Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Pharmazeutische Dienstleistungen – Teil 1

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Die Diskussion um pharmazeutische Dienstleistungen in Apotheken grassiert und zwischenzeitlich sind die dafür notwendigen Verhandlungen zunächst gescheitert. Bevor nun explizit darauf einzu­gehen ist, ob und wenn ja welche Chancen in pharmazeutischen Dienstleistungen zu sehen sind, müssen diese von unentgeltlichen Services und Dienstleistungen allgemeiner Art gegen Entgelt abgegrenzt werden.

Vielfältige Zahlungsmethoden, Online-Rückrufaktionen, die frei abzugebende Kundenzeitschrift, eine Online-Vorbestellung, aber auch der in der Offizin befindliche Wasserspender sind Services, die dazu dienen sollen, den Einkauf für Kunden so angenehm oder so bequem wie möglich zu gestalten. Diese Services kennen wir auch aus anderen Einzelhandelsbranchen. Dabei sind sie nicht zu unterschätzen, ein frei nutzbares Kunden-WC z. B. in den großen Warenhäusern macht auch den Einkauf dort wahrscheinlicher und wenn in Sommermonaten in einzelnen Läden ein Wasserspender eine barrierefreie Möglichkeit ist, kurz einen Schluck zu sich zu nehmen, kann dies neben positiven Imagewirkungen auch unmittelbare Käufe auslösen.

Spricht man von allgemeinen Dienstleistungen, ist man – auch wenn der Volksmund dies nicht so genau trennt – bei der zu bezahlenden Inanspruchnahme von Diensten durch einen Dritten. Geht man beispielsweise auf Veranstaltungen, bei denen Eintritt verlangt oder eine Schutzgebühr erhoben wird, befinden wir uns genau in so einer Situation. Auch der Verleih von Milchpumpen oder anderen Geräten in der Apotheke ist eine allgemeine und keine pharmazeutische Dienstleistung, da ja nicht der Heilberufler an sich an einer anderen Person tätig wird. Da spielt es auch keine Rolle, was konkret verliehen wird, es macht aus einer allgemeinen Dienstleistung noch keine pharmazeutische.

Wenn die spezifische heilberuf­liche Kompetenz an Personen und Sachen genutzt und angeboten wird, dann wird von pharmazeu­tischen Dienstleistungen gesprochen. Jede Art von Tests und Messungen an Personen zählt dazu, ebenso wie Wasser-, Luft- und Schimmelpilzanalysen oder auch die Abmessung von Kompres­sionsstrümpfen. Rezeptur und Defektur sind ebenfalls pharmazeutische Dienstleistungen. Gerade in Corona-Zeiten ist die Corona-Testung pharmazeutischer Art, wenngleich die Ausstellung des digitalen Impfnachweises in der Grauzone liegt, je nachdem, welchen Schwerpunkt (technisch oder pharmazeutisch) man bei der Ausstellung unterstellt.

Der Heilberuf Pharmazeut wird über das Angebot der pharmazeutischen Dienstleistungen nochmals in der Wahrnehmung einer breiten Bevölkerung angehoben. Allerdings ist viel dafür zu tun, denn was lange nicht zur Selbstverständlichkeit in vielen Offizin-Apotheken gehörte, muss manchem kritischen Geist, der derlei Akti­vitäten dort nicht verortet, erst kompetent nahegebracht werden.

Zudem wildert man dann ggf. in den Gefilden anderer Berufsgruppen oder aber diese verkämpfen sich gegen ein legitimiertes Angebot in Apotheken getreu dem Motto „wehret den Anfängen“. Für Apotheken spricht der barrierefreie Zugang, die nachgewiesenermaßen vorhandene Kompetenz und die zwar etwas ausgedünnte, aber sicherlich tendenziell gewährleistete flächendeckende Versorgung. Auf der anderen Seite wird nicht jede Apotheke jede im Gespräch befindliche pharmazeu­tische Dienstleistung anbieten können und wollen, was von allen Beteiligten eine gute und nach­vollziehbare Kommunikation erfordert. Denn dann ist es nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine pharmazeutische Dienstleistung in dafür ausgewählten Verkaufsstellen. Da dieses Angebot aber auch schon bei der Corona-Testung gut klappt, darf man sicher sein, dass dies auch bei allen anderen pharmazeutischen Dienstleistungen funktionieren dürfte.

Neben der inhaltlichen und fach­lichen Kompetenz stellt sich in vielen Offizinen nebst Räumen hinter dem HV-Tisch die Frage, wo die Dienstleistungen erbracht werden können. Denn diese ergänzen ja das Brot- und Butter-Geschäft und ersetzen es nicht. Von daher darf der reguläre, dezente und diskrete Abverkauf von Arzneimitteln mit der gebotenen Beratung nicht räumlich unter dem hinzugenommenen Angebot an pharmazeutischen Dienstleistungen leiden. Durchsetzen wird es sich sowieso nur an den Stellen, wo auch die gebotene Diskretion gewährleistet werden kann.

Mit dem Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) wurde die gesetzliche Grundlage für honorierte pharmazeutische Dienstleistungen geschaffen, schon Anfang 2022 sollen Apotheken diese anbieten können. Jährlich sollen dafür 150 Millionen Euro in die Kassen fließen. Aus Sicht der ABDA sollen mit dem Angebot Risiken der Polymedikation minimiert, mangelnde Therapietreue verbessert sowie die Vorsorge und Früherkennung von Volkskrankheiten ausgebaut werden.

Während die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband sich schwierig gestalteten, stellten Ärzte, Apotheker und mehrere Krankenkassen in der Region Nordrhein ein Pilotprojekt für eine pharmazeutische Dienst­leistung auf die Beine: Am 1. Juli 2021 startete das Projekt „digitales interprofessionelles Medika­tionsmanagement“ (DiM). Es möge aus vielerlei Gründen von Erfolg gekrönt sein. |

 

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW), Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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