gewähren und
  • die Arzneimittelsicherheit in Pflegeeinrichtungen zu verbessern. Dazu sollen Apotheken das Pflegepersonal kontinuierlich beraten und schulen und dafür angemessen vergütet werden.

Außerdem wird gefordert, dass

  • OTC-Arzneimittel eine stärkere Rolle in der Kommunikations- und Kampagnenarbeit der ABDA einnehmen,
  • Apotheken Coronatests bei symptomatischen Personen durchführen dürfen,
  • ein Konzept erarbeitet wird, um die Apothekenberufe als Gesundheitslotsen im Sinne des Koalitionsvertrags einsetzen zu können, und
  • der Ständigen Impfkommission in der nächsten Berufungsperiode auch ein Apotheker angehört.

Neue Details zur Digitalisierung

Die Anträge im Kapitel „Digitalisierung“ zielen überwiegend darauf, die laufenden Umstellungsprozesse weiterzuentwickeln. Sie enthalten fol­gende Forderungen:

  • Für alle Patienten soll initial eine elektronische Patientenakte angelegt werden (Opt-out-Verfahren).
  • Die Digitalisierung soll weiter vorangetrieben werden. Der Gesetzgeber soll den Apo­theken weitere honorierte digitale Anwendungen er­möglichen.
  • Das Einreichen von E-Rezepten über die elektronische Gesundheitskarte soll kurzfristig ermöglicht werden.
  • Die Kosten der Apotheken für KIM- und TIM-Mail-Adressen sollen refinanziert werden.
  • Behörden sollen die Lesbarkeit von Data-Matrix-Codes konsequenter kontrollieren, damit das Scannen in den Apotheken fehlerfrei ablaufen kann.
  • Der Gesetzgeber soll den Apotheken die Aufgabe übertragen, als unabhängige Berater für Digitale Gesundheits-, Pflege- und Versorgungsanwendungen tätig zu werden. Die Apotheken sollen diese Tätigkeit gegenüber den Krankenkassen abrechnen können.
  • Krankenkassen sollen einzelne Apps, die nicht als Digitale Gesundheitsanwendungen gelistet sind, nicht in einem bestimmten Indikationsgebiet bewerben dürfen.

Mehr Geld für die Apotheken

Im Kapitel „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“ geht es zunächst um einen Leitantrag, in dem die Apotheker ein höheres Honorar fordern. Der Gesetzgeber/Verordnungsgeber soll aufgefordert werden, „nach vielen Jahren endlich eine sachgerechte Erhöhung des Apothekenhonorars vorzunehmen“. Außerdem heißt es: „Maßnahmen mit gegenteiliger Wirkung sind abzulehnen.“ Das zielt offenbar auf die im Entwurf für das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geplante Erhöhung des Apothekenabschlags. Der Antrag verknüpft die Ablehnung dieser Sparpläne mit der Forderung nach mehr Honorar für die Apotheken. Nachdem die ABDA sich jahrelang mit Honorarforderungen zurückgehalten hatte, forderte die Hauptversammlung 2021 mehr Geld für die Apotheke. Nun stammt einer der Anträge vom Geschäftsführenden ABDA-Vorstand. Sechs weitere Anträge kommen von neun Mitgliedsorganisationen. Die Anträge unterscheiden sich teilweise, sodass einzelne Aspekte möglicherweise als weitergehende Anträge verstanden werden können. Meist beziehen sie sich auf den Festzuschlag. Der Verband Niedersachsen fordert, die prozentuale Komponente auf fünf Prozent (bisher drei Prozent) und die packungsbezogene Komponente auf zehn Euro (bisher 8,35 Euro) zu erhöhen. Die Berufsorganisationen aus Schleswig-Holstein fordern, das Packungshonorar, die Botendienstpauschale und die BtM-Dokumentationsgebühr „deutlich auf ein zeitgemäßes Level“ anzuheben. Bei der Kammer Hamburg geht es allgemein um die „Arzneimittelpreisverordnung“. Zur Bemessung fordern die Hamburger eine Orientierung an den allgemeinen Kostensteigerungen, mindestens jedoch eine Anpassung „an die Inflationsrate seit 2002“. Denn 2002 ist das Basisjahr für das 2004 eingeführte Honorarmodell. Die Kammer des Saarlandes fordert zusätzlich zur Erhöhung des Honorars, dieses „zukünftig an die Inflationsrate zu koppeln“.

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Beim Deutschen Apothekertag 2021 mussten die Delegierten erstmals digital ab­stimmen – dies war vor allem dem Umstand einer Hybridveranstaltung geschuldet. 2022 ist zwar kein hybrider Apothekertag geplant, doch an der neuen, digitalen Abstimmungsmöglichkeit wird man wohl dennoch festhalten.

Weitere Aspekte rund ums Honorar

Auch in einigen weiteren Anträgen des Kapitels geht es um mehr Geld für die Apotheken. Eine neue Idee dazu ist der Mitarbeiterpakt, den die Berufsorganisationen aus Schleswig-Holstein vorschlagen. Demnach soll der Gesetzgeber ein zusätzliches Honorar schaffen, das die Apotheken in voller Höhe an die Apothekenmitarbeiter weiter­geben. Die Verteilung soll von den Tarifpartnern ausge­handelt werden. Außerdem fordert der Berliner Apotheker-Verein, den Apothekenabschlag nach § 130 Abs. 1 SGB V als Netto­betrag festzuschreiben. Dies wurde im April in der DAZ angeregt (siehe DAZ 2022, Nr. 17, S. 14). Damit sollen Belastungen der Apotheken bei künftig denkbaren Mehrwertsteuersenkungen für Arzneimittel verhindert werden.

In anderen Anträgen wird gefordert,

  • die Verluste der Apotheken auszugleichen, die durch Umsatzverlagerungen als Folge des E-Rezeptes entstehen,
  • Einträge in der elektronischen Patientenakte zu vergüten (auch im Zusammenhang mit der Nutzung Digitaler Gesundheitsanwendungen),
  • die Unterstützung der Patienten beim „Onboarding“ für das E-Rezept zu honorieren,
  • die Honorierung der pharmazeutischen Dienstleistungen weiterzuentwickeln,
  • zusätzliche Arbeit aufgrund der Nicht-Verfügbarkeit von Arzneimitteln zu honorieren,
  • das Verblistern als gesondert honorierte Regelversorgung zu organisieren,
  • die Apotheken beim Herstellerabschlag nicht mehr für den Zahlungsausfall von Herstellern haften zu lassen und ein Honorar für das Inkasso des Herstellerabschlags einzuführen (Leitantrag aus zwei Anträgen).

Außerdem wird gefordert, die Sonderstellung der Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen in der GKV abzuschaffen. Diese sollten die gleichen Anforderungen wie andere Arzneimittel erfüllen, um als Regel- oder Satzungsleistung erstattet zu werden. Denn die Beitragsgelder könnten an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden, heißt es zur Begründung.

Zur Sicherstellung der Versorgung mit Grippeimpfstoffen gibt es einen Leitantrag aus zwei Anträgen. Die seit Mai 2019 in der Arzneimittelpreisverordnung geregelte Vergütung soll hinterfragt und künftig auskömmlich gestaltet werden. Außerdem soll für die Rückerstattung nicht verwendeter Impfstoffe gesorgt werden. Die Antragsteller verweisen auf den hohen Aufwand und die zwischenzeitlich eingeführten teureren Hochdosisimpfstoffe. Ergänzend sollte daran erinnert werden, dass eine Evaluation der „neuen“ Honorierung geplant war, die durch die Corona-Pandemie vereitelt wurde.

Leitanträge gegen Retaxationen, Bürokratie und Präqualifizierung

In einem weiteren Leitantrag aus sechs Anträgen wird ein gesetzlicher Rahmen für Retaxationen gefordert. Damit werden teilweise Forderungen früherer Apothekertage erneut aufgegriffen, doch der diesjährige Leitantrag ist ausführ­licher und umfasst folgende Forderungen:

  • Retaxationen sollen nur in den Fällen und in der Höhe zulässig sein, in denen bzw. in der der Kasse ein nachzuweisender wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.
  • Für das Entlassmanagement soll ein größerer Handlungsspielraum ohne Retaxgefahr eingeräumt werden.
  • Für Übergangszeiträume soll eine Friedenspflicht gelten.
  • Kommerzielle Dienstleister sollen nicht auf der Grundlage einer Erfolgsbeteiligung eingebunden werden.
  • Apotheken sollen im Einspruchsverfahren Heilungsmöglichkeiten erhalten.

Außerdem sollen Politik, Patienten und Ärzte in einer bundesweiten Medienkampagne auf das Problem hingewiesen werden.

Darüber hinaus gibt es einen Leitantrag zur Entbürokratisierung, der auf sechs Anträgen beruht. Demnach sollen die Apotheken von bürokratischen Hürden entlastet werden. Dazu soll gemeinsam mit anderen ­betroffenen Berufs­gruppen ein interdisziplinärer Aktionsplan zum Bürokratie­abbau im Gesundheitswesen erstellt werden. Die Bundesregierung soll einen sektorübergreifenden „runden Tisch“ initiieren, der einen Maßnahmenkatalog zur deutlichen Reduzierung des Bürokratieaufwandes und zur Verbesserung der sektorübergreifenden Versorgung der Bevölkerung erstellen soll. Ein Anliegen wird in dem Antrag bereits hervorgehoben. Die Krankenkassen sollen ein „automatisches, schnelles und patientenfreundliches Verfahren zur Zuzahlungsbefreiung“ implementieren. Außerdem soll die ABDA eine Arbeitsgruppe zur „Entbürokratisierung im Apothekenwesen“ einrichten, die Vorschläge zum Bürokratieabbau macht. Die bürokratischen Belastungen der Apotheken sollen systematisch erfasst werden und es sollen Maßnahmen zum Bürokratieabbau ergriffen werden. Schon bei früheren Apothekertagen gab es Anträge zum Bürokratieabbau, aber nicht so ausführlich. Besonders bemerkenswert erscheint der Ansatz, sich mit anderen betroffenen Berufsgruppen zu verbünden.

Ein Aspekt der Bürokratie beschäftigt die Apotheker ganz besonders – die Präqualifizierung. Auch dagegen gab es schon früher Anträge, aber diesmal gibt es auch dazu ein stärkeres Signal. In einem Leitantrag aus fünf Anträgen von 14 Mitgliedsorganisationen wird gefordert, die Präqualifizierung von Apotheken für die Abgabe von Hilfsmitteln abzuschaffen. Für den Fall, dass dies nicht erreicht wird, soll gesetzlich festgeschrieben werden, dass Apotheken die Voraussetzung für die Versorgung von GKV-Versicherten mit apothekenüblichen Hilfsmitteln erfüllen, für die keine handwerkliche Zurichtung erforderlich ist. Die Präquali­fizierung für die Versorgung mit apothekenüblichen Hilfsmitteln soll im Rahmen der Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung an die Räume und die Ausstattung automatisch erfüllt sein. |

Autor

Dr. Thomas Müller-Bohn, Apotheker und Dipl.-Kaufmann, DAZ-Redakteur

Bumerang gegen die Rezeptur 

Kommentar von Dr. Thomas Müller-Bohn

Das Abfüllen von Stoffen und Zubereitungen als individuelle Rezeptur ist seit Jahrhunderten etabliert. Das ist die klassische Form des Dispensierens in der Apotheke. Dennoch ist diese Vorgehensweise ebenso wie ­einige andere Aspekte der Rezeptur und Defektur seit mehr als zwanzig Jahren Gegenstand gerichtlicher Verfahren auf Hersteller- und Apothekenebene. Der Verfasser dieses Kommentars hat schon in früheren Kommentaren gewarnt, dass einige Urteile das Rezeptur- und Defekturprivileg der Apotheken insgesamt unterlaufen und damit zu einer ­massiven Belastung für die Versorgungssicherheit werden können. Spätestens die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig die Rezeptur plötzlich werden kann. Die Argumente der Gerichte in den problematischen Verfahren gehen an diesen Folgen und an der Realität in den Apotheken vorbei. Sie beruhen offensichtlich auf grundlegenden Missverständ­nissen zu den pharmazeutischen Hintergründen, insbesondere zur Unterscheidung von Arzneistoff und Arzneimittel und zur Funktion des Apothekers bei der Freigabe einer Rezeptur. Der Verfasser dieses ­Kommentars hat dies ausführlich in einem zweiteiligen Beitrag in „Arzneimittel und Recht“ dargelegt (A & R 2021, Nr. 3 und 4, „Wohin treibt das arzneimittelrechtliche Rezeptur- und Defekturprivileg?“).

Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg bemängelte schon in einem Antrag zum Deutschen Apothekertag 2018 eine „Reihe von verfehlten gerichtlichen Entscheidungen“ und forderte eine Klarstellung des Gesetzgebers. Der damals von der Hauptversammlung angenommene Antrag zielt unmissverständlich auf die Bekräftigung der etablierten pharmazeutischen Praxis. Zum Apothekertag 2022 hat der Apothekerverband Westfalen-Lippe einen neuen Antrag zu diesem ­Thema eingebracht. Dieser zielt auf Rechtssicherheit, was sehr zu begrüßen ist. Doch bezüglich des inhaltlichen Ziels bleibt der Antrag erschreckend vage. Gefordert wird eine „Klarstellung oder Änderung der Gesetzeslage“. In der Begründung heißt es dann sogar, es scheine klar, dass nicht jede Tätigkeit im Rahmen der Herstellung das Rezepturprivileg auszulösen vermag. Im Antrag von 2018 hieß es hingegen, dass „jedwede in § 4 Abs. 14 AMG aufgeführte Verarbeitungstätigkeit die Anforderungen eines ‚wesent­lichen Herstellungsschrittes‘ in der Apotheke“ erfüllt.

Die Grundidee des Antrags von 2018 ist weiterhin richtig. Jede Aufweichung der Apothekerposition kann zu einem Bumerang werden, der die Rezeptur zerstört. Die Antragsteller des neuen Antrags verlassen den bisherigen Weg der ­ABDA und folgen der Leimrute, die die Gegner der Rezeptur ausgelegt haben. Doch das ist der falsche Weg. Rechtssicherheit um den Preis einer deutlich verschlechterten Position der Apotheken darf kein Ziel sein. Der im Antrag vorgezeichnete Weg kann dazu führen, dass das Abfüllen von Stoffen und Zubereitungen in Apotheken praktisch unzulässig wird. Doch der von den Antragstellern angeführte Schutz vor einem denkbaren Missbrauch des Rezepturprivilegs ist ohnehin nicht über einen formalen juristischen Weg zu erreichen und er darf nicht an den Tätigkeiten der Apotheke anknüpfen. Auch dieses Ziel ist nur über ­einen pharmazeutischen Weg zu erreichen – mit Apothekern, die die Produkte verantwortlich pharmazeutisch bewerten. Es gilt die pharmazeutische Kompetenz zu stärken und zu nutzen und sie nicht durch neue juristische Hürden zu blockieren. Der Schutz vor dubiosen Produkten kann nur an den Produkten selbst anknüpfen und muss sich an pharmazeutischen Maßstäben orientieren. Etablierte monographierte Zubereitungen können hingegen nicht per se bedenklich sein.

Doch noch wichtiger als die Pro­dukte muss für die pharmazeutische Berufspolitik sein, die Handlungsmöglichkeiten der Apotheken zu sichern. Darum sorgt sich die ABDA um neue Pläne der EU – und sie sollte es auch bei den nationalen Regeln zum Rezepturprivileg tun. Dabei geht es primär um die Ver­sorgung, aber auch um wirtschaft­liche Interessen. Die Antragsteller verweisen selbst auf drohende Folgen „im Bereich von Cannabisextrakten“, aber gerade ihr Antrag ­bedroht die Rechtsgrundlage für die Umsätze mit Cannabisblüten, weil diese „nur“ abgefüllt werden.

Zu den vielen hier nur ansatzweise dargestellten inhaltlichen Argumenten kommt ein sehr einfacher formaler Grund gegen den neuen Antrag. Es gibt bereits eine Beschlusslage zu diesem Thema und es besteht kein Grund sie zu ändern. Auch die Antragsteller des neuen Antrags verweisen auf den Antrag von 2018, der „versandet“ sei. Das ist leider wahr. Darum gilt es diesen Antrag weiterzuverfolgen. Seine ­unmissverständliche Intention muss die Orientierung bleiben. ­Allerdings ergibt sich aus den zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen und der erwähnten Analyse, dass eine Klarstellung des Gesetzgebers zum Begriff des Fertigarzneimittels in § 4 Abs. 1 AMG ebenso dringend ist wie zum Begriff des „wesentlichen Herstellungsschritts“ in § 21 Abs. 2 AMG. Doch das ist ­juristische Feinarbeit. Berufspolitisch entscheidend ist: Gefragt sind Klarstellungen, aber keine Verschärfungen, die die Apotheken weiter einengen.

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